Ukraine und Moldaurepublik: schwieriger Weg in die EU
Im Außenpolitik-Feature befasst wir uns mit den EU-Beitrittsperspektiven der Ukraine und der Moldaurepublik.
Corina Cristea, 01.12.2023, 16:02
Die Ukraine und die Republik Moldau sind seit letztem Sommer EU-Beitrittskandidaten, und die Europäische Kommission hat in der ersten Novemberhälfte die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfohlen — eine erfreuliche Nachricht für die pro-westlichen Regierungen der beiden ehemaligen Sowjetstaaten, doch bis zur Integration ist es noch ein langer Weg. Der erste Schritt wäre die Entscheidung des Europäischen Rates Mitte Dezember. Alle Mitgliedstaaten müssen der Empfehlung der Kommission zustimmen, und einige, wie z. B. Ungarn, haben bereits Bedenken geäußert. Wenn diese Hürde im Dezember überwunden wird, soll die Europäische Kommission im März 2024 einen neuen Bericht vorlegen, in dem die Fortschritte der Ukraine und der Republik Moldau im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit bewertet werden.
Im Falle der Ukraine empfiehlt die Kommission nun, dass die Verhandlungen beginnen sollten, sobald Kiew die verbleibenden Bedingungen zur Bekämpfung der Korruption und zur Stärkung der Standards für den Minderheitenschutz erfüllt. Für die Republik Moldau gilt ebenfalls die Bekämpfung der Korruption sowie eine verbesserte Regulierung des Finanzmarktes. Die Ukraine wird Mitglied der Europäischen Union sein. Und wir werden dies vor allem durch die Transformation unseres Landes erreichen — eine interne Transformation, die sicherlich im Interesse unserer Bevölkerung ist. Für die Ukraine bedeutet die EU wirtschaftliche Sicherheit und soziale Stabilität, und für die EU bedeutet die Ukraine eine Stärkung der gesamten Gemeinschaft“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew.
In der Stellungnahme der moldauischen Präsidentin Maia Sandu heißt es wiederum: Die Entscheidung der Europäischen Kommission ermutigt uns und gibt uns die Verantwortung, das fortzusetzen, was wir begonnen haben: die Moldaurepublik stärker zu machen und zu einem Staat werden lassen, der den Frieden im eigenen Land gewährleistet, zur regionalen Sicherheit beiträgt und sich um das Wohlergehen seiner Bürger kümmert. Es gibt noch viel zu tun. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist voller Herausforderungen. Wir haben keine Angst vor der Arbeit, und unser Ziel ist es, dass die Republik Moldau bis zum Jahr 2030 der EU beitreten kann“, so Präsidentin Maia Sandu.
Doch wie realistisch ist der Beitrittstermin 2030? Das hänge von jedem einzelnen Land ab, meint der Historiker, Universitätsprofessor und ehemalige Außenminister Rumäniens Adrian Cioroianu:
Der Zeitplan ist als Orientierung gedacht, natürlich ist niemand verpflichtet, das Jahr 2030 als Endpunkt zu betrachten, aber er ist eine Ermutigung. Andererseits entspricht es der EU-Politik, diese Länder in der Nähe zu halten und ihnen ein Ziel vorzugeben. Sehen Sie sich die realen politischen Schwierigkeiten an, mit denen die Republik Moldau konfrontiert ist — bei jedem Wahlgang sind wir angesichts der politischen Konstellation des Landes nervös. Schauen Sie, was in Serbien passiert, wie schwierig es ist, diesen Streit beizulegen, und wie traumatisiert die Serben noch in Bezug auf den Kosovo sind. Diese Länder müssen ein Ziel haben. Der Beginn des Fahrplans spricht eher von einer gegenseitigen Absicht und einem gewissen gegenseitigen Versprechen. Die EU erkennt an, dass sie diese Länder braucht, aber diese Länder müssen auch erkennen, dass sie europäische Prinzipien und Werte walten lassen müssen. Und natürlich wollen wir am Ende mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben, auch wenn es selbst innerhalb der EU noch Unterschiede gibt. Lasst uns also hoffen, dass die Gemeinsamkeiten größer sind als die Unterschiede.“
Die Umsetzung der Empfehlungen der Venedig-Kommission steht auf der To-do-Liste der Ukraine. Sind die Kiewer Behörden entschlossen, diesen Empfehlungen zu folgen? Der rumänischsprachige Journalist Marin Gherman, Leiter des Instituts für politische Studien und soziales Kapital in Tscherniwzi (Czernowitz), ist da eher skeptisch:
Meiner Ansicht nach wird es eine Reihe von Versuchen seitens Kiews geben, insbesondere die Empfehlungen zur Verbesserung des Minderheitenschutzes nicht einzuhalten. Wir haben auch hochrangige Erklärungen zu diesen Empfehlungen, die diesen Trend bestätigen. Warum ist das so? Weil es im ukrainischen parlamentarischen Umfeld Widerstand gegen die Idee gibt, die Gesetzgebung im Bereich der nationalen Minderheiten zu ändern, da dieses Thema in der Ukraine ausschließlich durch die Kriegsbrille und im Zusammenhang mit der russischen Minderheit gesehen wird. Für Kiew ist es ein schmerzhaftes Thema, es herrscht Krieg mit Russland, die groß angelegte Invasion Russlands ist allgegenwärtig, und wenn die Frage nach Minderheiten gestellt wird, denken die meisten Ukrainer an die Russen, an Russifizierung, an alles, was dieser Krieg bedeutet. Und es ist sehr schwer, die ukrainische politische Elite von dieser Sichtweise abzubringen.“
Die Ukraine brauche auch eine Reform der Geheimdienste, sagte Marin Gherman weiter, und die Korruptionsbekämpfung werde auch kein leichtes Spiel sein.
Wie geht es indessen in Transnistrien weiter, angesichts der Tatsache, dass Chișinău praktisch keine Kontrolle mehr über die separatistische Region hat? Kann Chișinău die Übernahme des acquis communautaire (des gemeinschaftlichen Besitzstandes) in der gesamten Republik Moldau durchsetzen? Iulian Groza, Exekutivdirektor des Instituts für Europapolitik und Reformen in Chișinău, ist gedämpft optimistisch:
Ich glaube: Ja. Und wir haben einen Präzedenzfall — das Assoziierungsabkommen mit der EU. Als es abgeschlossen wurde, wurde vereinbart, dass es im ganzen Land gelten würde. Der wichtigste Teil des Abkommens, der Handelsteil, ist zwei Jahre nach der vorläufigen Geltung in Kraft getreten. Die Region Transnistrien ist heute dank des Zugangs zum EU-Markt viel stärker im europäischen Raum verankert. Und das ist heute, vor dem Hintergrund des Krieges und der Umwälzungen in der Region, ein wichtiges Element, um ein Gegengewicht zum Einfluss Russlands in der transnistrischen Region zu schaffen.“