Der Surrealist Gherasim Luca
Der 1994 durch Selbstmord verstorbene Avantgardist Gherasim Luca wurde dieses Jahr in seinem Heimatland Rumänien geehrt. Unlängst wurde auch ein rumänisches Manuskript eines seiner Werke entdeckt, das man bislang nur auf Französisch kannte.
România Internațional, 21.09.2013, 18:10
Dieses Jahr wird der 100. Jahrestag der Geburt des Avantgarde-Schriftstellers Gherasim Luca gefeiert. In der monatlichen Kulturzeitschrift Dilemateca“ schrieb der Literaturkritiker Petre Răileanu über einen Text, der den Korpus des rumänischen Surrealismus mit einer seiner wesentlichen Schriften vervollständigt“ — es handelt sich um die Entdeckung des rumänischen Manuskripts von Gherasim Lucas Der passive Vampir“. Bislang ging man davon aus, dass Gherasim dieses Werk ausschließlich auf frazösisch geschrieben hatte. Man kannte nur die urprüngliche französiche Fassung: Le Vampire passif, herausgegeben 1945 in Bukarest vom Verlag Editions de l’Oubli“. Das in rumänischer Sprache ausgearbeitete Manuskript trägt eine besondere Wichtigkeit für die Analyse literarischer Werke von Gherasim Luca.
Der als Salman Locker geborene und später als Gherasim Luca bekannt gewordene Schriftsteller wurde in Bukarest in einer jüdischen Familie geboren. Sein Vater, Berl Locker, war Schneider und starb 1914. Luca war in vier Sprachen fließend: Jiddisch, Rumänisch, Deutsch und Französich.
1938 begann er häufig nach Paris zu reisen. Dort schloss er sich schnell der surrealistischen Strömung an. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die darauffolgende Verstärkung des Antisemitismus in Rumänien zwangen den Schriftsteller ins Selbstexil. Im Zeitraum 1945-1947 gründete er in Bukarest eine Gruppe surrealistischer Schriftsteller, der große Namen der rumänischen Literatur angehörten: Gellu Naum, Paul Păun, Virgil Theodorescu und Dolfi Trost. Kurz danach beginnen die Schriftsteller, Gedichte in Französisch zu veröffentlichen. Gherasim Luca gilt als Erfinder der Kubusmanie und zusammen mit Dolfi Trost als Autor der berühmten Manifestschrift Dialectica dialecticii/Die Dialektik der Dialektik“. Der Schriftsteller, der in seinem Heimatland Rumänien ständig verfolgt wurde, flieht 1952 aus dem Land und lässt sich in Paris nieder.
Gherasim Luca begang am 9. Februar 1994 Selbstmord. In den literarischen Kreisen seiner Zeit wurde er auch unter den Namen Zolman Locker, Gherashim Luca, Costea Sar und Petre Malcoci bekannt. In der Weltliteratur bleibt er als renommierter Theoretiker des Surrealismus und Dichter, dessen literarischen Ideen oftmals von Gilles Deleuze und Félix Guattari zitiert wurden. Als junger Schriftsteller schlioss er sich der Avantgardebewegung an und galt als wesentliches Mitglied der literarischen Gruppe Alge“ in den 1930er Jahren. Später schloss er sich in der zweiten surrealistischen Welle der von Gellu Naum, Victor Brauner und Jack Herold gebildeten Gruppe an.
Gherasim Luca macht aus dem Passiven Vampir ein Wahrzeichen seines lyrischen Universums. Es kommen Vorschläge und Einflüsse aus Autoren zusammen, die in der rumänischen Phase seines Werks ständige und nachdrückliche Referenzen darstellen: Sade, Lautréamont, Rimbaud, Huysmans, Breton. Diese werden mehr oder weniger im Text erwähnt.“ Diese Worte stammen aus der Einleitung zum Band Der passive Vampir von Gherasim Luca, der beim Vinea-Verlag vorbereitet wird. Prof. Dr. Ion Pop, einer der Exegeten von Gherasim Luca, erläutert das späte Leben und Schaffen des Schriftstellers:
Es ist wahr, dass Gherasim Luca in seinen letzen Lebensjahren mit einigen Lesungen einen sensationellen Erfolg feierte. Er hatte auch ein wahres Vortragstalent, ich habe ein paar Aufnahmen von ihm gesehen und gehört. Da hatte er einen ganz deutlichen rumänischen Akzent. Er veröffentlichte weiter zahlreiche originelle Bücher und setzte auf eine Art Homophonie, auf eine Art Wortspiel, weil die spielerische Seite der Sprache bei ihm stets eine wichtige Rolle einnahm. Gherasim Luca ist einer der wichtigen Namen der französischen Dichtung und der Mensch hatte ein sehr interessantes Leben. Er pflegte seine Beziehungen zu einigen Freunden in Rumänien. Dennoch lebte er in Isolation und wurde deswegen erst relativ spät bekannt.“
Um seinen 100. Geburtstag zu feiern, hat das Nationale Bauernmuseum in Bukarest dem surrealistischen Dichter Gherasim Luca einen Abend gewidmet. An dieser Veranstaltung nahm auch der Dichter Valery Oişteanu aus den USA teil.
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