Landeskatalog der Urwälder soll gegen Rodung schützen
Mit einem Landeskatalog der geschützten Urwälder und Entschädigungen für die Eigentümer privater Waldflächen soll die einzigartige säkulare Waldlandschaft Rumäniens besser erhalten bleiben.
România Internațional, 28.07.2017, 17:30
Auf dem Landesgebiet Rumäniens gibt es auch heute noch Urwälder, das heißt unberührte Wälder, ohne Wege oder Pfade, mit einheimischen Baumarten eines jeden Alters, von einem bis hundert Jahre alten Bäumen. In derartig stabilen Ökosystem werden umgefallene Bäume in den Naturkreislauf reintegriert, und zwar dank der infolge der Fäulnis entstandenen Fülle an Lebensformen.
In den anerkannten Urwäldern jagt niemand, es sammelt keiner Waldbeeren oder Heilpflanzen. Dann gibt es noch die sogenannten Quasi-Urwälder, naturnahe Wälder, in denen zwar Baumfällungen stattgefunden haben, jedoch recht selten, so dass sich der Wald schnell regenerieren konnte. Nicht vor langer Zeit waren 80% der rumänischen Wälder nie von Menschen betreten worden. Heute sind nur zwei Drittel von ihnen Urwälder und Quasi-Urwälder. Nichtsdestotrotz verfügt Rumänien über die europaweit größte Fläche an säkularen Wäldern. Die Buchenwälder im Nerei-Becken, die Tannen-Buchen-Mischwälder in Sinaia, die Tannen-Buchen-Fichten-Mischwälder im Norden der Bukowina, der säkulare Hain in Slătioara, der Traubeneichenwald im Zarandului-Gebirge oder Cozia — das sind nur einige Beispiele für die in Rumänien am besten erhaltenen Wälder. Ein Teil davon ist für die Aufnahme auf die UNESCO-Liste vorgeschlagen, sagt Valentin Sălăgeanu, Kampagnenleiter bei Greenpeace:
Im Rahmen einer landesweiten Studie 2005 haben wir festgestellt, dass wir über eine gesamte Waldfläche von etwa 218.000 Hektar verfügen. Und das war nicht einmal eine vollständige Studie. In den folgenden zehn Jahren wurde die Hälfte dieser Wälder wahrscheinlich zerstört. Leider hat sich ein Großteil der Zerstörung legal zugetragen, denn bis 2012 gab es keine gesetzliche Bestimmung, die den Wert dieser Wälder anerkannte. Und so konnten diese extrem wertvollen Ökosysteme rechtens gefällt oder zerstört werden. Ab 2012 wurde eine Reihe von Kriterien und Kennzahlen erarbeitet, die die Ortung der Wälder erleichtern. Auch wurde eine Schutzmaßnahme eingeführt, die aber nur teilweise wirkt und völlig unzureichend ist. Also wurde auch nach 2012, nach der gesetzlichen Anerkennung der Wälder, weiter fleißig gerodet. Und heute haben wir höchstwahrscheinlich, nach einigen optimistischen Schätzungen der Umweltorganisationen, einschließlich Greenpeace, etwa 120 Tausend Hektar. Das heißt, die Hälfte der Waldfläche ist verloren gegangen.“
Für den langfristigen Schutz der verbliebenen Primär-Wälder haben die Behörden Ende 2016 die Aufstellung eines Landeskatalogs der Ur- und Quasiurwälder beschlossen. Der Prozess werde sich über mehrere Arbeitsetappen erstrecken, erklärt Valentin Sălăgeanu:
Als erstes muss das Gesetz vom letzten Jahr verbessert werden, das die Schutzmaßnahme, also den Landeskatalog der Ur- und Quasiurwälder, regelt. Bei der Identifizierung und Anerkennung der Wälder entstehen noch Engpässe, das führt dazu, dass die Freiwilligentätigkeit der NGOs in den Sand verläuft. Zweitens muss unbedingt eine Ausschreibung für die Nutzung der aus dem Umweltfonds stammenden Fördermittel stattfinden, es sind 2,5 Millionen Euro, die wir für die Bestandsaufnahme und die Kartenaufstellung vorgesehen haben. Das Verfahren muss schnell abgeschlossen werden, damit wir wissen, was noch nicht in der Bestandsaufnahme steht. Drittens und extrem wichtig ist es, dass alle Interessenvertreter, beginnend mit dem Ministerium für Wasser- und Forstwirtschaft, die Forstverwaltung ROMSILVA, die Privateigentümer, die NGOs, dass alle zur Schlussfolgerung kommen, dass es einer Zusammenarbeit bedarf. Sonst verlieren wir dieses europäische Naturerbe. Und es wäre schade, denn sind solche Ökosysteme einmal zerstört, können sie nicht wieder hergestellt werden.“
Die meisten betroffenen Wälder befinden sich im Besitz des Staates, jedoch gibt es auch einige Privateigentümer, die entschädigt werden sollen, behauptet Valentin Sălăgeanu von Greenpeace:
Bislang ist man bei den Privateigentümern auf Widerstand gestoßen, denn sind die Wälder einmal im Katalog erfasst, können sie nicht mehr bewirtschaftet werden. Also gab es für die Eigentümer nichts mehr an ihren Wäldern zu verdienen, nachdem sie in den Katalog aufgenommen worden waren. Dafür haben wir eine Entscheidung der Europäischen Kommission vom Ende des letzten Jahres, die Schadenersatz für Waldbesitzer vorsieht, die mögliche finanzielle Verluste erleiden. Die aktuelle Regierung muss also die Entscheidung der Europäischen Kommission anwenden, so dass Privatbesitzer entschädigt und diese Hürde aus dem Weg geräumt werden kann. Der Schadenersatz würde sich auf bis zu 500 Euro pro Hektar jährlich belaufen.“
Die im Katalog enthaltenen Wälder werden strikten Schutzmaßnahmen unterzogen, es werden keinerlei menschliche Tätigkeiten mehr auf den entsprechenden Gebieten möglich sein. Valentin Sălăgeanu erklärt, dass in den geschützten Wäldern nur noch Forschungs-, Bildungs- und Besucheraktionen erlaubt sein werden.
Praktisch ist der Katalog eine öffentliche Datenbank, in der alle Informationen über diese Wälder eingetragen sind. Eingetragene Wälder genießen einen neuen Status, man darf überhaupt keine forstwirtschaftliche Tätigkeit mehr darin ausüben. Es wird alles bis ins Detail eingetragen, Hektar für Hektar, die genauen Ortsangaben nach GPS-Daten, mit Bezeichnung. Alle Ur- und Quasiurwälder kommen hier hinein. Bislang wurden 13.000 Hektar Waldfläche in den Katalog eingetragen. Es folgt eine zweite Etappe, in der die 24.000 Hektar Buchenwälder, die für das UNESCO-Naturerbe vorgeschlagen wurden, neu bewertet und ebenfalls eingetragen werden sollen, weil sie schnell von der Erdfläche verschwinden. Und dann folgt die dritte Etappe, in der alle Interessengruppen sich gemeinsam für die kartografische Erfassung der Urwälder anstrengen müssen, die noch nicht genau geortet wurden.“
Der Landeskatalog der Ur- und Quasiurwälder soll nach einem Jahr vollständig und auf der Internetseite des zuständigen Ministeriums abrufbar sein.