Eine kürzlich von der rumänisch-amerikanischen Handelskammer vorgelegte Studie setzt sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Arbeitskräftemangels in Rumänien auseinander. Die Ergebnisse zeigen, dass in den nächsten zehn Jahren eine Million Menschen aus dem Kreis der Erwerbstätigen austreten könnten. Allein bis zum Jahr 2026 könnte der Arbeitskräftemangel auf mehr als 220.000 Fachleute steigen, wenn keine sofortigen Maßnahmen ergriffen werden. Freiräume scheint es zu geben, denn fünf Millionen Menschen sind zwar arbeitsfähig, werden aber nicht als Arbeitnehmer geführt. Bei einer Bevölkerung von etwa 20 Millionen Menschen beträgt die offizielle Zahl der abhängig Beschäftigten fünf Millionen, so dass eine einfache arithmetische Berechnung zeigt, dass nur ein Viertel der Rumänen in dieser Form arbeitet.
Professor Mircea Coșea von der Akademie für Wirtschaftsstudien in Bukarest erläuterte diese Situation gegenüber Radio Rumänien: „Es gibt zwei Dinge, die zu berücksichtigen sind. Zum einen das so genannte italienische Syndrom: In Rumänien gibt es eine gewisse Tradition, dass junge Menschen länger als nötig bei ihren Eltern im selben Haus wohnen bleiben, auch wenn sie heiraten. Das geht bis zum Alter von 35-40 Jahren. So war es auch in Italien vor 20 oder 30 Jahren. Deshalb nennt man es auch das italienische Syndrom. Das bedeutet, dass sie mit dem auskommen, was ihre Eltern geben und oft nicht arbeiten. Das ist ja auch eine Frage der Ausbildung. Das zweite Problem ist, sagen wir mal, ein politisches. Aus politischen Gründen ist nämlich hier die Gruppe der nicht arbeitenden Sozialhilfeempfänger, die aus Wahlzwecken versorgt werden, größer als in anderen Ländern. Die Bürgermeister oder andere lokale Kräfte fassen diese Leute mit Samthandschuhenan, damit sie zur Wahl gehen, um für diejenigen zu stimmen, die sie letztendlich am Leben erhalten, indem sie ihnen Geld geben. Das ist gravierend, denn es bedeutet, dass Rumänien einerseits aktive Arbeitskräfte verliert und andererseits, dass der Arbeitsmarkt übermäßig politisiert wird. Und das ist kompliziert.“
Die Problemkonstallation ist aber viel ernster, sagt Mircea Coșea und stellt dabei auf das große demografische Defizit ab. In der Tat ist die demografische Statistik für die gesamte EU alarmierend und zeigt, dass die Bevölkerungszahl generell dramatisch sinkt. Die Zahlen zeigen, dass die europäische Bevölkerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts 15 % der Weltbevölkerung ausmachte, während sie im Jahr 2050 nur noch 5 % betragen wird. Dies ist eine Folge des Bevölkerungswachstums in anderen Regionen der Welt und des Bevölkerungsschwunds in Europa.
Weil die Zahl der Kinder sinkt und das Durchschnittsalter in der EU steigt, ist ein Rückgang der Arbeitskräfte zu erwarten, mit Konsequenzen für Gesundheits- und Rentensysteme.
Der demografische Rückgang ist vielleicht die größte Herausforderung für Rumäniens Zukunft, sagen Experten. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr, aber in den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass die Bevölkerung Rumäniens schrumpft. Es werden nicht genug Kinder im Land geboren, um die Verluste auszugleichen, die Rumänien durch die Abwanderung von Millionen von Menschen erleidet, betont Professor Mircea Coșea:
„Der rumänische Staat hat in dieser Frage keine wichtigen Maßnahmen ergriffen und tut dies auch weiterhin nicht, d.h. er sollte eine sehr aktive demografische Politik betreiben, die neue und junge Familien, Geburten und die Erziehung von Kindern fördert. Nun wissen wir alle, dass wir hier weit zurückliegen, wir helfen den jungen Menschen nicht, wir haben nicht genügend Kinderkrippen, Kindergärten, Schulen, wir haben keine Anreize für die junge Bevölkerung, Kinder zu bekommen und in Rumänien zu bleiben. Das wird uns in Zukunft teuer kosten. Und jetzt gibt es ein Phänomen auf dem Arbeitsmarkt, das ebenfalls negative Folgen haben wird, nämlich dass wir Arbeitskräfte importieren, weil wir nicht mehr mit unseren eigenen Leuten auskommen, und zwar weil der Arbeitsmarkt aus den eben genannten Gründen nicht funktioniert, und wir deshalb importieren müssen”.
Prognosen zeigen, dass die Bevölkerung Rumäniens im Jahr 2050 nur noch 15-16 Millionen Einwohner erreichen könnte. Der Bevölkerungsrückgang verheißt nichts Gutes für die Wirtschaft und die Gesellschaft, denn er würde eine kleinere Volkswirtschaft und eine alternde Bevölkerung bedeuten. Gleichzeitig sagen Wirtschaftswissenschaftler, dass der demografische Rückgang zu Veränderungen in der Struktur von Konsum und Produktion führen wird. Was könnte man tun? Wir brauchen Sozialgesetze, um die Geburtenrate anzukurbeln, Erleichterungen für junge Familien, bestimmte Bedingungen für junge Mütter, die berufstätig sind, weil es für sie sehr schwierig ist, sich nach der Arbeit um ihre Kinder zu kümmern, mehr Kinderkrippen und Kindergärten. „Wenn man keine Anreize setzt, wenn man nicht dafür sorgt, dass Geburten gut finanziert werden, dass die Kindererziehung gut organisiert ist, mit gut ausgebildeten Lehrern, Betreuern, Kinderkrippen und Heimen, dann wird die Bevölkerung nicht wachsen“, warnt Professor Mircea Coșea.