Bundestagswahl in Deutschland: Was kommt danach?
Deutschland hat gewählt, die Wahlergebnisse waren nicht überraschend, doch die Konstellation für eine neue Regierunskoalition scheint schwierig zu sein. Mit dem Politikanalysten Ioan Bogdan Lefter erörtern die Lage nach der Wahl in Deutschland.
Corina Cristea, 06.10.2017, 17:30
Europa braucht heute mehr denn je eine stabile Bundesregierung in Deutschland.“ Das erklärte EU-Kommissions-Präsident Jean Claude Juncker in einem Glückwunschschreiben an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Diese hat infolge der Wahlen vom 24. September ihr viertes Mandat gewonnen. Die Wahlen in Deutschland haben einen Wechsel im Bundestag mit sich gebracht. Die Konservativen sind die großen Gewinner, sie haben 33% der Stimmen bekommen. Das Ergebnis ist jedoch um 8,5% schlechter als bei der letzten Wahl von 2013. Professor Ioan Bogdan Lefter beschrieb für Radio Rumänien die aktuelle Politbühne in Deutschland.
Die Sozialdemokraten nehmen den 2. Platz ein, mit einem Ergebnis von etwa 20%. Damit besitzt die zweitgrößte Partei des Landes eine geringe Fähigkeit, die Regierung zu beeinflussen. Es gab eine große Regierungskoalition in Deutschland, gebildet aus den Christdemokraten und den Sozialdemokraten. Martin Schulz hat aber schon angekündigt, dass die Sozialdemokraten keine Koalition mit den Christdemokraten eingehen werden. Es folgen die vier Parteien, die zusammen mehr als 40% der Stimmen gewonnen haben und die das politische Spiel ein bisschen komplizierter machen. Man hat mit dem Einzug der AfD in den Bundestag gerechnet, weiter haben wir die FDP, die Grünen und die Linke. Insbesondere die FDP und die Grünen sind mit der Union kompatibel und wahrscheinlich werden sie auch eine Regierungskoalition bilden. Es ist aber nicht leicht, auch da gibt es Meinungsverschiedenheiten.“
Die CDU hat die meisten Sitze gewonnen, das Ergebnis ist jedoch das schlechteste der Partei seit 1949. Die Sozialisten von Martin Schulz haben das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte verzeichnet und gaben gleich bekannt, in die Opposition zu gehen. Der Vorsitzende der SPD, Martin Schulz, sagte, bedrückend sei die Konsolidierung der AfD. Es ist ein Wendepunkt“, erklärte er. Auch als Vorsitzender des EU-Parlaments war er ein konstanter Förderer der offenen Migrationspolitik der Bundeskanzlerin Merkel. Professor Ioan Bogdan Lefter erläutert weiter:
Die Wahlen waren friedlich, die Ergebnisse voraussehbar. Die Hauptprobleme sind die Bildung einer Regierungskoalition und der Einzug der Rechtsextremen ins Parlament. Nichtdestotrotz möchte ich betonen, dass der Prozentsatz nicht allzu groß ist, das Signal ist zwar besorgniserregend, gefährdet aber auf keinen Fall die deutsche Demokratie. Wir werden sehen, was im Parlament geschehen wird. Frau Merkel bleibt eine große Spitzenpolitikerin, sie wird Deutschland und die EU, die Weltpolitik auch in den nächsten Jahren dominieren.“
Gespräche über die Regierungsbildung werden schon geführt, Politanalysten sind sich aber einig, dass die wahren Verhandlungen nach dem 15. Oktober anfangen werden. Die CDU hofft, zuerst die Kommunalwahlen in Niedersachsen zu gewinnen. Als einen ersten Schritt für die Bildung einer neuen Koalition kann die Entscheidung des Finanzministers Wolfgang Schäuble, das Amt des Bundestagsvorsitzenden zu übernehmen, betrachtet werden. Weil so eine andere Partei den neuen Finanzminister durchsetzen kann. Die FDP hat schon ihr Interesse offen bekundet.
Wolfgang Schäuble wurde während der Euro-Krise einer der einflussreichsten europäischen Politiker. Die Bundeskanzlerin hofft, dass sein Einfluss dem Amt des Bundestagsvorsitzenden mehr Sichtbarkeit verleihen wird. Wir haben aber Ioan Bogdan Lefter gefragt, inwieweit das Ergebnis der Wahl in Deutschland außerhalb der deutschen Grenzen relevant ist:
Erstens glaube ich, dass die Stabilität Deutschlands für die ganze EU gut ist und letztendlich für die ganze Welt, in konzentrischen Kreisen gesehen — für die EU, für den euroatlantischen Raum usw. Wir sprechen von einem stabilen Deutschland der letzten Jahre, des letzten Jahrzehnts und etwas mehr, seitdem Frau Merkel Bundeskanzlerin ist. Deutschland verfügt über eine starke, stabile Wirtschaft. Es ist ein Land mit einer erheblichen Vermittlerrolle, die wichtigste politische Kraft im euroatlantischen und globalen Kontext. Ein Land, das die Sparpolitik gefordert und durchgesetzt hat und das mit dieser Politik auch Ergebnisse erzielt hat.“
Zugleich müsse die Rolle Berlins als wichtigste Verhandlungs- und Entscheidungskraft in wichtigen europäischen politischen Angelegenheiten wie die Griechenlandkrise und die Flüchtlingskrise nicht vergessen werden, meint der Politikanalyst Ioan Bogdan Lefter.