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Fakenews: Social Media User tragen ungewollt zu „Ampliganda“ und „Hahaganda“ bei

Fakenews, Deep Fake und Desinformation sind erneut Thema in dieser Sendereihe. Wie perfide die Manipulationsstrategien sein können, die dahinter stecken, erfahren wir von Experten.

Fakenews: Social Media User tragen ungewollt zu „Ampliganda“ und „Hahaganda“ bei
Fakenews: Social Media User tragen ungewollt zu „Ampliganda“ und „Hahaganda“ bei

, 19.11.2021, 17:30

Meta, das kürzlich umgetaufte Unternehmen, das u.a. die sozialen Netzwerke Facebook“ und Instagram“ betreibt, hat unlängst mehr als 1000 in Nicaragua angemeldete Fake Accounts gelöscht, die die dortige Regierung drei Jahre lang für Desinformationskampagnen genutzt haben soll. Ziel der Betreiber dieser Falschkonten war, die Opposition zu verunglimpfen, sagen die Wächter von Meta.



Der Vorfall in Nicaragua ist nur ein Beispiel für die uneingeschränkte Macht verzerrter Information oder vorsätzlich, in böswilliger Absicht gestreuter Falschmeldungen. Dies in einer Welt, die immer vernetzter ist und in der Nachrichtenkonsumenten im stromartigen Informationsfluss der immer leichter zu bedienenden sogenannten Social Media zu ertränken drohen. Die Interessen hinter Fakenews oder manipulierender Berichterstattung sind vielfältig — nicht selten stehen auch ganze Staaten oder zumindest staatliche Stellen dahinter. Um dem entgegenzuwirken, brauche man eine koordinierte Öffentlichkeitsarbeit all jener, die noch dem Allgemeinwohl dienen. Dies sagte unlängst der rumänische Au‎ßenminister Bogdan Aurescu beim Atlantic Council, einer Denkfabrik und Public-Policy-Gruppe in Washington, die traditionell den US-Regierungen mit Rat — und Personal — nahe steht:



Ich glaube, für die breite Bevölkerung ist es sehr wichtig, die Aufmerksamkeit beim Lesen zu schärfen. Wenn man Information aufnimmt, ist es genauso wichtig, auch die Quellen der Information zu bewerten, denn oft hat man es mit einer versteckten Agenda zu tun, die beispielsweise darauf abzielt, das Vertrauen in demokratische Werte zu unterminieren. Wenn etwa der russische TV-Sender Sputnik behauptet, dass Rumänien das machen würde, während die EU und die Nato jenes machen würden — so ist das falsch! Rumänien IST Teil der EU und der Nato und macht nichts ohne Absprache innerhalb dieser Organisationen. Diese Art von irreführenden Botschaften ist dafür konzipiert, um das Vertrauen der Bürger zu unterminieren.“



In der Pandemie hat sich das Problem der Desinformation zusätzlich verschärft. Eine gut organisierte Industrie der Verschwörungstheorien hat die Social Media regelrecht unter Beschuss genommen — und das macht vor den virtuellen Medien nicht Halt. Denn selbst in gro‎ßen und namhaften Online-Shops sind inzwischen Standardwerke der Verschwörungsblase erhältlich. Daniela Coman, die Korrespondentin des Rumänischen Rundfunks in Frankreich, hat herausgefunden, dass viele dieser Druckerzeugnisse insbesondere Verschwörungstheorien über den Ursprung des Sars-Cov-2-Virus und über mutma‎ßliche Interessen der Impfproduzenten verbreiten.



Das Buch mit dem Titel »Big Pharma démasqué« (zu deutsch in etwa: »Big Pharma zeigt ihr wahres Gesicht«), erschienen im Frühjahr, hat sich in wenigen Monaten in über 14.000 Exemplaren verkauft und war somit aus Sicht des Verlags eines der grö‎ßten Verkaufsschlager zum Thema Covid-19. Wenn einem das Buch dann von Verwandten oder Buchhändlern empfohlen wird, erhalten gewagte Thesen oder Verschwörungstheorien eine gewisse Glaubwürdigkeit, sagte ein Experte von der Universität in Rennes im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Und so ist es keine Überraschung, dass die Betreiber von Online-Verkaufsportalen wie Amazon und Co Bücher wie diese in ihr Angebot aufnehmen, denn sie wissen, dass es Kunden dafür gibt. Verschwörungstheorien über Covid-19 vervielfältigen sich in der Internet-Schleife und finden rei‎ßende Absätze in Blasen, wo die Befürworter nur noch Meinungen akzeptieren, die ihre Ansichten bestätigen. So entstehen Fakenews, Desinformation und Manipulation — sie sind insbesondere in Krisenzeiten Selbstläufer, die für die Verbreiter von Verschwörungstheorien vorteilhaft sind.“



Desinformationskampagnen werden auch in Rumänien zu den Gründen gezählt, die zu einer niedrigen Impfquote und Zehntausenden von Toten infolge der Infektion mit dem Coronavirus geführt haben. Es sei ein Scheitern des gesellschaftlichen Zusammenhalts, sagt der Arzt Valeriu Gheorghiță, Koordinator der nationalen Impfkampagne, wenn man anstatt den Experten und den wissenschaftlich erhobenen Daten zu vertrauen, Verschwörungstheoretikern Glauben schenkt, die scheinbar aus dem Nichts erscheinen und verschrobene Informationen aus fragwürdigen Quellen verbreiten.



Doch was kann man dagegen tun? Kritisches Denken in der digitalen Welt sei ein wichtiges Instrument, um sich in der Informationsflut auf allen Kanälen zurechtzufinden und zuverlässige Quellen von Propaganda-Fabriken zu unterscheiden, sagt die Universitätsprofessorin Alina Bârgăoanu, die sich mit dem Phänomen Fakenews seit längerer Zeit auseinandersetzt:



Die Urheber von Propaganda setzen sehr viel darauf, dass wir Nutzer der Social Media Informationen weiterverbreiten. Dabei geht es nicht um hierarchisch definierte Strukturen, sondern um jeden Einzelnen, der Empfänger und Sender zugleich ist. In einschlägigen wissenschaftlichen Kreisen spricht man von »Ampliganda«, einem Kunstwort, das sich aus den Wörtern »amplifizieren« und »Propaganda« zusammensetzt. Das hei‎ßt, dass die Nutzer selbst Falschmeldungen verstärken und deren Reichweite vergrö‎ßern. Dagegen gewappnet ist man nur durch Zurückhaltung in den sozialen Netzwerken — soll hei‎ßen: nicht alles gleich teilen oder Kommentare zu Meinungen abgeben, die nicht unserer Auffassung entsprechen. Denn wenn wir das tun, verhelfen wir gerade so Falschmeldungen, aus der Peripherie in den Mainstream zu gelangen. Ein gutes Beispiel ist die Behauptung, dass den Menschen durch die Impfung Mikrochips eingepflanzt werden oder dass die 5G-Technologie dazu da sei, um Menschen fernzusteuern. Wenn wir solchen Meldungen zu viel Aufmerksamkeit schenken, sie belächeln oder in Kommentaren der Lächerlichkeit preisgeben, erreichen wir das Gegenteil — sie erfahren nur mehr Aufmerksamkeit. Und dann beginnt das, was Fakenews-Forscher »Hahaganda« nennen, nämlich ein Randthema durch Gelächter ins Rampenlicht zu bringen.“

Foto: jhenning / pixabay.com
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