Flüchtlingsdrama: Wieviele Flüchtlinge und Asylbewerber kann Rumänien aufnehmen?
Das Flüchtlingsdrama beschäftigt derzeit die Europäische Union. Brüssel will afrikanische Flüchtlinge und Asylbewerber nach einer bestimmten Quotenregelung an alle Mitgliedstaaten verteilen. Ist Rumänien bereit, sie aufzunehmen?
Corina Cristea, 12.06.2015, 19:05
Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der Flüchtlinge, die seit Jahresbeginn in Booten über das Mittelmeer nach Europa fliehen wollten, auf 60.000. Davon sollen 1.800 ertrunken sein. Sie stammen aus Ländern wie Libyen, Eritrea, Syrien, Nigeria und Somalia, wo Armut und Konflikte herrschen. Selbst wenn es der EU nicht gelingt, die Ursachen dieses Phänomens zu bekämpfen, sucht sie doch nach Lösungen, die Auswirkungen richtig zu managen. Die EU-Staaten, die die Herausforderungen der Migration zu bewältigen versuchen, fordern auch die anderen Mitglieder dazu auf, dabei mitzumachen. Italien gilt als erstes Zielland der Flüchtlinge und hatte bereits nach der Tragödie in Lampedusa die anderen EU-Mitglieder um Hilfe gebeten.
Nach einem neuen Flüchtlingsdrama im Frühjahr, bei dem 800 Menschen starben, versprachen die EU-Staats- und Regierungschefs mehr Geld für Rettungsaktionen im Mittelmeer. Die dreifache Aufstockung des Haushalts sei ein wichtiger Schritt für die gemeinsame EU-Aktion, der wahre Test komme aber noch: Es handele sich um mehr Sicherheit für die Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen wollen. Äußerst bedeutend sei zudem die Gründung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, verlautbarte die UN-Flüchtlingsagentur. Die Europäische Union versucht, im Rahmen einer Quotenregelung Flüchtlinge umzuverteilen und fordert ihre Mitglieder auf, sie aufzunehmen. Die Pläne Brüssels zur Flüchtlingsverteilung über Quoten stoßen bei einigen Mitgliedstaaten auf Ablehnung, darunter insbesondere Großbritannien. Die Verteilung der Flüchtlinge in ganz Europa werde hingegen die nachkommenden Migrantenströme nicht abschwächen, denn sie seien Opfer eines blühenden Menschenhandels, begründet die britische Regierung ihre Stellungnahme.
Die Verzweiflung, die Manipulierung und die Gewalt denen sie ausgesetzt werden, veranlassen zahlreiche afrikanische Flüchtlinge, auf der Suche nach einem besseren Leben den Schleppern große Geldbeträge zu zahlen. Der konkrete Plan der Europäischen Union lautet: Die EU-Mitglieder, darunter auch Rumänien, müssen in den kommenden zwei Jahren 40.000 Asylsuchende aus Syrien und Eritrea aufnehmen, um Griechenland und Italien zu entlasten. Darüber hinaus sollen in den kommenden zwei Jahren 20.000 Flüchtlinge von außerhalb der EU aufgenommen und verteilt werden. Laut dem Plan Brüssels sollen die Flüchtlinge zum größten Teil von Deutschland und Frankreich aufgenommen werden, während die geringste Zahl an Zypern und die Slowakei verteilt werden soll. Deutschland hat allein im Vorjahr 250.000 Asylanträge bewältigen müssen. Die Maßnahme benötigt die Zustimmung der Mitgliedstaaten und diese zeigen sich doch eher zurückhaltend.
Wird der neue Aktionsplan Brüssels die Europäische Union spalten? Der Leiter des Zentrums für Konfliktprävention, Iulian Chifu, betonte, es handele sich nicht um einen Plan, sondern eher um einen Vorschlag:
Die Entscheidung soll alleine von den EU-Staaten getroffen werden. Es gibt Staaten, die auch bislang Flüchtlinge aufgenommen haben und es nun für unmöglich halten, dass Brüssel ihnen eine neue Quote aufzwingt. Das Thema muss noch besprochen werden. Die EU-Partnerstaaten müssten auch mitmachen. Länder wie Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten sollen für die Selektionsbereiche sorgen, nicht Europa. Sie sollten zudem auch zur Abschaffung dieses Menschenhandels als einträgliches Geschäft einen deutlichen Beitrag leisten. Wir haben zusammen mit dem europäischen Informations- und Frühwarnsystem Early Warning einen Bericht erstellt, der verdeutlicht, dass dieses Geld zum größten Teil in den Haushalt der Terrormiliz Islamischer Staat und der Radikalbewegungen aus Libyen fließt.“
Ist Rumänien bereit, mehr als 2.000 Flüchtlinge aufzunehmen? Die Programmkoordinatorin der rumänischen Vertretung der Internationalen Organisation für Migration (IOM), Maria Voica, erläutert:
Unsere bisherige Erfahrung angesichts der Aufnahme und Integration von Schutz- und Asylbewerbern beweist, dass eine derartige Zahl in Rumänien schwer zu bewältigen wäre. Wir verfügen aktuell über eine deutlich reduzierte Kapazität, sie einzuquartieren, sie sprechen kein Rumänisch und von daher müssen wir deutliche Ressourcen investieren, damit sie auf dem Arbeitsmarkt absorbiert werden. Zudem sind sie höchstwahrscheinlich keine qualifizierten Arbeitskräfte, in ihren Konfliktländern ist ein beruflicher Werdegang nur schwer vorzustellen. Es fällt mir so schwer, zu glauben, dass Rumänien diese Zahl von Flüchtlingen bewältigen könne.“
Es wäre noch zu erwähnen, dass Rumänien bereits Flüchtlinge aus der Ukraine aufnimmt, die nicht auf andere europäischen Staaten verteilt werden.