Kino-Werkstätten für Kinder
Die Filmkritikerin Ileana Bârsan hatte zehn Jahre lang ihre feste Kino-Kolumne in den wichtigsten Kulturzeitschriften Rumäniens. 2013 rief sie eine Reihe von Kino-Werkstätten für Kinder ins Leben.
Corina Sabău, 08.03.2014, 15:56
Der Film ist die populärste Kunstform, dennoch ist sie in einem Kinderleben am seltensten präsent. Das Angebot der Kinos beschränkt sich leider auf die Liste mit den neueren Zeichentrick- und Unterhaltungsfilmen, die Fernsehsender haben keine Sonderprogramme für Kinder, die sich auf das Kino und die visuellen Künste beziehen, und die Schulen haben in ihren Lehrplänen keine Stunden für die Filmbildung vorgesehen.“ So erklärt die Journalistin und Filmkritikerin Ileana Bârsan, wie sie auf die Idee kam, Kino-Werkstätten für Kinder im Alter zwischen 7 und 14 Jahren zu organisieren.
Zudem ist es für Ileana Bârsan nicht die erste Erfahrung dieser Art. Sie beteiligte sich als Trainerin am Projekt L’éducation à l’image“ (Ausbildung durch Bilder) der Französischen Botschaft in Bukarest, in Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Next“ und der französischen Filmemacherin Vanina Vignal. Der Startschuss in dem bis dahin beispiellosen Projekt fiel 2009 — als Erfolg konnte die Tatsache gewertet werden, dass man den Schülern der Oberstufe das Kino näherbringen konnte, mit Hilfe von Filmvorführungen und Debatten zu den Werken, die die Geschichte der siebten Kunst mitgeprägt haben. Ein weiteres Programm, das Ileana Bârsan am Herzen liegt, heißt EducaTIFF, mit Anlehnung an das Akronym des Internationalen Filmfestivals Transilvania, unter dessen Schirm es gegründet wurde. Ursprünglich hieß es Programm für die Medien- und Filmbildung. Die Filmkritikerin erinnert sich, dass damals auch die ersten Gedanken über die Werkstätten entstanden.
Da ich seit einigen Jahren über Filme schreibe, habe ich irgendwann bemerkt, dass die Kinokritik langsam verkümmerte, und dann dachte ich, dass es kaum noch Menschen gibt, mit denen man sich über diese Kunstform unterhalten kann. Die Filmkritik hat aber zurzeit nicht nur in Rumänien kein gutes Ansehen, es ist ein recht verbreitetes Phänomen. Zudem sind die Zeitschriften, in denen ich meine Kinokritiken hätte veröffentlichen können, vom Markt verschwunden und die Zuschauer bleiben den Kinos fern. Ich meine damit, dass wir bei 200.000 Kinobesuchern eines Films von einem Glücksfall reden können. Ich bin also zum Schluss gekommen, dass das Publikum irgendwie ausgebildet werden sollte. Sicherlich ist das ein langfristig angelegter Plan, es geht schließlich um Kinder, die sich erst jetzt solche Filme ansehen, bei denen erst jetzt dieses Interesse an einer alternativen Erzählform geweckt werden soll und die versuchen sollten, die erzählten Geschichten aus Sicht der eigenen Erfahrungen zu verstehen. Ich war der Ansicht, dass diese Werkstätten eine Lösung bieten könnten, die Ausbildung von Zuschauern, die das Kino auch als Alternative zu den üblichen Erzählformen sehen und die Korrelationen zwischen dem Kino und den anderen Künsten ableiten können.“
Wir fragten Ileana Bârsan, wie der Ablauf einer Kinowerkstatt überhaupt aussieht.
Das einführende Modul erstreckt sich über fünf Wochen, mit jeweils einer Sitzung am Wochenende. Die Filmvorführung und die anschließende Diskussion dauern etwa zwei Stunden. In dem einführenden Modul stelle ich den Kindern Filmausschnitte vor, die nicht länger als zehn Minuten sind. Und sie versuchen, die Bilder in Bewegung zu verstehen, das Schauspiel, die Rolle der Regiearbeit, der Lichtverhältnisse, praktisch das ABC des Kinos. Wir vermitteln überhaupt keine theoretischen Inhalte, sie entdecken alles selbst bei den Filmvorführungen, wie die Geschichte aufgebaut ist, wie eine Einstellung entsteht, welchen Einfluss der Schauspieler und der Regisseur haben, wieviel von dem letzteren überaupt in dem Film sichtbar ist. Ebenfalls in dem ersten Modul entdecken die Kinder auch die Schnitt-Technik, ausgehend von einem Photo, kommen sie beim Kino und dem Bildschnitt an. Ich kann behaupten, dass sie sehr glücklich waren, als sie entdeckten, dass auch sie imstande sind, in Bildern zu denken.“
Den Kinowerkstätten, die von der Journalistin und Filmkritikerin Ileana Bârsan veranstaltet werden, liegt auch eine weniger berufsbezogene Erfahrung zugrunde.
Ich wurde mir ihres Nutzens bewusst, als ich meine eigenen Kinder anschaute, vor allem meine ältere Tochter, die fast 13 Jahre alt ist. Das Kino ist ein sehr effizientes und schnelles Kommunikationsmittel, man reagiert fast sofort beim Anschauen eines Films, und so entsteht eine Idee, ein Dilemma. Und bei den Kindern ist es nicht nur eine unmittelbare Reaktion, sondern auch eine ehrliche Reaktion, sie drücken ohne Umwege das aus, was sie bei der Begegnung mit einer Geschichte fühlen. Jenseits der Tatsache, dass man etwas über die Filmgeschichte erfährt, stimulieren diese Kurse die Kreativität der Kinder. Sie kommen sofort mit eigenen Ideen, sie analysieren, was sie auf dem Bildschirm sehen, kommen mit weiteren Varianten, eine Debatte entsteht und am Ende beginnen sie sich selbst zu hinterfragen. Und das ist sehr wichtig.“
Von den Fotografien zu bewegten Bildern. Erinnerung, Phantasie und Erzählung. Wozu sind die Filme gut?“ und Regisseur, Erzähler, Figur, Zuschauer. Wer erzählt die Geschichte und was folgt? Wie war der Film?“ — sind nur einige der Fragen, die die Filmkritikerin Ileana Bârsan ihren kleinen Kursteilnehmern stellt.
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