Masernepidemie bei Kindern: Sind Impfverweigerer schuld?
Rumänien gehört zu den unrühmlichen Spitzenreitern in der EU in Sachen Kindersterblichkeit bei Kindern unter fünf Jahren. Das geht aus Daten der UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation hervor.
Corina Cristea, 07.10.2016, 20:14
Die Organisation Save the Children legte am 3. Oktober ihren sogenannten regelmäßigen Alternativbericht dem UN-Ausschuss für die Rechte der Kinder in Genf vor. Darin wird eine erhöhte Kindersterblichkeit in den ländlichen Gebieten Rumäniens aufgezeigt, bei der Ursachenforschung wird hauptsächlich auf den erschwerten Zugang zu medizinischer Versorgung hingewiesen bzw. die große Entfernung zu den Ortschaften mit Krankenhäusern sowie den niedrigen Bildungsstand der Mütter und die niedrigen Einkommen der Haushalte.
Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass fast die Hälfte (48%) der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren vermeidbar gewesen wären. Die Untersuchung von Save the Children hat auch eine abnehmende Impfrate und den schwachen Zugang zu ärztlichen Dienstleistungen festgestellt, vor allem bei Kindern aus ländlichen Gebieten und Roma-Familien. Bei mehreren Arten von Impfungen beträgt in Rumänien die Deckungsrate unter 75%, während die Weltgesundheitsorganisation über 95% empfiehlt. Es sei wichtig, seine Kinder zu impfen, sagt auch Alexandru Rafila, der Präsident der Gesellschaft für Mikrobiologie in Bukarest.
Die flächendeckenden Impfungen, die weltweiten Kampagnen, haben Hunderte von Millionen von Leben gerettet, Hunderte von Millionen von Kindern, die unter den schweren Spätfolgen der Krankheiten gelitten hätten, denen wir durch Impfungen vorbeugen können. Zurzeit sind bestimmte Krankheiten in Europa zumindest, in den USA, in Nordamerika, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt, praktisch ausgerottet. Es gibt nur noch seltene oder gar keine Fälle von Erkrankungen in diesen Fällen und deshalb fragen sich die Leute heute schon — warum müssen wir uns impfen, wenn es die Krankheit praktisch nicht mehr gibt?
Die Leute müssen aber wissen, dass es die Krankheit nur dann nicht mehr gibt, oder nur dann selten auftritt, wenn weiter geimpft wird.“
Die Impfungen retteten also Leben, erklären die Gesundheitsexperten. Sie appellieren an die Bevölkerung, die obligatorischen Impfkampagnen zu befolgen, etwa angesichts der immer häufigeren Masernerkrankungen in Rumänien. Es handelt sich hierbei um über 700 Fälle von Masern, drei Kinder starben bereits wegen der Erkrankung. Wie schlimm ist es also um die Impfungen in Rumänien bestellt, wollten wir von Alexandru Rafila wissen.
Die Lage ist schlimm, da wir von Jahr zu Jahr eine niedrigere Deckungsrate bei Impfungen feststellen. In bestimmten Regionen, in der Landesmitte oder im Westen und Nordwesten verzeichnen wir inzwischen sehr niedrige, ja gar besorgniserregende Quoten: Dort sind nur 50-60% der Kinder geimpft. Und Sie sehen, was passieren kann — in diesem Jahr ist eine Masernepidemie ausgebrochen, die sich nach wie vor weiter ausdehnt. Und sie ist genau auf die niedrigere Anzahl der Impfungen zurückzuführen. Die ungeimpften Kinder ermöglichen die Verbreitung der Masernviren in ihrem Kreis. Besonders schwerwiegend ist die Tatsache, dass sich auch Kinder unter einem Jahr anstecken können — denn bei ihnen wird die Impfung nicht empfohlen. Die Impfung gegen Masern wird erst bei Erreichen des ersten Lebensjahres empfohlen. Und weil der Virus in Umlauf ist und auch die älteren Kinder sich anstecken, übertragen sie die Krankheit möglicherweise auf die Kinder unter einem Jahr, die anfälliger sind. Leider gab es in diesem Jahr auch drei gemeldete Todesfälle.“
Hausärzte und Vertreter des Gesundheitsministeriums verurteilen die Weigerung mancher Eltern, ihre Kinder zu impfen. Sie versichern, dass die mit dem Landesimpfungsprogramm angestrebte Immunisierung zur Ausrottung schwerer und lebensgefährlicher Krankheiten führen kann. Hier sei vor allem der Zugang zu relevanten Informationen wichtig, glaubt Alexandru Rafila.
Die Öffentlichkeit muss verstehen, dass, wenn eine verantwortungsbewusste Entscheidung über die Gesundheit der Kinder getroffen werden muss, man sich aus professionelle Quellen informieren sollte. Anders ausgedrückt muss man sich an die ärztlichen Fachkräfte aus den Bereichen Epidemiologie, Infektionskrankheiten oder Mikrobiologie wenden — und dann können natürlich auch Hausärzte und Kinderärzte über den Nutzen einer Impfung Auskunft geben. Man sollte sich nicht aus zufällig im Internet gefundenen Quellen informieren. Leider gibt es auch Personen, die ein Medizinstudium absolviert haben, den Arztberuf aber nicht ausüben und trotzdem falsche Informationen verbreiten. Sie haben gar keine Befugnisse, sie verbreiten unwahre Informationen und eine Debatte mit wissenschaftlichen Argumenten würde ihren Theorien keine Glaubwürdigkeit verleihen.“
Es müsse aber etwas getan werden, sagt der Präsident der Gesellschaft für Mikrobiologie weiter. Es müsse eine gesetzliche Lösung gefunden werden, damit die Versorgung mit Impfstoffen ohne Unterbrechungen stattfindet. Die Lösung könnte auch die Finanzierung einer ständigen Informationskampagne beinhalten, empfiehlt Rafila noch. Denn die spärlichen Informationen, die jetzt zur Verfügung stünden, seien nicht ausreichend. Eltern müssten verstehen, dass die Nebenwirkungen von Impfungen in den seltensten Fällen auftreten würden. Indes würden die Impfverweigerer ihre Kinder und die Kinder anderer der Gefahr einer Ansteckung mit vermeidbaren Infektionskrankheiten aussetzen.