Kleines Theater ganz groß – Bukarester Kulturikone wird 50
Das Kleine Theater in Bukarest hat in diesem Jahr ganz besondere Weihnachten gefeiert. Am 20. Dezember fand ein Galaabend zum Anlass der 50-Jahr-Feier des Ensembles statt.
Luana Pleşea, 27.12.2014, 16:02
Das Kleine Theater scheint mit seinen 50 Jahren schon recht betagt zu sein. Doch das Gebäude auf der bei Bukarestern berühmten Sărindar-Straße, in dem das Theater sitzt, ist doppelt so alt. Und es sind 100 jahre Theatergeschichte — im Jahr 1914 wurde hier das damals noch private Theater Maria Filotti” gegründet. Nach dem zweiten Weltkrieg wird es wie viele anderen Kultureinrichtungen vom Staat übernommen und trägt der Reihe nach den Namen des Filmschauspielers „Constantin Nottara“, die etwas trockenere Bezeichnung Kinder- und Jugendtheater”, um schließlich ab 1964 in Kleines Theater umgetauft und in die Familie der gleichnamigen Institutionen in Europa aufgenommen zu werden.
Die Sărindar-Straße heißt heute Constantin Mille-Straße, ist aber nach wie vor ein Symbol und Stück Bukarester Stadtgeschichte. Das Theaterteam wollte diese Geschichte wieder aufleben lassen — der Galabend begann mit einem Lichtspiel, das die alte, heute verstaubte Straße in neuem Glanz aufleuchten ließ, sagt der Schauspieler und Intendant des Kleinen Theaters, Mihai Dinvale:
Besonders wir reifere Generation wissen sehr gut, was diese Straße für Bukarest und das Land bedeutet hat. Hier stand zwischen den beiden Weltkriegen eine Druckerei, wo die wichtigsten Pressehäuser ihre größten Titel druckten… Auf dieser Straße spürte man den Puls der Information, der Politik, der Gesellschaft, der Kultur, der Debatte, der Sensation — für Bukarest und ganz Rumänien. Von hier aus wurden die Abendzeitungen und Sonderausgaben ausgeliefert, die Sensationsblätter. Sechs Kinos hatten ihren Ausgang auf dieser Straße, so dass sich alle zwei Stunden eine Menschenmenge ihren Weg auf die Brezoianu oder die Calea Victorie bahnte. Und über alles mögliche plauderte — denn Themen gab es auch damals sehr viele. Die Straße war so lebendig, man kann es kaum glauben. Neben uns, wo alles abgerissen ist, stand der Technische Verlag. Und gegenüber das nationale Institut für Luft- und Raumfahrtsforschung, geführt von Elie Carafoli. Wenn man heute vom Militärklub einbiegt, sieht man einen Straßenzug in Ruinen, eine Geisterstraße … Und heute gibt es nur noch das Kleine Theater — 97 Verrückte, die den Bukarestern beweisen, dass die Flamme der Kutur, der Träume, der Geschichte weiterhin brennt. Und andere Wahnsinnige — denn wer würde schon freiwillig diese Straße betreten – wollen zu uns ins Theater kommen, weil wir etwas zu sagen haben”, erinnert sich der Schauspieler und heutige Direktor des Kleinen Theaters.
Im Inneren wurde anschließend ein einzigartiger Film gezeigt – Archivaufnahmen, Mitschnitte aus über 250 Theaterstücken, die in den letzten 50 Jahren auf der Bühne aufgeführt wurden. Was sollte das Publikum aber aus 50 Jahren nach Hause nehmen? Was denkt dazu Mihai Dinvale, der seit 1972 beim Kleinen Theater arbeitet und somit der Dienstälteste ist:
”Was bleibt, ist, dass diese Menschen im Theater schwierige Zeiten durchgemacht haben , aber immer die Kraft und den Willen aufbrachten, aufzutreten und Geschichten zu erzählen…. Das waren einzigartige Erfahrungen in diesem Theater. Der Ehrgeiz und die schiere Arbeitskraft eines Radu Penciulescu haben aus diesem Haus eines der wichtigsten Theater gemacht. … Regisseure wie Crin Teodorescu und Radu Penciulescu, die flamboyante Bühnenbildnerin Adriana Leonescu… Unvergesslich sind die Jahre unter der Führung eines Dinu Săraru — es war ein Jahrzehnt absolut großartiger Auftritte, eines phantastischen Wagemuts, einer einzigartigen Dramaturgie und Ästhetik sagenhafter Regisseure wie Cătălina Buzoianu, Silviu Purcărete und Cristian Hadji-Culea — ihre Aufführungen werden bestimmt in der Theatergeschichte bleiben. In den 25 Jahren nach der Wende haben wir versucht, das Wesen dieses Theaters nicht zu veräußern, uns aber in der Ausdruckssprache zu erneuern, die neue Publikumsgeneration anzusprechen, das Haus im Gespräch zu behalten. Dieser zeitgenössische Geist hat das Kleine Theater und seine Texte schon immer definiert. Wir versuchen also den Anschluss an die Welt zu kriegen, wertvolle Texte zu übersetzen… Wir werden diese Tradition weiterführen und sie mit der heutigen Gesellschaft in Einklang bringen”, verspricht Direktor Mihai Dinvale.
Für 2015 hat das Kleine Theater dementsprechend viel vor. Über die zukünftigen Projekte weiß Schauspieler und Theaterdirekor Dinvale am besten Bescheid
Das kleine Theater hat noch einen Sitz in Bukarest — das Sehr Kleine Theater. Dort haben wir im Erdgeschoss genug Platz, um eine kleine Buchhandlung für junge Autoren und Debütschriftsteller einzurichten. Jeden Monat wollen wir einen vom Literaturkritiker Daniel Cristea Enache moderierten Leseabend organisieren, bei dem jeweils ein junger Autor vorgestellt wird. Das ist für die Literatur- und Kulturszene etwas ganz besonderes ”, sagt der Intendant.
Das Kleine Theater ist also ein vollbeschäftigter Kulturbetrieb, der auch nach 50 Jahren nicht zum alten Eisen gehört. Ganz im Gegenteil — es erfindet sich immer wieder neu.