Die Digitalisierung schreitet im Eiltempo voran. Doch die Gefahren, die neue Technologien wie künstliche Intelligenz mit sich bringen, sind nicht zu unterschätzen. Immer mehr Experten fordern die Vermittlung von Medienkompetenz schon im frühen Alter.
Corina Cristea, 23.04.2021, 17:30
Die 2017 erschienene und immer mehr verbreitete Deep-Fake-Technologie kann nämlich völlig fiktive Fotos überzeugend von Null auf erstellen, sie kann Tonaufnahmen abrufen, um Stimmen von Persönlichkeiten zu klonen — sogenannte Stimmen-Skins, die z.B. in verschiedenen Betrugsfällen verwendet werden. Gefakte Videoaufnahmen zeigen Promis vor mehr oder weniger kompromittierenden erfundenen Kulissen. Im Kern wird eine Technik der Synthese von Bildern und Tönen zur Erstellung von Inhalten eingesetzt. Die Fakes zeigen Wirkung: Die britische Tochtergesellschaft eines deutschen Energiekonzerns hat nach einem Telefonanruf, bei dem ein Betrüger die Stimme des deutschen Geschäftsführers imitierte, rund 200 000 Pfund auf ein ungarisches Bankkonto überwiesen. Eine weitere berühmte Video-Fälschung lässt den Unternehmer Elon Musk ankündigen, dass Tesla die Produktion von fliegenden Autos aufnehmen wird. In manchen Situationen kann die Deepfake-Technologie Spaß machen — man kann zum Beispiel sein Bild einfügen, um zu einer Figur in einem Animationsfilm zu werden. Oder sie kann nützlich sein, wie im Fall des Salvador-Dalí-Museums in Florida, das mit Hilfe einer fortschrittlichen Face-Shifting-Technologie den Meister des Surrealismus“ zum Leben erweckt, indem es seine Kunst zeigt und Selfies des Künstlers mit den Besuchern ermöglicht.
Doch die Bedrohung ist echt. Manche Videos sind deep-gefakte Pornos, in denen die Protagonisten eingebaut werden. Branchenexperten glauben, dass bald praktisch jeder ohne große Fähigkeiten in der Lage sein wird, aus Rache einen Deepfake zu machen. Deepfakes sind sicherlich eine Herausforderung unserer Zeit — sie sind immer noch Fakenews, aber auf einem viel fortgeschritteneren Niveau. Sie gehen einher mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz. Fakenews sind nichts Neues, aber die Werkzeuge, die uns zur Verfügung stehen, verändern sich, und auch die Geschwindigkeit, mit der sich bestimmte Phänomene verbreiten, wird höher sagt Dragoș Stanca, ein Unternehmer aus den Bereichen Digitales, Technologie, Marketing und Medien, der kürzlich zum Präsidenten des rumänischen Medienauflagenbüros (BRAT) gewählt wurde. Auf Einladung von Radio Rumänien sprach Stanca über die Bedeutung gesunder Information in der digitalen Umgebung. Er zeigt aber auch auf die Jagd nach Publikum. Wir bewegen uns in eine falsche Richtung, wenn nur die quantitative Messung der Nutzung von Internetseiten, des in der Straßenwerbung erreichten Publikums, der Leser von Zeitungen und Zeitschriften, der Hörer von Radiosendern und der TV-Zuschauer als Maßstab gilt: Digitale Medien und Medien im Allgemeinen können sich in verschiedenen Formen ausdrücken — professionelle, durch Regeln geprüfte und und wertvolle Inhalte sind extrem wichtig“, meint Stanca. Er hofft auf eine immer intensivere Diskussion in einer Gesellschaft, die zunehmend ihren Blick dafür verliert, was Nachrichten eigentlich bedeuten, wer das Recht hat, Nachrichten auszusenden und den Verdienst für Wahrheit, Lüge oder Manipulation zu kassieren.
Die Generalversammlung des BRAT — einer Vereinigung, die die Mediennutzung misst, hat unter Federführung von Dragoș Stanca ein Projekt angestoßen: verantwortungsvolle Werbung in vertrauenswürdigen Medien: So wie wir darauf achten, unsere Kinder zu erziehen, die Straße nur bei Grün zu überqueren und sich links und rechts zu vergewissern, dass kein Auto kommt, müssen wir damit beginnen, sie über die Gefahren aufzuklären, die im Medienraum auf sie lauern. Die Wahrheit beginnt leider im digitalen Raum, aber auch im Rundfunk, optional zu werden.“ Solange das Medien-Ökosystem nur von quantitativen Maßstäben reguliert wird, wird das noch zunehmen, befürchtet Stanca. Ihm zufolge seien wir verpflichtet, uns mit diesem umfangreichen, komplizierten und heiklen Thema auseinanderzusetzen — die Analogie mit dem Verkehr ist leicht gefunden: So wie es keine Verkehrsregeln gab, als das Auto erfunden wurde, und viele Menschen starben, bevor Regeln aufgestellt wurden, die heute banal erscheinen, wie z.B. die Vorfahrt, so müssen wir im digitalen Bereich Regeln aufstellen. Alles wird noch komplizierter durch diese Deepfakes, die eine völlig synthetische Realität erzeugen. Im Grunde können wir nicht mehr sagen, ob eine Rede, die wir auf YouTube oder an irgendeiner anderen Stelle im Netz sehen, auch wirklich die ist, die sie zu sein vorgibt. So wie wir Kindern beibringen, ihre Finger nicht in die Steckdosen zu stecken, sollten wir ihnen auch beibringen, wie sie sich online vor Leuten schützen können, die ihre Bankkartendaten stehlen wollen, vor Leuten, die ihr Leben zerstören wollen, vor Leuten, die sie falsch informieren wollen. Wir müssen ihnen erklären, sagt Stanca, was Clickbait ist, was Fakenews sind, wie man sie erkennt, wie man eine Bildersuche in Google startet, um herauszufinden, ob das Foto, das man sieht, existiert oder nicht oder ob es echt ist, ob das Foto noch nicht veröffentlicht wurde oder aus einem anderen Kontext stammt. Es gibt bestimmte Dinge, die meiner Meinung nach in den Lehrplan und in alle Diskussionen im Bildungsbereich aufgenommen werden sollten“, findet Dragoș Stanca.
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