Die Bildhauerin Miliţa Petraşcu, eine Schülerin von Brâncuşi
Sie galt als begabteste Bildhauerin des 20. Jahrhunderts in Rumänien. Miliţa Petraşcu schloss sich in der Zwischenkriegszeit der Avantgarde des Landes an, insbesondere der um die Zeitschrift Contimporanul“ (Der Zeitgenosse“) gebildeten Gruppe.
Corina Sabău, 12.07.2014, 16:11
Die unübertroffene Meisterin der Porträtkunst, Miliţa Petraşcu, sollte bis an ihr Lebensende in Briefen oder Gesprächen die Bedeutung ihrer Begegnung mit dem Bildhauer Constantin Brâncuşi in Erinnerung rufen. Die Bildhauerkunst der Miliţa Petraşcu stellt in erster Linie einen Widerstandsakt angesichts der Zerstörung des Bildes dar. Ihr Unterfangen hütet die Ambitionen der Momentaufnahme und die Strenge der klassischen Komposition, die jeweils in der Kunst Anfang des Jahrhunderts anzutreffen waren. Und das wird ihr sehr hilfreich dabei sein, sich während der langjährigen Zusammenarbeit mit Brâncuşi vor der Versuchung einer Imitation des großen Meisters zu schützen und den einfachen Geschmack des Abstrakten zu vermeiden“ — heißt es in einer Rezension der Kunst Miliţa Petraşcus von Dan Brudaşcu.
Constantin Zărnescu, der die Aphorismen von Brâncuşi in einem Band gesammelt hat, spricht über die Begegnung zwischen Miliţa Petraşcu und dem großen Künstler, die die Schicksale der beiden prägen sollte. Alles ereignete sich im Jahre 1919.
Einige Jahre zuvor war Brâncuşi zu zwei Gruppenausstellungen der europäischen Avantgarde eingeladen worden. Er stellte dort Varianten des »Kusses«, von »Mademoiselle Pogany«, der »Schlafenden Muse«, des »Kinderkopfes« aus. Miliţa räumt seinen Werken die geometrische Reinheit, die Verwesentlichung des menschlichen Wesens ein. Sie erlernt die Bildhauerkunst an der Seite von Brâncuşi, der sie ‚Petrică‘ nennt. Brâncuşi drückt ihr und allen aus Rumänien angereisten jungen Damen die Meißel in die Hand und erinnert sie daran, dass sie sich für einen Männerberuf entschieden hatten. Er bringt ihnen die Bedeutung des Marmorblocks näher, den man, wie er sagte, nie zerstören darf. Bildhauerei bedeute vor allen Dingen Denken und sei nichts für junge Leute, sagte der Künstler Miliţa, in Anwesenheit des amerikanischen Dichters Ezra Pound.“
Milita Petraşcu sollte später Brâncuşi überreden, auf wichtige Projekte in Frankreich zu verzichten, um in die Heimat zurückzukehren und das berühmte Ensemble in Târgu Jiu auszuführen. Jenes Ensemble, das mit der Endlosen Säule“ seinen Höhepunkt findet. Während dieser Zeit in Rumänien steht Brâncuşi Miliţa Petraşcu Modell. Sie gießt das erste Porträt des Künstlers in Bronze, die Büste ist jetzt auf dem Dorobanţi-Platz in Bukarest zu finden. Brâncuşi bewundert dabei die Leichtigkeit, mit der Miliţa Petraşcu in ihrer Bildhauerkunst von dem Geiste der klassischen Kunst zu dem der Moderne springen konnte. In diesem Zusammenhang gesteht er ihr: Du kennst dich damit aus, so zu arbeiten, wie du gerade Lust hat, figurativ oder abstrakt, du hast es gut!“
Der Schriftsteller Constantin Zărnescu erzählt die Geschichte der Künstlerin weiter.
1927, nach dem Kongress der Romanischen Presse in Bukarest, erntet Miliţa Petraşcu internationalen Lob. Sehr interessant ist die Tatsache, dass Aretia Tătărescu, die Vorsitzende des Frauenverbandes aus Gorj, Miliţa beauftragt, in Târgu Jiu ein Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Volkshelden zu errichten. Miliţa hatte bereits das Denkmal von Ecaterina Teodoroiu errichtet und war eine in Gorj sehr bekannte Persönlichkeit. Allerdings lehnte sie den Vorschlag von Frau Tătărescu ab, mit der Begründung, Brâncuşi sei die am besten geeignete Person für die Errichtung eines solchen Denkmals für die an der Front gestorbenen Soldaten. Und in diesem Moment beginnt ein intensiver Briefwechsel zwischen Miliţa und Brâncuşi, schließlich kommt Brâncuşi 1937 nach Târgu Jiu, mit der Absicht, eine einzige Arbeit fertigzustellen.“
Dank der Archivarbeit von Victor Crăciun kann der Briefwechsel zwischen den beiden Künstlern heute verfolgt werden. Die beiden, sagt Crăciun, habe sowohl die Kunst als auch eine große Freundschaft verbunden. Eine Freundschaft, die von 1919 bis zum Tode Brâncuşis andauern wird, aus der Miliţa Pătraşcu die Vorgaben und Dimensionen der modernen Kunst gewinnen und Rumänien sein künstlerisches Erbe um das Ensemble in Târgu Jiu bereichern sollte. Denn sie hatte die Idee, dass Brâncuşi diese architektonischen Skulpturen ausführt, die einzigartig in der Welt sind.“
Mit weiteren Details der Schriftsteller Constantin Zărnescu:
1946 schrieb Miliţa in einem Brief an Brâncuşi Folgendes: ‚Zusammen mit meinen Freunden bereiten wir uns darauf vor, dir Proviant zu schicken.‘ Es war der Moment, in dem die Krise einen Großteil von Europa in Griff hatte. Ebenfalls während jener Zeit informiert Miliţa Brâncuşi über jeden veröffentlichten Artikel über ihn. Sie setzt ihn darüber in Kenntnis, was Petru Comarnescu über ihn geschrieben hat, teilt ihm mit, dass Ionel Jianu in der Zeitschrift »Licht und Farbe« veröffentlicht hat, außerdem darüber, dass seine Theorien zur Kunst in der Presse erschienen sind. Und sie schreibt ihm auch, dass sie nicht vergessen kann, wie er ihr 20 Jahre zuvor so viele neue Dinge über die moderne, neue Bildhauerkunst erzählte, Dinge und Gedanken, die sich inzwischen belegen ließen.“
Anlässlich der Eröffnung der gemeinsamen Ausstellung mit Marcel Iancu im Jahre 1934 sollte der Kritiker Petru Comarnescu Folgendes behaupten:
Die Haupteigenschaft von Miliţa Petraşcu bleibt nach wie vor die Grundeigenschaft der Bildhauerkunst an sich: der Kult der vollen Formen, in Verbindung mit Raum und Licht. Die Künstlerin sucht in dem Antlitz des Modells kein dominierendes Merkmal, sondern sie gibt in einem Ensemble von Details die Eigenschaften einer Persönlichkeit wieder. Das Porträt der halbnackten Schauspielerin Elvira Godeanu ist naturalistisch und zugleich hierarchisch diskret, wobei hier die klassische Typologie der armlosen Büste gewagt und unkonventionell übernommen wird. Das Marmor-Porträt einer weiteren bekannten Schauspielerin, das von Agepsina Macri, der Ehefrau des Schriftstellers Victor Eftimiu, wurde bereits 1934 im Offiziellen Salon ausgestellt. Dabei werden die Normen der damaligen Zeit ebenfalls nicht eingehalten: Es war nicht erlaubt, dass das Porträt einer klar erkenntlichen Person, die der Bukarester Gesellschaft gut bekannt war, auch wenn sie Schauspielerin war, mit nackten Brüsten dargestellt wird. Nichtsdestotrotz hat die bemerkenswerte Skulptur nichts Frivoles an sich, die Monumentalität und Unbeweglichkeit des Porträts spielen auf die klassische Antike an, im Namen derer die Nacktheit akzeptiert werden konnte.“
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