Nach Präsidentenwahl in der Moldaurepublik: Bleibt das Land trotzdem auf Europakurs?
Trotz seiner Ankündigung, sein Land näher an Russland zu führen und die Annäherung an Europa wieder rückgängig zu machen, dürfte Igor Dodon es dennoch nicht leicht haben, seine Wahlversprechen zu erfüllen.
Bogdan Matei, 18.11.2016, 17:30
Der Gewinner der Präsidentenwahl in der Moldau vom vergangenen Sonntag kann seinen Sieg nicht in vollen Zügen genießen. Der prorussische Sozialist Igor Dodon sieht sich zum einen mehreren Gerichtsklagen seitens der geschlagenen Gegenkandidatin, der proeuropäischen Reformistin Maia Sandu, ausgesetzt. Zum anderen hat die Zivilgesellschaft mehrere Protestaktionen auf der Straße organisiert.
Der einstige Lehrling im Schatten des kommunistischen Ex-Präsidenten Vladimir Voronin, der Ökonom Igor Dodon, ist mit nur 41 Jahren zur Nummer Eins in Chişinău aufgestiegen. Zum ersten Mal in zwanzig Jahren wählten die Bürger der Moldau ihren Staatschef direkt. Bislang hatte das Parlament den Präsidenten ernannt.
Laut Angaben der OSZE, die den Wahlkampf und die Abstimmung beobachtet hat, sei die Finanzierung der Kandidaten nicht transparent gewesen. Zudem hätten zahlreiche Personen aufgrund fehlender Wahlzettel ihre Stimme nicht abgeben können. Interne Beobachter bezichtigen die Einschränkung des Wahlrechts der Auslandsmoldauer. Außerdem verweisen sie auf die organisierten Wahlreisen mit Bussen in der prorussischen und separatistischen Region Transnistrien im Osten des Landes.
Nach dem Urnengang bekannte sich Dodon im Interview mit der Moskauer Zeitung Iswestja, dem früheren Amtsblatt der Sowjetunion, zu seinen Wahlkampfthemen. Die Neuausrichtung Chişinăus zur Union Russland-Weißrussland-Kasachstan hin, die Idee von einem Referendum zur Aufkündigung des Assoziierungs- und Freihandelsvertrags mit der Europäischen Union und der versprochene Antrittsbesuch in Moskau — das alles hat nach wie vor Bestand im diplomatischen Menü des Sozialistenchefs.
Professor Iulian Chifu vom Zentrum für Konfliktprävention Early Warning und ehemaliger Sonderberater des rumänischen Präsidenten spielt im Interview mit Radio Rumänien den Ausgang der Wahl etwas herunter.
Was die Republik Moldau anbelangt, dort sind wir in der Tat in einer anderen Dimension. Es geht um einen Staat, der sich ohnehin auf einer Spalte befand, wobei die Wahl von Igor Dodon zum Präsidenten nicht die beste Nachricht aus Bukarester Sicht ist, wenn man seine Vergangenheit und die Behauptungen aus dem Wahlkampf bzw. sein Wahlprogramm berücksichtigt. Gleichzeitig reden wir aber von guter Nachbarschaft, es geht um einen Nachbarstaat und eine Regierung sowie um ein Parlament, die nach wie vor proeuropäisch sind. Auch wenn der gewählte Präsident Dodon sich Neuwahlen und anschließend eine uneingeschränkte Machtübernahme wünscht. Wir werden alles abwägen und die kommenden Monate abwarten müssen, um zu sehen, wie sich die Politik der beiden Staaten setzt. Aber ich sage es erneut: Solange es eine Kontinuität für die Hauptakteure gibt, ist es eher unwahrscheinlich, dass wir extrem starke Entwicklungen beobachten werden.“
Die Experten in Chişinău warnen derweil von Turbulenzen in der Außenpolitik der Moldaurepublik, berichteten Radio-Rumänien-Korrespondenten. In der Innenpolitik werde Dodon womöglich seine Wahlversprechen nicht einhalten können, da die finanzielle Unterstützung aus dem Westen kommt — von dem IWF, der Weltbank, der Europäischen Union und dem benachbarten Rumänien. Das hinderte Dodon im Laufe der Zeit aber nicht daran, eine virulent anti-rumänische Rhetorik zu verwenden. Er drohte unter anderem, Gruppierungen verbieten zu lassen, die für die Wiedervereinigung mit Rumänien plädieren. Auch drohte er den Moldauern, die zugleich rumänische Staatsbürger sind, mit dem Entzug der moldauischen Staatsbürgerschaft oder gar mit der Veränderung der Staatsflagge, die fast identisch mit der Rumäniens ist. Das werde sich Rumänien aber nicht gefallen lassen, glaubt der in Chişinău lebende Politik-Experte Octavian Ţîcu:
Bukarest wird seinen moldauisierenden Diskurs nicht schlucken. Ich glaube, hier geht es eher um eine Falle, sowohl für die Sozialistische Partei als auch für Igor Dodon selbst. Angesichts der Unfähigkeit, die Wahlversprechen einzulösen, werden sie einen Untergang erleben, wie ihn die Kommunistische Partei hierzulande auch erlebt hat.“
Rumäniens Präsident Klaus Iohannis beschränkte sich indes darauf, in einer Mitteilung zu bestätigen, dass er die Wahl der Bürger in der Republik Moldau zur Kenntnis genommen habe“. Darin plädierte er ferner für die Gewährleistung der internen Stabilität. Auch die rumänische Regierung drückte ihre Hoffnung aus, dass die Institutionen der Moldau weiterhin auf dem Weg nach Europa zusammenarbeiten werden. Dodons Name wird in keiner der beiden Mitteilungen erwähnt. Iohannis spricht lediglich vom neuen Präsidenten der Republik Moldau“. Dieser solle seine Amtszeit weise und ausgeglichen angehen.
Professor Chifu warnt jedoch vor dem Machtstreben der ex-kommunistischen Sozialisten unter dem neuen Staatschef.
Zurzeit ist Dodons Machtstellung als Präsident offensichtlich von der Verfassung eingeschränkt. Wir dürfen aber einen wichtigen Aspekt nicht vergessen. Igor Dodon hat immer noch die stärkste Partei des Landes hinter sich, es ist die größte Oppositionspartei, die derzeit auch einen Aufschwung erlebt infolge des Wahlsiegs. Darin besteht die reelle Macht Dodons, er ist ein Vladimir Voronin mit einer großen Partei, die noch keinen Zugang zur Macht hat. Es liegt in seinem Interesse als Politiker mit Instinkten, die ganze Macht in der Moldau an sich zu reißen.“
Andere Beobachter behaupten sarkastisch, dass jeder fähige Politiker sich eher eine Teilung der Macht und damit der Verantwortung wünschen würde — in einem Land wie die Moldau, die als ärmster Staat Europas gilt.