Ein neuer Kalter Krieg?
Russland und die NATO agieren zunehmend in einer Logik, die an die Zustände im Kalten Krieg erinnert.
Corina Cristea, 19.06.2015, 18:07
Als Mitglied der NATO seit 2004, stimmt Rumänien seine militärische Strategie mit den alliierten Partnern ab. In diese Logik passen auch die Initiativen zur Verstärkung der Defensivsysteme und die Übungen, an denen rumänische Soldaten und ihre Kameraden aus den NATO-Staaten teilnehmen. Der rumänische Generalstabschef, Generalleutnant Nicolae Ciucă:
„Schon von Anfang an war das Jahr 2015 gekennzeichnet von der Entscheidung, die beim NATO-Gipfel in Wales beschlossenen Maßnahmen umzusetzen. Diesen Plan setzen jetzt nach der politischen Entscheidung die Soldaten um. In diesem Kontext wurden mehrere Übungen geplant, organisiert und durchgeführt – im Moment laufen Übungen in Rumänien und im Ausland, weitere Manöver sind für die zweite Hälfte des Jahres 2015 vorgesehen.“
Über 1.000 Angehörige der Streitkräfte aus 25 NATO-Ländern nehmen im Moment auf dem Militärgelände in Cincu im Zentrum von Rumänien an einer kollektiven Verteidigungsübung teil. Zum ersten Mal in der Geschichte der Allianz wird dafür eine NATO-Befehlsstelle zeitweilig nach Rumänien verlegt. Die Übung gehört zu einer großen Operation der der NATO, bei der an der Ostgrenze des Bündnisses fast 14 Tausend Soldaten mobilisiert sind. An dieser Ostgrenze schwelt weiterhin der Konflikt in der Ostukraine, der den Entscheidungsträgern in der NATO Kopfzerbrechen bereitet. Doina Saiciuc, Korrespondentin von Radio Rumänien in Washington zitiert den Sprecher des Pentagons, Oberst Steve Warren mit der Aussage, dass die USA ihre Ausrüstung positioniert haben, um an Übungen mit verschiedenen Partnerländern teilzunehmen. Aus Washington gesehen sieht die Lage weiterhin kompliziert aus:
„Die Lage ist sehr angespannt, wir müssen üben und unsere Fähigkeit zu einem schnellen Einsatz der Kräfte ausbauen. Dabei arbeiten wir mit dem jeweiligen Standortland zusammen um sicherzugehen, dass im Ernstfall kein NATO-Land von Instabilität bedroht wird. Um diese Übungen durchführen zu können, brauche wir schwere Waffensysteme. Bislang haben wir diese Systeme weder in den baltischen Staaten, noch in Polen oder Rumänien zum Einsatz gebracht. Sie waren in Deutschland und dem restlichen Westeuropa stationiert, ein Vermächtnis des Kalten Krieges. Nun müssen wir uns neu positionieren, und die Verlegung der schweren Systeme ist Teil der Strategie“.
Moskau reagiert erwartungsgemäß nervös auf die Politik der USA und der NATO im Osten Europas. Das russische Außenministerium bewertete die Pläne der USA, Panzer nach Osteuropa zu verlegen, als Verletzung der schon 1997 getroffenen Vereinbarungen – die NATO habe sich engagiert, Waffensysteme in den von der Vereinbarung umfassten Länder nicht auf Dauer zu stationieren. „Die USA haben antirussische Gefühle bei ihrem europäischen Verbündeten angestachelt und profitieren vom Moment, ihre Militärpräsenz und damit auch ihren Einfluss in Europa auszubauen“, heißt es in Pressemitteilungen der Behörde in Moskau. Vor diesem Hintergrund will Russland jetzt sein Atomarsenal mit 40 neuen Raketen aufstocken, die jedes Abwehrsystem durchbrechen können, so Russlands Präsident Wladimir Putin:
„Wenn jemand unsere Gebiete bedroht, müssen wir unsere Kräfte und moderne Angriffskapazitäten in Richtung der Bedrohung orientieren. Was können wir denn tun? Die NATO kommt unseren Grenzen näher, wir ziehen nirgendwo um. Wir sind über die Erweiterung des Raketenabwehrsystems besorgt, das ist ein Problem von strategischer Wichtigkeit.“
Putins Ankündigung wurde im Westen als „destabilisierend und gefährlich“ aufgenommen. Auf einer Pressekonferenz in Brüssel erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass Russlands Rhetorik durchaus erklärt, warum die NATO ihre Schutzvorkehrungen in Osteuropa verstärkt: „Dieses nukleare Säbelrasseln ist ungerechtfertigt, destabilisierend und gefährlich. Wir versuchen dieses Problem zu lösen und haben deshalb die Reaktionsfähigkeit unserer Kräfte intensiviert. Auch in Zukunft will die NATO ein Bündnis bleiben, das ihre Mitglieder vor jeder Bedrohung schützt.“
US-Außenminister John Kerry sagte, dass niemand zurück zum Kalten Krieg wolle. Und auch Russland schaltet inzwischen auf Deeskalation – die Vernunft werde hoffentlich triumphieren und die Situation in Europa werde nicht in eine Konfrontationslogik geraten, die gefährliche Konsequenzen haben könnte, hieß es aus Moskau.