Nach Brexit: Welche Rechte haben in Großbritannien lebende Rumänen?
Nach Aktivierung des Artikels 50 aus dem EU-Vertrag hat Bukarest bei den Verhandlungen zum Brexit vor allem ein Ziel vor Augen: die Einhaltung der Rechte rumänischer Staatsbürger, die in Großbritannien leben und studieren.
Corina Cristea, 14.07.2017, 17:30
Gut 250.000 Rumänen halten sich laut offiziellen Schätzungen im Vereinigten Königreich auf. Die meisten von ihnen studieren oder arbeiten dort. Was wird aber mit der rumänischen Gemeinschaft, die in allen Lebensbereichen in Großbritannien präsent ist, nach dem Brexit passieren? Zurzeit gebe es keinen Grund zu Befürchtungen, sagte der ehemalige Leiter des rumänischen Dienstes der BBC, Cristian Mititelu, im Interview mit dem rumänischen Rundfunk:
Großbritannien ist noch Mitglied der EU, und das wird in den nächsten mindestens zwei Jahren auch so bleiben, wenn nicht länger. Man wird wahrscheinlich ein Übergangsabkommen bis zum effektiven Austritt aus der Europäischen Union aushandeln. Alles weist darauf hin, dass die Rechte der Rumänen auch nach diesem bedauernswerten Bruch weiter respektiert werden. Wahrscheinlich wird es Bereiche geben, in denen die Ansprüche höher sein und in denen mögliche Arbeitnehmer ohne Arbeitsvertrag anfälliger sein werden. Davon würde ich abraten, denn wenn sie kein ordnungsgemäßes Arbeitsverhältnis eingehen und beim britischen Finanzamt nicht registriert sind, haben sie auch keinen Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung oder Sozialhilfeleistungen. Überhaupt hat selbst der britische Verhandlungsführer erklärt, dass er kurzfristig mit einer Zunahme der Einwanderungszahlen rechnet, erst langfristig werde man die Migration einigermaßen unter Kontrolle haben.“
Radu Cinpoeş ist Dozent an der Kingston-Universität in London, an der Fakultät für Kunst und Sozialwissenschaften, den Lehrstühlen für Politik, Menschenrechte und internationale Beziehungen. Dem Brexit sehe er aus der Perspektive der Rumänen in Großbritannien eher mit Pessimismus entgegen. Zu den möglichen negativen Folgen könnten das eingeschränkte Arbeitsrecht oder der erschwerte Zugang zu Sozialleistungen zählen, sagt Professor Radu Cinpoeş:
In irgendeiner Weise wird jeder betroffen sein, alle EU-Bürger werden betroffen sein. Es ist klar, dass bei den Verhandlungen der Status der EU-Bürger geregelt werden soll. Und trotz der Tatsache, dass die britische Regierung keine Garantien hinsichtlich der Bürgerrechte in Aussicht stellen wollte, wird man am Ende ein System aushandeln, das den bereits hier lebenden und arbeitenden Bürgern etwa ermöglichen wird, das auch weiterhin zu tun. Aber das wird einige Kosten verursachen. Materielle Kosten gibt es bereits, aber es werden auch andere Kosten entstehen. Wahrscheinlich werden die in Großbritannien lebenden EU-Bürger im Zuge dieses Regulierungsprozesses irgendwann die britische Staatsbürgerschaft beantragen müssen. Derzeit kostet die Einbürgerung etwa 1200 Pfund und, um ehrlich zu sein, kann sich nicht jeder diese Summe leisten. Darüber hinaus werden bis zur Einbürgerung bestimmte Rechte entfallen, etwa Arbeitslosengeld und ähnliche Dinge. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Großbritannien es sich nicht leisten kann, auf einmal auf diese Menschen zu verzichten. Es gibt Sektoren der britischen Wirtschaft, die von Arbeitern aus dem EU-Raum getragen werden. Dar Bausektor ist zum Beispiel eine Branche, die sich auf die Arbeiter aus der Europäischen Union stützt, dann das Gesundheitswesen, die Arzthelfer und so weiter.“
Derzeit leben und arbeiten in Großbritannien etwa 3,3 Millionen europäische Bürger, ruft die Senatorin Gabriela Creţu in Erinnerung, die Vorsitzende des Ausschusses für europäische Angelegenheiten. Einige von ihnen hätten bereits eine doppelte Staatsbürgerschaft, sie wären davon nicht betroffen, im Gegensatz zu den anderen, betont Crețu.
Das Arbeitsrecht sieht nicht dieselben Rechte für Ausländer wie für britische Staatsbürger vor. Weil ein britische Arbeitnehmer eine ganze Reihe von Ansprüchen hat, Rechte hinsichtlich der Erziehung der Kinder, der eigenen, lebenslangen Fortbildung, in Sachen Rente oder Arbeitslosengeld. Die ersten, die nach dem Austritt betroffen sein werden, sind diejenigen, die keine Arbeitsverträge haben. Also die, die dort selbstständig sind, denn auch sie verlieren das binnenmarkt-fundierte Recht auf Leistungserbringung in einem anderen Mitgliedsstaat. Es sind die Selbstständigen, die als erste ihre Rechte verlieren, sie werden nämlich keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld, Kindergeld, Sozialhilfe und Unterstützung vom Arbeitsamt mehr haben.“
In der anfälligsten Kategorie befinden sich auch recht viele rumänische Staatsbürger. Insgesamt seien mehr Polen als Rumänen gefährdet, allerdings ist die offizielle Zahl anhand einer ausgehandelten Schätzung auf 237.000 Personen festgelegt worden. In Wirklichkeit seien es wahrscheinlich mehr Rumänen, sagt die Senatorin Gabriela Crețu.