Das Fischerboot-Habitat – schonender Tourismus im Donaudelta
Das Donaudelta ist ein wunderschönes Naturgebiet. Das Leben der Menschen hier ist aber bei fehlender Infrastruktur nicht leicht. Mehrere NGOs bemühen sich um eine nachhaltige und umweltschonende Entwicklung des Gebiets.
România Internațional, 27.03.2015, 18:10
Größtenteils in der südostrumänischen Region Dobrudscha und teilweise in der Ukraine gelegen, ist das Donaudelta das größte und am besten erhaltene Delta Europas. Dieses wurde 1991 in das UNESCO-Welterbe aufgenommen und gilt auf nationaler Ebene als Biosphärenreservat. In puncto Biodiversität belegt das Donaudelta den 3. Platz weltweit, nach dem Great Barrier Reef und dem Archipel Galapagos.
Obwohl das touristische Potential enorm ist, sind die Deltabewohner leider sehr arm: In dieser Region gibt es keine Kanalisation, keine Trinkwasserversorgung, keine ärztliche Versorgung und keine Arbeitsstellen. Das Donaudelta ist eine wirtschaftlich benachteiligte Region, die die Unterstützung der Behörden und Entwicklungsprojekte braucht. Die Verwertung der lokalen Handwerke und Traditionen, Bootsfahrten auf den Kanälen, das Kochen von typischen Fischgerichten für Touristen sind nur einige Aktivitäten, die die Entwicklungschancen für das Donaudelta erhöhen könnten. Leider ist das Angebot an qualitativ wertvollen Dienstleistungen sehr klein, vor allem wegen der fehlenden Infrastruktur, aber auch wegen Mangel an qualifiziertem Personal in den bereits existierenden Pensionen.
Wenn Sie an über 330 Vogelarten, 42 Süßwasserfischarten, Bootsfahrten, Angeln und Ferien in der Natur interessiert sind, dann ist das Donaudelta genau das richtige Urlaubsziel. Der Verband Ivan Patzaichin — Mila 23“, benannt nach dem mehrfach olympiagekrönten Kanusportler und seinem Geburtsort im Donaudelta, schlägt allen Interessenten einen Donaudeltaaufenthalt der ganz anderen Art vor. Es geht um verantwortungsvollen, sanften“ Tourismus, welcher ein Gleichgewicht zwischen der produktiven Verwertung der lokalen Schätze (Biodiversität, lokale Traditionen, Fischergemeinden) und den hochwertigen Dienstleistungen, die Geld in die Kasse der Deltabewohner bringen, bewahren sollte. Das Projekt heißt Lotca Habitat: Pescaturism în Delta Dunării“ (zu deutsch in etwa Fischerboot-Habitat: Fischertourismus im Donaudelta“). Für Rumänien ist das eine Neuheit, aber auf Europaebene ist diese Idee schon verbreitet. Der stellvertretende Vorsitzende des Verbands Ivan Patzaichin — Mila 23“, Teodor Frolu, erläutert das Projekt:
Es handelt sich um Ausflüge mit Fischerbooten, genauer gesagt verbringen die Touristen einen halben Tag oder einen Tag mit einem Fischer. Sie fahren zusammen über die Donaukanäle mit den traditionellen Fischerbooten (rum. »lotcă«, Pl. »lotci«) und sie fischen zusammen. Die Donaudeltafischer haben viele Fischorte, wo sie ihre Fischnetze werfen, etwa 20 bis 30 Fischnetze über mehrere Kanäle und Seen verstreut. Wenn man die Netze eines nach dem anderen prüft, macht man gleichzeitig einen sehr schönen Bootsausflug. Mit dem Fischfang gehen die Touristen zum Haus des Fischers, wo die Fische aufbereitet und sofort als traditionelle Produkte der lokalen Gastronomie verkauft und konsumiert werden. Das ist wirklich ein Aufenthalt der besonderen Art, und jeder rumänische oder ausländische Tourist, der einen solchen Tag erlebt hat, wird diese Erfahrung lange in Erinnerung behalten.“
Die Vertreter des Verbands Ivan Patzaichin — Mila 23“ haben über die Vorteile nachgedacht, die die Donaudeltabewohner von diesem Projekt haben können. Teodor Frolu:
Erstens gibt es weniger Druck auf die Fischbestände — quantitativ werden weniger Fische gefangen, aber qualitativ werden diese Fische wertvoller, weil sie von den Touristen mit einem Mehrwertpreis als fertige Produkte gekauft werden. Kurzum: Der Fischer fischt weniger und gewinnt dabei mehr. Zweitens gehört diese Dienstleistung zum Ökotourismus, weil man eine wichtige Komponente der lokalen Tradition verwertet. Nur wenige Leute wissen, dass die Gastronomie zum immateriellen Kulturgut einer Gegend gehört. Drittens bietet man den Deltabewohnern mit diesem Projekt eine Alternative zum Fischen, eine andere Einkommensquelle. Im Donaudelta leben zurzeit etwa 1.800 akkreditierte Fischer. Wenn nur ein Prozent dieser Menschen ihre wirtschaftliche Tätigkeit diversifizieren, ist das schon ein Gewinn für die Region und für die Gemeinde.“
Fünf Fischerfamilien aus der Donaudelta-Ortschaft Mila 23 beteiligen sich an dem Projekt Lotca Habitat: Pescaturism în Delta Dunării“. Sie wurden bereits im Frühjahr geschult, um den Touristen den Alltag eines Donaudeltafischers zu zeigen. Das Fischerboot (Lotca) ist für 10 Personen gebaut, und der 5-Pferdestärke-Motor sichert eine Autonomie von 6 Stunden bei einer Geschwindigkeit von 8 Stundenkilometern. Bei den Fahrten mit traditionellen Fischerbooten haben die Touristen die Möglichkeit, die Vögel im Donaudelta zu beobachten und zu fotografieren. Das Donaudelta ist bekanntlich ein Fisch- und Vogelparadies. Zu den bekanntesten Vogelarten, die im Donaudelta Kolonien bilden, gehören die Rosapelikane, die Krauskopfpelikane, die Seidenreiher, die Graureiher, die Kormorane. Im Frühling migrieren die Zugvögel ins Donaudelta, um zu nisten, und sie singen bis Juni, wenn die Paarungszeit vorbei ist. Die Vogelkolonien sind in der Tat spektakulär.
Und genauso spektakulär ist die Pflanzenwelt, insbesondere in den Monaten April und Mai, wenn alles grünt und blüht. Mit diesem Projekt wollen die Vertreter des Verbands Ivan Patzaichin — Mila 23“ ein Muster schaffen, das später im ganzen Donaudelta multipliziert wird. Zum Abschluss des Projekts wird auch eine Dokumentation gedreht, die zeigen sollte, wie diese Fischertourismus-Aktivität funktioniert. Die Dokumentation wird in weiteren 10 Donaudelta-Ortschaften gezeigt, und im Anschluss an der Filmvorführung werden Treffen und Diskussionen mit den dortigen Fischern stattfinden, damit die Erfahrung der Fischer in der Ortschaft Mila 23 auch von anderen Fischergemeinden verwertet werden kann.
Das Projekt Lotca Habitat: Pescaturism în Delta Dunării“ wird von der Deutschen Agentur für Internationale Kooperation durch die Kooperationsplattform im Bereich Tourismus in der Donauregion finanziert. Das Projekt startete in Oktober 2014 und wird in Juli 2015 zu Ende gehen. Es verfügt über ein Gesamtbudget von 29.320 Euro; 25% davon kommen vom eigenen Beitrag des Verbands Ivan Patzaichin — Mila 23“.