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Brandunglück: Schwerwiegende Lücken in Verwaltung, Gesetzgebung und Brandschutz

Rumänien wird den 30. Oktober 2015 niemals vergessen. Viele junge Menschen wollten ihr Wochenende mit einem angenehmen Konzertbesuch einleiten – der Rockabend wurde am Ende zum schlimmsten ihres Lebens.

Brandunglück: Schwerwiegende Lücken in Verwaltung, Gesetzgebung und Brandschutz
Brandunglück: Schwerwiegende Lücken in Verwaltung, Gesetzgebung und Brandschutz

, 13.11.2015, 18:32

Für einige Dutzend junger Menschen sollte es der letzte Abend ihres Lebens werden. Für weitere Dutzend bedeutete er den Eintritt in eine neue Lebensphase, die von komplizierten und unvorhersehbaren ärztlichen Eingriffen, physischem und psychischem Leiden geprägt sein wird. Die Tragödie im Bukarester Nachtclub Colectiv veränderte innerhalb von Minuten das Schicksal Hunderter Menschen, der Albtraum der Nahestehenden der Opfer hält bis heute an.



Der Unfall brachte zahlreiche schwerwiegende Lücken in Verwaltung, Gesetzgebung und Brandschutzregelungen ans Licht. Das Geschehene rief Emotionen aus, führte zur Solidarisierung mit den Opfern und war Auslöser einer beispiellosen Revolte gegen diejenigen, die als schuldig gelten. Die Behörden haben Kontrollen bei allen Lokalen in Rumänien durchgeführt. Laut Angaben von Experten respektierten nur knapp 10% die gesetzlichen Auflagen im Bereich. In der Altstadt von Bukarest etwa würden bei einem Erdbeben Tausende von Menschen ihr Leben verlieren.



Die Architektenkammer Rumäniens schlägt derweil Alarm — der Brand im Colectiv-Club lässt auf Unzulänglichkeiten und schwerwiegende Fehler im Genehmigungsverfahren und bei der Anwendung der Brandschutzkriterien schlie‎ßen. Rumäniens Gro‎ßstädte stünden aus Sicht der Architektur schlecht da, erklärt Şerban Ţigănaş, der Vorsitzende der Architektenkammer Rumäniens:



Eine Schwachstelle ist der Rechtsrahmen für die bauliche Tätigkeit. Auch Rumänien zollt hier einer Denkweise Tribut, die wir noch nicht hinter uns lassen konnten. Man legt nicht viel Wert auf die sogenannten Softelemente, oder die Elemente, die sich nicht so leicht bewerten und messen lassen. Etwa die holistische Qualität der Architektur. Man überlegt sich nur, was wichtig ist, damit einem das Haus bei einem Erdbeben nicht auf den Kopf fällt, damit es dich nicht mit der Zeit tötet und dass auf den Wänden eine ausreichend dicke Styropor-Schicht klebt, damit keine Wärme verloren geht — und das wär’s auch schon. Wir haben also in diesem Bereich rudimentäre, unausgewogene Regelungen.



Das zweite gro‎ße Problem ist die Art und Weise, in der die Gesetze eingehalten werden. Die Gesetze haben offenbar auch gute Ansätze, die logisch aufgebaut sind. Rumänien sieht sich aber oft mit Engpässen in der Kontrolltätigkeit konfrontiert, bei den Inspektionen und allen nachbereitenden Ma‎ßnahmen wie etwa Bu‎ßgelder und Ordnungswidrigkeiten oder was auch immer. Und mit dieser Sachlage hat sich jeder Bürger angefreundet. Man kann bauen und von der Genehmigung abweichen, denn da passiert nicht viel. Und das ist eine Katastrophe.



Das dritte Problem hängt mit der Erziehung zusammen und hier gibt es zwei Teilbereiche: unsere Ausbildung, also die der Berufsgruppe, die ebenfalls unter dem Druck der schwindenden Effizienz und Kohärenz leidet. Und zweitens der allgemeine Bildungsstand. Man kann in einem Land keine gute Architektur haben, wenn die Kunden nicht gut sind. Und ein guter Kunde zu sein, bedeutet, dass man auf den Bedarf einer hochwertigen Raumnutzung besteht, also auf den Bedarf einer richtigen Architektur. Und nicht so zu sein wie die Kunden in Rumänien, die als aller erstes gewöhnt sind, auf das ursprüngliche Projekt zu verzichten, um Kosten zu sparen.“




Der Kostenfaktor dürfte auch für die Besitzer des Colectiv-Club eine Rolle gespielt haben. Sie wählten ein billigeres Material, das für die Schalldämmung nicht adäquat war. Der eingesetzte Schaumstoff fing aufgrund des während des Konzerts eingesetzten Feuerwerks Feuer, ein Feuer, das sich innerhalb einer Minute auf die gesamte Decke ausgebreitet hatte. Dicker und hochgiftiger Rauch verursachte im Anschluss innere Verbrennungen.



Inzwischen wurde das Gesetz über die Genehmigungen für Nachtclubs verschärft. Die Bu‎ßgelder wurden erheblich erhöht. Eigentümer, die die Regeln nicht einhalten, machen sich strafbar, und die entsprechenden Lokale werden geschlossen.



Die Zivilgesellschaft hat sich unterdessen in beispielloser Manier mobilisiert. Zehntausende zündeten Kerzen und legten Blumen am Unglücksort zum Gedenken an die Opfer, sie organisierten Schweigemärsche als Zeichen der Solidarität mit den Nahestehenden und Verwandten der Opfer. Ebenfalls im Zeichen der Solidarität spendeten Tausende Bukarester Blut. Die Leiterin des Zentrums für Bluttransfusionen, Doina Goşa, sprach von einer noch nie da gewesenen Aktion:



Es ist eine beeindruckende Mobilisierung, ich habe das ganz ehrlich bislang noch nie so erlebt. Alle wollen spenden und irgendwie helfen… Die Menschen haben sehr einfühlsam auf diese Tragödie reagiert. Und auch die Tatsache, dass sie jung waren, die meisten von ihnen waren junge Menschen, die in so jungem Alter gestorben sind oder schreckliche Verbrennungen erlitten haben. Denn es ist sehr wohl bekannt, Verbrennungen verursachen den grö‎ßtmöglichen Schmerz. Alle Medien haben davon berichtet, dass die Ärzte, die Erste Hilfe geleistet haben, auch mit den jungen Opfern mitgelitten haben. Und sie sind ja geübt in solchen Notsituationen, das ist ihre Arbeit, sie retten Menschen nach Verkehrsunfällen und sind es also gewöhnt. Trotzdem haben auch die Ärzte gelitten.“



Die Tragödie im Colectiv-Club brachte Zehntausende von Menschen in Bukarest und anderen Städten in Rumänien und im Ausland auf die Stra‎ße. Sie forderten die Reform der gesamten politischen Klasse. Infolge der Proteste trat die Regierung von Ministerpräsident Victor Ponta zurück.

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