Internationale Buchmesse „Gaudeamus“: Schwerpunkt Kinderliteratur und Poesie
Gaudeamus gilt als die einzige Buchmesse weltweit, die von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, Radio Rumänien, organisiert wird. Der hauseigene Verlag Casa Radio hatte dieses Jahr mehrere Überraschungen parat.
Corina Sabău, 28.11.2015, 17:55
Die 22. Buchmesse Gaudeamus stand dieses Jahr unter dem Motto Die Buchmesse, wo man am meisten liest, gebracht vom meistgehörtesten Radiosender“. Gaudeamus gilt als die einzige Buchmesse weltweit, die von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, Radio Rumänien, organisiert wird.
Die diesjährige Internationale Buchmesse Gaudeamus lockte über 125.000 Besucher an, um 8.000 mehr als im Vorjahr. Rund 3,2 Millionen Euro haben die Verlage auf der diesjährigen Buchmesse mit Buchverkäufen erwirtschaftet. Mit zahlreichen neuen Titeln und 700 Events lockte auch dieses Jahr die Buchmesse die rumänischen Literaturliebhaber an. Ehrengast war dieses Jahr die Gruppe der französischsprachigen Botschaften, Delegationen und Anstalten. Ehrenpräsident der diesjährigen Buchmesse war Victor Ieronim Stoichiţă, Forscher und Professor für Kunstgeschichte. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist der einzige Medienanbieter weltweit, der eine Kulturveranstaltung dieses Ausmaßes finanziert und organisiert und dadurch die geschriebene Kultur unterstützt.
Unter dem Motto Ich suche das Beständige“ schlug der Verlag Casa Radio drei fundamentale Themenbereiche vor: Kinderliteratur, bedeutende Autoren der Zwischenkriegszeit und zeitgenössische Literatur. Daria Ghiu, Vertreterin des Verlags Casa Radio, dazu:
Was die Kinderliteratur anbelangt, möchte ich die Sammlung »Radio Princhindel« (zu deutsch in etwa: Radio Knirps od. Dreikäsehoch — Anm. d. Red.) erwähnen. In diesem Jahr haben wir für unsere Gäste »Alice im Wunderland« von Lewis Carroll vorbereitet. Es geht um ein Audiobook, Buch plus CD mit illustriertem Text. Es muss gesagt werden, dass in diesem Jahr 150 Jahre seit der ersten Ausgabe der berühmten Geschichte gefeiert werden. Es gibt auch eine Internetseite, die dieser Veranstaltung gewidmet ist. Es wurden zahlreiche Ausstellungen organisiert, zum Beispiel die in London, zum Thema der diversen Ausgaben und der Illustrierungen dieses wunderbaren Textes entlang der Zeit. Auch Salvador Dalí hat die Geschichte seinerzeit illustriert. Es ist schwer, mit diesem komplizierten, verspielten und spektakulären Text zu arbeiten. Es ist schwer, etwas Neues zu erfinden. Wir schlagen eine Ausgabe vor, die auf dem klassischen Radiohörspiel von 1968 fußt. Dieses Hörspiel ist bei allen Generationen bekannt, es hat einen hohen Wiedererkennungsgrad. Unsere Hörer kennen die betreffenden Lieder. Wenn man ihnen über Alice erzählt, beginnen sie unwillkürlich beispielsweise ‚Ich bin ein Mädchen, ich heiße Alice‘ zu singen. Wir hatten wie gesagt schon die CD mit den Musikeinagen, wir hatten den Text und wir haben dann die junge Künstlerin Ana Botezatu gebeten, die Illustrationen zu zeichnen. Das Ergebnis war überraschend: eine Illustration mit viel Collage, die mich an die Avantgarde, an den Dadaismus erinnert. Ich habe Ana Botezatu mit der deutschen Künstlerin Hannah Hoch verglichen. Kurz gesagt: Es entstand etwas Neues.“
Der Humanitas-Verlag hat auf der 22. Internationalen Buchmesse Gaudeamus das Buch Prietenii noştri imaginari“ (Unsere imaginären Freunde“) vorgestellt. Das Buch bringt mehrere bekannte Namen der rumänischen Literatur zusammen: Şerban Foarţă, Elena Vlădăreanu, Emil Brumaru, Marin Mălaicu-Hondrari, Antoaneta Ralian. Was kann der Leser aus einem Buch erfahren, das von mehreren Schriftstellern geschrieben wurde? Zum Beispiel, dass ein Kind ein paar Tage in seiner eigenen Welt leben kann und dass es für immer dort bleiben kann. Einige Eltern sehen sogar die imaginären Freunde ihres Kindes. Was kann man noch erfahren? Zum Beispiel, dass man vom imaginären Doppelgänger die Leviten verlesen bekommen kann oder dass man sich auch mit 91 noch fragen kann, ob man bei seinem imaginären Gegenpart nicht besser aufgehoben sei. Nadine Vlădescu dazu:
Ich habe mich sehr gefreut, dass Antoaneta Ralian meine Einladung akzeptiert hat. Die Schriftstellerin ist 91 Jahre alt und macht keinen Hehl daraus. Sie spricht sogar darüber im Buch. Für sie war es ebenfalls eine Freude, über den imaginären Freund, einen jungen Mann namens Marcel zu schreiben. Wohl von Marcel Proust inspiriert hat sie hat ihn als eine Art männliches Alter Ego erfunden. Ralian spricht über ihn in einer sehr persönlichen, psychoanalytischen Weise. Im Buch kommen weitere interessante imaginäre Freunde vor. Die Literaturkritikerin Tania Radu schreibt auf dem vierten Umschlag, der Zufall habe eine fantastische Rolle gespielt, weil der Inhalt sehr natürlich sei. Es sind 13 Erzählungen, 13 unterschiedliche imaginäre Freunde darunter ein Ballon, ein Schneckenprinz, eine Göttin, ein Fagott spielendes Schweinchen, ein Geist, der jede Form einnehmen kann, eine verspielte Puppe und sogar Gott. Ich werde nicht verraten, wessen Freund er ist, ich werde die Leser lassen, das zu entdecken.“
Die Verlagsgruppe frACTalia wurde in diesem Jahr auf Initiative einer Gruppe von rumänischen Schriftstellern und Graphikern gegründet und war bei der Internationalen Buchmesse Gaudeamus anwesend. Iulia Militaru, eine der Gründerinnen der Verlagsgruppe frACTalia, dazu:
Einerseits gibt es Verlage, die sich dicht machen müssen, andererseits Verlage, die riesige Umsätze hatten. Es hängt davon ab, wie man das Geschäft angeht. Ich hoffe, wir werden es schaffen, ein Gleichgewicht zwischen der Qualität der herausgegebenen Bücher und dem Gewinn beizubehalten. Dieses Spannungsverhältnis wird immer da sein. Wir waren nicht auf Profit um jeden Preis aus, was wir tun, tun wir aus Leidenschaft. Wir haben unseren Verlag auf der 22. Internationalen Buchmesse Gaudeamus erstmals vorgestellt und drei Poesiebände lanciert, zwei Debüts und eine Neuausgabe.“
Es geht um die Gedichtbände retrovizor“ (Rückspiegel“) von Răzvan Pricop und Cu dricul pe contrasens“ (Mit dem Leichenwagen auf verkehrter Fahrbahn“) von Octavian Perpelea sowie um die Neuausgabe des Debütbandes von Andra Rotaru, Într-un pat, sub cearşaful alb“ (In einem Bett, unterm weißen Laken“).