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Das Leben der Roma in Rumänien und in Europa

Wie sieht das Leben der Roma als EU-Bürger aus? Erfreuen sie sich derselben Rechte wie andere europäische Bürger oder nicht?

Das Leben der Roma in Rumänien und in Europa
Das Leben der Roma in Rumänien und in Europa

, 01.08.2014, 15:56

Mit einer in der diplomatischen Welt nicht üblichen Vehemenz gab sich die schwedische Ministerin für Angelegenheiten der Europäischen Union, Birgitta Ohlsson, verärgert, traurig und enttäuscht, dass die Rumänen sich geweigert hätten, eine von Schweden vorgeschlagene Initiative zur Verhinderung von Bettelaktivitäten der Roma in ganz Europa auf eine multinationale Ebene zu bringen. Schweden will eine europäische Task Force zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Roma in Rumänien ins Leben rufen. Die schwedische Regierung hat in den vergangenen Monaten Verhandlungen mit Rumänien geführt. Die Gespräche seien aber am Unwillen Bukarests gescheitert, sagte Europa-Ministerin Birgitta Ohlsson gegenüber der Tageszeitung Dagens Nyheter.



Die Erklärungen der schwedischen EU-Ministerin sind symptomatisch für den falschen Eindruck einiger westlicher Länder über die tatsächliche Lage der rumänischen Roma. Schon vorher äu‎ßerten die Verantwortlichen in Rom, Paris, Brüssel oder London Vorwürfe gegen die Passivität oder Gleichgültigkeit der Bukarester Regierung in punkto Roma-Integration, und ein Teil der europäischen Medien und Politiker versuchen diese Position als durchaus und ausschlie‎ßlich rumänisch zu akkreditieren. Die Zahlen zeigen aber etwas Anderes. Von den etwa 12 Millionen Roma auf dem europäischen Kontinent, leben nur 620.000 in Rumänien; das sind etwa 3,3% der Landesbevölkerung. Die Situation dieser Volksminderheit, der zahlreichsten in Europa, die keinen Heimatstaat hat, der sie schützen könnte, ist seit langem zum europaweiten Problem geworden. Überall in Europa müssen die Roma unter Vorurteilen leiden; sie werden zu Opfern der übertriebenen Dienstbeflissenheit der französischen Gendarmen oder der völkerfeindlichen Rhetorik der ungarischen Rechtsextremisten. Im besten Fall werden die Roma als pittoreske, bunte Erscheinung betrachtet; meistens werden sie aber mit Faulheit, Verbrechen, Schmutz und Unordnung assoziiert. Auch wenn die aus dem Nordwesten Indiens abstammenden Roma schon vor ein Tausend Jahren nach Europa gekommen sind, bleiben sie immer noch ein fremder Körper, ein Dorn im Auge vieler europäischer Länder. Mit strengen, aber genauen Worten sagte der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso:



Viele Roma leben immer noch in Armut und in vielen europäischen Ländern werden sie von der Gesellschaft marginalisiert. Es ist inakzeptabel, dass in gewissen europäischen Städten die Roma-Kinder nur in Schulen für behinderte Kinder angemeldet werden dürfen; auf diese Weise werden sie jeder Chance beraubt, eine richtige Ausbildung zu genie‎ßen, ihr Potential zu erreichen und später zu ihrem wahren Wert beschäftigt und bezahlt zu werden. Es ist inakzeptabel, dass die Roma weiterhin diskriminiert werden: in den Krankenhäusern, in den Schulen, bei den Vorstellungsgesprächen für einen Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche. So werden sie keine Zukunft haben. Und es ist vollkommen inakzeptabel, dass die rassistische Anti-Roma-Rhetorik unter den europäischen Bürgern immer populärer wird.“



Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International gibt zu, dass die Roma überall in der Europäischen Union Opfer von Diskriminierung werden, einschlie‎ßlich von Amtsmissbrauch seitens der Kommunalbehörden. Nicolas Beger von Amnesty International:



Es ist höchste Zeit, dass wir von Worten zu Taten schreiten. Wir brauchen ein klares Engagement der Kommunalbehörden, die in vielen Fällen die Verantwortung für Zwangsevakuierungen oder die Segregation der Roma tragen. Die Gewaltanwendung aus rassistischen Gründen, einschlie‎ßlich durch die Polizei, muss sofort aufhören. Wir warten immer noch darauf, dass die Europäische Kommission Rechtsverletzungsverfahren auflegt, wenn die Staaten gegen die Rechte der Volksgruppen versto‎ßen.“



In Bezug auf die Situation der Roma ist Rumänien kein Einzelfall in Europa, aber es hat seine eigene historische Vergangenheit zu diesem Thema. Vom Mittelalter bis ins 19. Jh. wurden die Roma als Leibeigene gehalten und als extrem billige Arbeitskräfte auf den Landgütern der Fürsten, der Bojaren oder der Klöster ausgebeutet. Der moderne rumänische Staat befreite die Roma aus der Leibeigenschaft, aber dann ignorierte er sie. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Roma von dem Regime des Marschalls Ion Antonescu, eines Alliierten von Nazi-Deutschland, deportiert. Nach dem Krieg hat sie die kommunistische Diktatur dazu gezwungen, sesshaft zu werden. Bis zum heutigen Tage sind Vorurteile gegenüber den Roma in der rumänischen Gesellschaft immer noch weit verbreitet. Von allen Volksminderheiten in Rumänien werden die Roma äu‎ßerst negativ empfunden und sind von der Mehrheitsbevölkerung kaum akzeptiert.



Staatspräsident Traian Băsescu hat seinerseits zugegeben, dass mehr als 50% der rumänischen Roma, die eine Arbeitsstelle haben, über eine mangelhafte Ausbildung verfügen, und die Roma mit einem ordentlichen Schulabschluss grö‎ßere Schwierigkeiten haben, wenn sie in Rumänien eine ihrer Ausbildung entsprechende Arbeitsstelle suchen. Die Einschätzungen der Verantwortlichen in Brüssel sind korrekt; trotzdem steht sowohl den rumänischen Behörden als auch den Mitgliedern der Roma-Volksminderheit noch viel Arbeit bevor, sagte noch Traian Băsescu:



Das Fazit der EU-Kommission ist nicht negativ; es wurden auch Fortschritte vermerkt. Es wird zum Beispiel hervorgehoben, dass wir in Rumänien Ausbildungsplätze in den Hochschulen für junge Roma freigehalten haben, dass mehr Roma-Kinder in die Schule gehen, aber das ist doch zu wenig. Selbstverständlich sind die Berichte der Europäischen Kommission voller Hoffnung, aber die Wirklichkeit, und ich meine damit nicht nur Rumänien, ist für die Roma immer noch inakzeptabel. Trotz aller Bemühungen der Regierungen und der Kommunalverwaltungen werden wir kaum etwas erreichen, wenn wir nicht eine Partnerschaft abschlie‎ßen, und die Roma-Volksminderheit muss auch gewillt sein, sich positiv zu entwickeln.“



Präsident Băsescu beklagte auch die Tatsache, dass viele der rumänischen Roma, die sich in der Gesellschaft integriert haben, ihre Herkunft kaschieren. Es gibt schon Erfolgsgeschichten von Roma-Angehörigen, die Stars im Kunst- oder Sportbereich und auch erfolgreiche Politiker wurden, aber viele von ihnen wollen nicht mehr wahrhaben, dass sie Roma sind. Auch die Soziologen signalisieren, dass bei den Volkszählungen viele ursprünglich christlich-orthodox getaufte Roma angegeben hätten, sie seien katholische Ungarn aus Siebenbürgen oder muslimische Türken aus der Dobrudscha. Solange die rumänische Volksmehrheit und die Roma-Volksminderheit ihre Vorurteile nicht abbauen und davon frei werden, wird die Integration der Roma in Rumänien ein langsamer Prozess mit unsicheren Resultaten bleiben.



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