Temeswar wird 2021 europäische Kulturhauptstadt
Zum zweiten Mal wurde eine rumänische Stadt zur europäischen Kulturhauptstadt ernannt. Das westrumänische Temeswar überzeugte im Kampf um den begehrten Titel für das Jahr 2021 mit dem Konzept: Lass dein Licht leuchten, erleuchte die Stadt!“.
Corina Sabău, 24.09.2016, 17:30
Das westrumänische Timişoara (dt. Temeswar) wird Europäische Kulturhauptstadt 2021. Das gab eine EU-Expertenjury unter der Leitung von Steve Green bekannt. Das nordwestrumänische Baia Mare, Bukarest und Cluj-Napoca (Klausenburg) — in der Landesmitte — waren ebenfalls in die Endauswahl gewählt worden. Im Wettbewerb setzte Timişoara auf die Förderung der Volksgruppen durch Kultur. Die Kulturministerin Corina Şuteu sagte bei der darauffolgenden Pressekonferenz, es sei eine Ehre, dass bereits zum zweiten Mal eine rumänische Stadt zur Europäischen Kulturhauptstadt gewählt wird. Dank der gesammelten Erfahrung, als Hermannstadt im Jahr 2007 den Titel Europäische Kulturhauptstadt trug, sei man sich der Chance bewusst geworden, die ein solcher Titel aus kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Sicht mit sich bringt. Kulturministerin Corina Şuteu dazu:
Ich habe es als Witz gemeint, dass einer der Gründe, wofür der Titel der Europäischen Kulturhauptstadt eine große Bedeutung trägt, ist, dass in dieser Art ein Kulturminister seine Wirksamkeit und sein Engagement unter Beweis stellen kann. Ich habe nicht vergessen, dass das Konzept der ehemaligen Kulturministerin Griechenlands Melina Mercouri und ihrem französischen Amtskollegen Jacques Lang zu verdanken ist, die das Projekt im Jahr 1985 ins Leben riefen. Ich glaube, dass der Staat ein Architekt der Kultur sein kann, dass die Freiheit der Schöpfung ein elementares Merkmal europäischer Staaten ist. Im globalen Kontext von heute bringen meiner Ansicht nach die Europäischen Kulturhauptstädte einen deutlichen Beitrag dazu, dass die Menschen ihrer Zugehörigkeit zu Europa bewusst werden. Ich denke auch an die Städte, die im Jahr 2021 diesen Titel mit Temeswar teilen werden, es handelt sich um Städte aus den EU-Beitrittskandidatenstaaten Serbien und Montenegro sowie aus Griechenland, das 14 Bewerber hatte. Daher denke ich, dass die Kultur die Zugehörigkeit zu Europa definiert. Die Kultur ist die Antwort auf die Frage: Warum fühlen wir uns europäisch?“
Das Programm der Europäischen Kulturhauptstadt ist eine kulturelle Vorzeigeinitiative der EU. Bis 2019 werden insgesamt 60 Städte den begehrten Titel tragen. Seit 1985 erhält jährlich mindestens eine europäische Stadt den Titel Kulturhauptstadt Europas“. Der Europäische Rat verleiht ihn auf Empfehlung der Europäischen Kommission. Von 2009 bis 2019 werden jährlich zwei Titelträger, jeweils aus einem alten und einem neuen Mitgliedstaat, ernannt. Die Städte, die den Titel tragen, werden ein Jahr lang das internationale Publikum mit einem innovativen und reichen Kulturprogramm anlocken, das den Reichtum, die Vielfalt und die Ähnlichkeiten, die zwischen den europäischen Kulturen bestehen, in den Vordergrund bringen soll. Der Leiter der EU-Kulturkommission Karel Bartak erläutert die Bedeutung des Titels:
Die Europäische Kulturhauptstadt ist im Laufe der Zeit zu einer der angesehensten Kulturveranstaltungen gewachsen. In diesem Moment, in dem Europa vor großen Herausforderungen steht, ist es ideal, dass wir die wahren Werte unseres Kontinents nicht vergessen und ich bin fest davon überzeugt, dass das Konzept der Europäischen Kulturhauptstadt uns deutlich dazu verhelfen wird. Dieses Konzept stellt auch eine Gelegenheit dar, die europäischen Bürger näher aneinander zu bringen, sie dazu zu veranlassen, die außergewöhnliche kulturelle Vielfalt Europas zu entdecken und sie mit der gemeinsamen Geschichte und den gemeinsamen Werten des Kontinents vertraut zu machen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass wir den Dialog fördern und das Gefühl der Zugehörigkeit zu den Werten unserer Gemeinschaft stärken. Europa muss derzeit schwierige Zeiten durchmachen und einige unserer gemeinsamen Werte stehen unter Fragezeichen, andere sind verloren gegangen, in etlichen europäischen Staaten tauchen populistische Akzente immer öfter auf. Eine der Lösungen wäre meiner Meinung nach, Europa an seine Bürger näher zu bringen. Die Kultur bildet den Kern Europas und die gemeinsamen Kulturwerte bringen uns alle näher aneinander. Wir dürfen nicht vergessen, dass die kreativen Kulturbereiche die Wirtschaftskrise gut überstanden haben.“
Temeswar wird als Gewinner von der EU einen Preis von 1,5 Millionen Euro erhalten. Wir stellen uns eine einzigartige Reise von Einsamkeit bis zur Zugehörigkeit, vom Licht über das Dunkel und wieder ans Licht, über drei der heutigen Herausforderungen Europas vor: Menschen, Orte und Verbindungen. Temeswar ist der richtige Ort, an dem ein großangelegtes Kulturprojekt ins Leben gerufen werden kann und wo in den europäischen Gemeinschaften, die schwere Zeiten erleben, die Hoffnung wiederbelebt werden kann. Wir richten uns auf unser Publikum, auf Menschen, auf unsere Bürger und ihre Stimmen, die nicht ausreichend gehört werden, aber nicht verloren gegangen sind. Wir haben eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte einer kosmopolitischen Stadt, die die Zeit überdauerte und sich selber an der Grenze zwischen Mittel- und Südosteuropa wiedererfand.“
Mit diesen Worten hat die westrumänische Stadt den Kampf um den Titel Europäische Kulturhauptstadt angetreten, ihren Trumpf ausgespielt, ohne ihre Probleme zu verstecken, und sich den historischen Moment gewünscht, der zahlreiche Menschen zusammenbringt. Manchmal beginnen die großen Änderungen auf der Straße“ steht es anschließend in den Bewerbungsunterlagen der westrumänischen Stadt. Im Jahr 1884 war Timişoara eine der ersten europäischen Städte, die die elektrische Straßenbeleuchtung einführten. Die Stadt, in der 1989 der antikommunistische Aufstand ausbrach, überzeugte mit dem Konzept: Lass dein Licht leuchten, erleuchte die Stadt!“