Wirtschaftsperspektive 2024: Haushaltsdefizit und Inflation bleiben Hauptprobleme
Seit 2020 läuft gegen Rumänien ein EU-Verfahren wegen des übermäßigen Haushaltsdefizits. Die Regierung in Bukarest will nun etwas dagegen tun.
Corina Cristea, 19.01.2024, 14:44
Die Situation ist im Superwahljahr noch komplizierter. Es finden Europa-, Kommunal-, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt, und das Land hat auch das vergangene Jahr die Vorgaben aus Brüssel bei weitem nicht erfüllt. Das Haushaltsdefizit fiel sogar höher aus als die angestrebten 4,4 % — Ende 2023 wurde ein Haushaltsdefizit von rund 6 % registriert. Ebenfalls Ende 2023 erreichte die jährliche Inflationsrate nach jüngsten Angaben des Nationalen Statistikamtes (INS) 6,61 %.
Insgesamt ist das makroökonomische Bild für Rumänien im Jahr 2023 eher durch Abweichungen von den Berechnungen der Regierung für Inflation, Defizit und Haushaltseinnahmen gekennzeichnet. 2023 war ein sehr kompliziertes Wirtschaftsjahr für Rumänien. Die Inflation ging zwar — ähnlich wie in anderen Ländern — etwas zurück, wenn auch langsamer als im EU-Durchschnitt. Doch insgesamt verlangsamte sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2023 und das reale Wachstum des BIP wird wahrscheinlich bei etwa 2 % liegen und damit niedriger als prognostiziert“, heißt es in einem im Dezember veröffentlichten Bericht, der vom Finanzexperten und Akademiemitglied Daniel Dăianu koordiniert wurde. Doch wie sieht die Rumänische Zentralbank (BNR) die Situation? Dan Suciu, Pressesprecher der Nationalbank Rumäniens, mit Einzelheiten:
2023 endete schließlich viel besser, als wir vor allem zu Beginn des Jahres erwartet hatten. Doch auch im Laufe des Jahres gab es viele Befürchtungen, dass die Inflation höher ausfallen werde. Wir hatten einige Bedenken hinsichtlich des Wirtschaftswachstums im Jahr 2023. Das Ziel der Zentralbank war es, die Inflation zu senken, jedoch die Wirtschaft nicht gleichzeitig in eine Rezession zu treiben, wie es in vielen anderen Ländern der Region geschehen ist. Gleichzeitig wollten wir dafür sorgen, dass die Devisenreserven dieses historische Rekordniveau erreichen, so dass die finanzielle und wirtschaftliche Stabilität des Landes vor allem aus der Sicht des Auslands überhaupt nicht als gefährdet betrachtet wird.
Letztendlich haben wir gute Ergebnisse erzielt, die uns für ein vernünftiges Jahr 2024 rüsten. Ich würde nicht sagen, dass wir von 2024 Wunder erwarten, denn es gibt immer noch eine Reihe von Unwägbarkeiten. Sie wissen, dass wir ein neues Steuerpaket haben, das am 1. Januar in Kraft getreten ist. Abgesehen von den Bemühungen der Zentralbank wird sich das Steuerpaket im ersten Quartal dieses Jahres etwas inflationär auswirken, aber wir können es noch nicht richtig einschätzen. Der Ausgangspunkt der Inflation liegt bei 6 % und eben nicht bei sieben oder acht Prozent wie im vergangenen Jahr, und wir müssen sicher gehen, dass die Inflation zumindest nach diesem Quartal einen Abwärtstrend erfährt. Das ist eines unserer Ziele — das Jahr mit einer noch niedrigeren Inflation abzuschließen, auch wenn wir im ersten Quartal einen leichten Anstieg haben werden.“
Ende Dezember 2023 erreichten die von Dan Suciu erwähnten Devisenreserven der Rumänischen Nationalbank knapp 60 Milliarden (59,77 Mrd.) Euro. Im Vergleich dazu beliefen sie sich Ende Dezember 2022 auf knapp 47 Milliarden (46,63 Mrd.) Euro. Diese Reserven seien wichtig, sagt weiter der Pressesprecher der Zentralbank:
Es ist Geld, das aus verschiedenen Quellen stammt und der Nationalbank zur Verfügung steht; je nach unserer Fähigkeit, die Devisenreserven zu erhöhen, kann dieses Geld anschließend ausgegeben und in die Wirtschaft investiert werden, so dass die Kreditvergabe in einem akzeptablen Tempo funktioniert und sie für alle Zahlungen und für alle Finanzen des Landes verfügbar ist. Dadurch wird auch eine gewisse Stabilität des Wechselkurses gewährleistet. Die Devisenreserven des Landes können viele Funktionen erfüllen, einschließlich der Kreditaufnahme des Landes zu niedrigeren Zinsen, damit die Wirtschaft in einem angemessenen Tempo und ohne Inflationsspitzen arbeiten kann.“
Vor dem Hintergrund der Erhöhung der Verbrauchssteuern und der Abschaffung einiger Steueranreize werde das erste Jahresquartal einen Anstieg der Inflationsrate bringen, ist die Meinung der meisten Wirtschaftsexperten. Es sei auch wahrscheinlich, dass der Trend der leichten Abwertung der Landeswährung Leu gegenüber dem Euro wieder einsetzt, sagt zum Schluss unseres Features der Finanzanalyst Adrian Codirlașu:
Ich glaube, dass der Trend einer langsamen Abwertung des Leu gegenüber dem Euro sich in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Mit langsam meine ich zwei bis drei Prozentpunkte pro Jahr, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben. Das hängt mit der Inflation in Rumänien zusammen, die höher ist als in der Eurozone; außerdem spielt das hohe Leistungsbilanzdefizit in Rumänien eine Rolle. Im Zusammenhang mit den neuen Steuern, d.h. der Erhöhung der Mehrwertsteuer, der Verbrauchssteuer und der Umsatzsteuer, die eigentlich eine weitere Mehrwertsteuer ist, wird die Inflation schon im Januar ansteigen. Wir werden also im Januar einen ersten Inflationsschock erleben, der in Höhe von vielleicht einem Punkt bis anderthalb Punkten ausfallen wird.“