WHO ruft wegen Zika globalen Notstand aus
Während Europa mit der Flüchtlingskrise alle Hände voll zu tun hat, braut sich in Südamerika eine Epidemie zusammen.
Corina Cristea, 12.02.2016, 17:44
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die europäischen Länder aufgefordert, sich angesichts des nahenden Frühlings und Sommers schon jetzt auf eine mögliche Zika-Epidemie vorzubereiten. Die Infektion scheint auf einen ersten Blick eher relativ harmlos zu verlaufen, doch verdächtigen Ärzte, dass sie im Falle von schwangeren Frauen schwere Gehirnschäden der ungeborenen Kinder verursacht. Das Virus hat besonders Südamerika und dort Brasilien getroffen, doch Erkrankungen wurden auch in Europa bei Personen gemeldet, die Südamerika besucht hatten. Für Rumänien stellt Zika vorerst keine große Gefahr dar, versichert der Präsident der rumänischen Gesellschaft für Mikrobiologie, Alexandru Rafila:
Es ist für uns momentan kein angsterregendes Virus. Es verursacht Erkrankungen in den tropischen Gebieten auf dem amerikanischen Kontinent; die Krankheit verläuft leicht und verheilt ohne Behandlung. Was den Gesundheitsbehörden in den betroffenen Ländern zu bedenken gibt, ist die eventuelle Verbindung zwischen der Zika-Infektion und den angeborenen Gehirnanomalien bei von kranken Müttern geborenen Kindern. Die Zahl der Schädelfehlbildungen hat alarmierend zugenommen.”
Der Zika-Erreger wurde zum ersten Mal 1947 in Uganda bei Rhesusaffen entdeckt. 1952 wurde er bei Menschen in Uganda und Tansania festgestellt. Die Geschwindigkeit, mit der sich die Erkrankungen jetzt verbreiten, ist allerdings alarmierend. Die ersten Fälle wurden im Mai letzten Jahres gemeldet, heute sind offenbar rund 1,5 Millionen Menschen angesteckt worden. Eine bestimmte Art Mücke soll den Erreger übertragen, sagt Alexandru Rafila:
Die Moskitos übertragen die Krankheit von einem angesteckten auf einen nicht angesteckten Menschen. Bei den weitaus meisten Infizierten erscheinen keine Symptome, Patienten, die die aggressivere Form kriegen, haben Fieber, Gelenkschmerzen und entzündete Augen — doch die Infektion vergeht in wenigen Tagen ohne Behandlung. Dokumentiert ist zudem die Übertragung von der Mutter auf den Fötus.”
Doch brasilianische Forscher vermuten, dass Zika sich auch anders übertragen lässt. Sie haben bereits das aktive Virus in Speichel- oder Urinproben von Patienten entdeckt — das könnte bedeuten, dass die Krankheit sich auch über Niesen, Husten oder Küssen verbreiten kann. Gegenwärtig gibt es noch keinen Impfstoff gegen Zika, Experten rechnen, dass es ein weiteres Jahr dauert, bis einer entwickelt wird. Mehrere Pharmakonzerne haben angekündigt, an einem Antidot zu arbeiten. Die Europäische Arzneibehörde EMA hat ein Elite-Team einberufen, um den Pharmabetrieben und Ärzten beizustehen, die nach einem Impfstoff suchen oder Kranke behandeln. Zika wäre anderen tropischen Viren ähnlich — Dengue, Amaryl oder West Nile. Für diese gibt es bereits Impfstoffe oder die Forschung steht kurz vor einem Durchbruch. Die hohe Verbreitungsgeschwindigkeit setzt jetzt die Wissenschaftler unter Druck. Die WHO schätzt, dass in 2016 rund vier Millionen Menschen auf dem amerikanischen Kontinent angesteckt werden können. WHO-Chefin Margaret Chan nannte Zika ein „außerordentliches Ereignis“, eine globale Bedrohung, die eine entsprechende Reaktion erfordert:
Wir brauchen einen koordinierten internationalen Ansatz, um das Risiko in den bereits betroffenen Ländern zu reduzieren und eine eventuelle Verbreitung aufzuhalten. Unsere Experten sind zu Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, um Zika zu einem globalen Gesundheitsnotfall zu erklären.”
Parallel zu den Versuchen, einen Impfstoff zu entwickeln, haben die Länder in Süd- und Lateinamerika zur Bekämpfung des Erregers mobilgemacht. Brasilien setzt in einem Pilotprojekt genmodifizierte Mücken ein. Bei der Paarung übertragen sie ein tödliches Gen, so dass ihre Nachkommen sterben, bevor sie ihrerseits geschlechtsreif sind. In der Dominikanischen Republik rückte das Militär gegen die Tigermoskitos an und versucht, die Luftfeuchtigkeit zu reduzieren. In Frankreich haben Gesundheitsbehörde neulich beschlossen, dass Reisende aus den betroffenen Gebieten 28 Tage nach der Rückkehr nicht Blut spenden dürfen, um das Risiko der Übertragung durch Blutkonserven zu minimieren. Inzwischen brodelt es aber auch in der Gerüchteküche. Eine Theorie besagt beispielsweise, dass die gegenwärtige Zika-Seuche ausgebrochen ist, nachdem in Brasilien genmodifizierte Moskitos freigesetzt wurden, um Dengue Fieber und andere Infektionskrankheiten zu bekämpfen.