Rumänische Literatin Nora Iuga mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet
Schon 2007 erhielt sie den Friedrich-Gundolf-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Corina Sabău, 31.10.2015, 18:14
Die Dankesrede Iugas bei der Verleihung des Ordens in Bukarest fiel aus dem Rahmen. Meine ganze Familie bestand aus Bühnenartisten“, sagte sie und führte aus, wie das in ihrem Fall auszulegen ist. Im Chor zu singen, mochte ich nie, ich will immer anders sein. So ein Merkmal kann riskant sein. Menschen von diesem Schlag sind in der Regel nicht besonders beliebt. Dankesreden bei Preisverleihungen kamen mir immer völlig unpersönlich vor, wie eine phantasielose Pflichtübung, eine pflanzenlose Wüste.“
Ich gerate immer wieder in Versuchung, auf dieser Behauptung zu bestehen, damit die Leute verstehen, warum ich so bin. Ich bin mir bewusst, dass dieser Wesenszug Leute nervt; sie schätzen Menschen, die sich einem bestimmten Stil, Konzept, einer Mentalität unterwerfen. Tut man das nicht, gilt das als eine Art Ausnahme von der allgemein gültigen Regel. Und es scheint so zu sein, dass der gewöhnliche Mensch — ich will niemand beleidigen — generell den Ton angibt. Aber, so scheint es mir, wenn wir uns auf diesen allgemein akzeptierten Trend beschränken, fahren wir uns fest. Und deshalb müssen diesen einförmigen Rahmen aufbrechen. Einförmigkeit zwängt ein“, sagt Nora Iuga.
Einförmigkeit kann der Literatin nun aber wahrlich nicht vorgeworfen werden. In seiner Laudatio ließ Botschafter Werner Hans Lauk die Stationen einer erfolgreichen Laufbahn Revue passieren. Schon von Anfang an stand ihr Leben und Schaffen unter dem Zeichen der Verbindung zur deutschen Kultur. Ihre Eltern waren Tänzer und Nora Iuga besuchte einen Kindergarten in Deutschland, dann die deutsche Schule in Sibiu (Hermannstadt), wo sie später auch Germanistik studierte. Aus dem Lehramt wird sie nach einem Jahr politisch bedingt entfernt. 1968 erscheint Nora Iugas erster Gedichtband. Sie arbeitet als Bibliographin in den Staatsbibliothek, beim Neuen Weg, der Zeitung der deutschen Minderheit und Vorgänger der heutigen Allgemeinen Deutschen Zeitung. 1970 erscheint der zweite Gedichtband — aber das Regime verbietet ihr dann, neue Werke zu veröffentlichen. 1977 muss sie ihre Stelle als Redakteurin beim Enzyklopädischen Verlag in Bukarest aufgeben. Der deutschen Sprache bleibt sie durch die Beiträge in der Zeitschrift Volk und Kultur“ verbunden. Ende der 1970er Jahre beginnt ihre Laufbahn als Übersetzerin aus der deutschen Sprache und Förderin deutscher Literatur. Nora Iugas Übersetzungen aus E.T.A. Hofmann, Oskar Pastior, Günter Grass, Elfriede Jelinek oder Herta Müller haben einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung und Rezeption der deutschen Literatur und Kultur in Rumänien geleistet. Sie habe immer auf die interkulturelle Übertragung gesetzt, was ihr perfekt gelungen sei, lobte Botschafter Werner Hans Lauk.
Man kann Iuga nicht vorwerfen, mit dem Regime gemeinsame Sache gemacht zu haben — und auch damals war Widerstand durch Kultur“ möglich — was heute Kulturschaffende nicht unbedingt anerkennen.
Ja, es ist wahr, dass Widerstand durch Kultur heute bei allen verpönt ist. Diese fast brutale Zurückhaltung dem Konzept gegenüber habe ich zum ersten Mal bei der Nobelpreisträgerin Herta Müller festgestellt — sie sagt, es gebe keinen Widerstand durch Kultur; Widerstand sei es nur, wenn man sich den höchsten Risiken aussetzt und dem Tyrannen sagt, was Sache ist. Ich glaube, dass jeder Mensch auf seine eigene Art kämpft. Wir werden nicht alle als Helden geboren und ich frage mich, wer denn ein echter Held war in unserem Land. Paul Goma hat enorm riskiert, Gheorghe Ursu hat enorm gelitten und war ein Opfer, Doina Cornea genauso. Und dann frage ich mich, wieso es Stimmen gibt, die uns vorwerfen, feige gewesen zu sein und mit dem Widerstand durch Kultur zu prahlen. Ja, ich glaube an diesen Widerstand. Heute lese ich meine Gedichtbände, die in den schwärzesten Jahren des Kommunismus unter der Zensur erschienen sind, und ich sehe, dass man schon viel ausdrücken konnte. Der Künstler fand Formen, um seine Botschaft ohne Kompromisse zu transportieren. Es ist phantastisch, wie viel rumänische Schriftsteller selbst in Zeiten der Zensur aussagen konnten. Und das Publikum las Gedichte nicht nur, weil es dort Protest fand, sondern echten Widerstand, den es so in den Medien, in Zeitungen und Fernsehen nicht finden konnte“, glaubt die Autorin.
Ganz so harmlos war die Zensur natürlich nicht. Auch Nora Iuga fiel ihr zum Opfer, als sie für fast ein Jahrzehnt auf den Index verbotener Autoren gesetzt wurde.
Ich gebe nicht gerne an mit dem Veröffentlichungsverbot. Ich war aber, das muss ich zugeben, damals echt stolz, zu den Unerwünschten des Regimes zu gehören. Ich war also riesig stolz — ich war eine wichtige, starke Figur, vor der sie Angst hatten. Mit der Zeit stellten sich aber furchtbare Zweifel ein — in einem Land wie Rumänien, wo es auch nicht gerade zahllose Persönlichkeiten und wertvolle Künstler gibt, wären sie auch ohne mich zurecht gekommen. Ich wurde mit 40 Jahren für acht Jahre ausgesperrt und hatte zu dem Zeitpunkt nur zwei Bücher veröffentlicht. Das Verbot erschien mir also dann als Selbstmord, ich hätte endgültig entmutigt werden können“, erzählt Nora Iuga.
Ihre Romane wie Die Sechzigjährige und der junge Mann“, Die Seife des Leopold Bloom“, Lasst uns Melonen stehlen“ und die vielen Gedichtbände erschienen dafür nicht nur in Rumänien, sondern auch in Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich, Slowenien oder Bulgarien. Und im Jahr 2014 wurde ein Dokumentarfilm über sie gedreht. Dass sie sich nicht entmutigen ließ, hat sich doch noch ausgezahlt: für sie und ihre Leser.