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Das Internationale Theaterfestival „Boulevard-Fest“ beim Bukarester Nottara-Theater

Das Bukarester Nottara-Theater hat am Oktober die 1. Auflage des Internationalen Theaterfestivals Boulevard-Fest“ veranstaltet. Das Festival hatte zwei Abteilungen: einen Theaterwettbewerb und eine reine Unterhaltungsabteilung.

Das Internationale Theaterfestival „Boulevard-Fest“ beim Bukarester Nottara-Theater
Das Internationale Theaterfestival „Boulevard-Fest“ beim Bukarester Nottara-Theater

, 02.11.2013, 15:25

Das Bukarester Theater Nottara“ hat am Oktober die 1. Auflage des Internationalen Theaterfestivals Boulevard-Fest“ veranstaltet. Das Festival hatte zwei Abteilungen: einen Theaterwettbewerb mit dem Motto Hei‎ße Krise, mein Lieber!“ und eine reine Unterhaltungsabteilung unter dem Namen Komödien-Boulevard“.



Die Wettbewerbsaufführungen, die im Oktober beim Internationalen Theaterfestival Boulevard-Fest“ im Bukarester Nottara Theater zu sehen waren, stammten aus Frankreich, Serbien, Bulgarien, Österreich und Rumänien. Hauptthema der Stücke war die Krise, egal welcher Art: Es ging dabei um Wirtschaftskrisen, Gesellschaftskrisen, politische Krisen, sexuelle Krisen oder Identitätskrisen. Gewinnerin des Wettbewerbs wurde die Aufführung mit dem Stück Candide“, eine freie Interpretation nach Voltaire, in der Regie von Cristian Pepino. Es handelte sich um Puppen- und Marionettentheater für Erwachsene; die Premiere war 2007 im Puppentheater Ţăndărică“ in Bukarest. Was hat die Mitglieder der Jury dazu bewogen, gerade diese Aufführung mit dem Gro‎ßen Preis auszuzeichnen? Der jüngste Jurymitglied, der Regisseur Radu Alexandru Nica, antwortet:



Erstens waren alle Jurymitglieder der Meinung, dies sei eine künstlerisch hochkarätige Produktion. Zweitens war dies keine ‚brave‘ sondern eine geradezu ‚freche‘ Aufführung. Ich war richtig entzückt, zu sehen, da‎ß andere Regisseure mit den Puppen genau das angestellt haben, was auch ich getan hätte, nämlich sie ‚grob‘ zu behandeln, mit viel schwarzem Humor, mit Zynismus. Der schwarze Humor hat alle Jurymitglieder fasziniert, es war eine stahlharte, brilliante Interpretation eines Textes aus der Zeit der Aufklärung. Wir wurden alle von der blühenden Fantasie des Regisseurs hingerissen. Was bedeutet aber eine ‚freche‘ Aufführung? Das ist eine Aufführung, die moralisch provoziert. Die Art und Weise, wie die Liebe behandelt wird, die Entmystifizierung der Liebe, die Darstellung der idiotischen und grotesken Seiten der Liebe. Und das war nicht alles. Auch der Umgang mit den Puppen, die Kombination zwischen Videoprojektion und tatsächlicher Handhabung, zwischen Choreographie und Schauspiel, alles war voller Zynismus.“



Die Aufführung mit dem Stück Woyzeck“, die in der Wettbewerbsabteillung präsentiert wurde, kam aus Wien, vom Theater Pygmalion, aber der Regisseur stammt aus Rumänien. Geirun Tino wurde 1950 als Sohn eines Italieners und einer Österreicherin in der rumänischen Donaustadt Brăila geboren. 1974 machte er das Diplom als Theaterregisseur der Akademie für Theater und Film in Bukarest. Seitdem inszenierte er über drei‎ßig Produktionen in diversen Stadttheatern Rumäniens — vorwiegend in Bukarest –, hauptsächlich klassische Autoren wie Shakespeare, Tschechow, Ibsen. Von 1982 bis 1984 war er künstlerischer Leiter des Stadttheaters Bacău. 1985 wurde ein Arbeitsverbot aus politischen Gründen verhängt und Tino flüchtete nach Österreich. Im gleichen Jahr gründete er die Schauspielschule Pygmalion“ in Wien, 1990 wurde sein Pygmalion-Theater eröffnet.



Seit 1998 ist Tino Dozent für Regie an der Akademie Athanor“ in Burghausen. Er begründete das Projekt Donauraum, welches die Osmose des Kulturlebens entlang der Donau zum Ziel hat. Als Tinos wichtigste Inszenierungen gelten Kafkas Die Verwandlung“, seine Produktion von Samuel Becketts Warten auf Godot“, Büchners Woyzeck“ sowie die Bühnengestaltung von Kafkas Romane Der Prozess“, Amerika“ und Das Schloss“, letztere eine Kooperation mit dem Nottara-Theater Bukarest. Heute ist Tino Inhaber und künstlerischer Leiter beider Institutionen Pygmalion“. Für Wien etablierte er mit seiner Schauspielschule und dem Theater Pygmalion“ eine wichtige Theater-Adresse neben den Bühnen der Hochkultur. 2012 erhielt Geirun Tino das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Über seine eigene Betrachtung des Woyzeck“ sagte Geirun Tino:



Woyzeck ist vielleicht der erste Antiheld des Theaters. Bis zu »Woyzeck« waren in den Theaterstücken fast alle Hauptfiguren Adlige, Könige, Kaiser. Woyzeck ist der erste einfache Mensch, ein Habenichts, ein Niemand, eine Figur ohne starke Persönlichkeit, ein Individuum ohne klare soziale Stellung. Es hat mich interessiert, inwieweit ein solcher Mensch, eine solche Figur Liebe für seine Mitmenschen empfindet, ob er Liebesgefühle überhaupt entwickeln kann. Gibt es vielleicht Unterschiede zwischen seiner Art zu lieben, und jener der anderen? Allmählich wird uns klar, da‎ß es keine Unterschiede gibt. Und wenn in der Liebe keine Unterschiede bestehen, dann ist es in den anderen Bereichen sowieso egal.“



Das Boulevard-Fest wurde mit einer einmaligen Veranstaltung eröffnet. Es handelt sich um die Sonderaufführung Theater auf Brot“. Die Festspiele entstanden aus der Initiative des Theaterregisseurs Mihai Lungeanu und zielen darauf ab, das Theater wieder in den Mittelpunkt des Bukarester Kulturlebens zu bringen. Die Theaterkritikerin Marinela Ţepuş, Intendantin des Nottara Theaters, drückte zum Schlu‎ß der Festspiele den Wunsch aus, die Begegnung mit dem Publikum auch au‎ßerhalb der Bühne fortzusetzen:



Der Auftrag eines Theaterfestivals ist, meiner Meinung nach, möglichst viele qualitativ hochwertige Aufführungen aus In- und Ausland auf dieselbe Bühne zu bringen. Daher habe ich mir gewünscht, da‎ß beide Abteilungen des Festivals eine gro‎ße Zahl an rumänischen und ausländischen Aufführungen beinhalten, wir wollten ein echtes Stra‎ßenfest organisieren, das nicht nur auf dem Gehsteig vor dem Theatergebäude stattfindet, sondern da‎ß wir auch auf die Stra‎ße gehen und, warum nicht, auch in die Bukarester Altstadt gelangen. Dort gab es den ganzen Sommer lang die Theaterfestspiele ‚Caragiales Bukarest‘, organisiert vom Bukarester Rathaus. Das Sommerfestival ging am 15. September zu Ende, unsere Festspiele begannen am 15. Oktober. Die Veranstalter von ‚Caragiales Bukarest‘ haben uns sozusagen die Staffel übergeben. Bei dem schönen Oktoberwetter in Bukarest könnten wir die Bukarester mit unseren Freilichttheateraufführungen anlocken. Somit würden wir unser Ziel erreichen, der Gemeinde näher zu kommen, denn das Festival wurde als Fest für die Gemeinde gedacht.“



Mit der Einführung der Abteilung Komödien-Boulevard“, die in Zukunft einen ständigen Teil des Festivals bilden wird, wollten die Veranstalter die neue Strategie des Nottara-Theaters für offiziell“ erklären. Der gro‎ße Saal des Theaters wird von nun an zum ständigen Komödien-Boulevard“ und im Saal George Constantin“ soll experimentelles Theater gespielt werden. Die Botschaft, die das Nottara-Theater somit an Theaterliebhaber richten möchte, ist, die Komödie sei kein winziges Genre und qualitativ hochwertige Komödie sei noch nicht gestorben.



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