Rumäniens Rolle in der NATO
Der 10. Jahrestag des NATO-Beitritts Rumäniens stimmt mit der größten Sicherheitskrise der Region überein: Die Entscheidung der Krim, sich von der Ukraine abzulösen und sich Russland anzugliedern, wirft viele ernste Fragen auf.
Corina Cristea, 18.07.2014, 15:51
Der 10. Jahrestag des NATO-Beitritts Rumäniens stimmt mit der größten Sicherheitskrise der Region überein: Die Entscheidung der Krim, sich von der Ukraine abzulösen und sich Russland anzugliedern, wirft viele ernste Fragen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung in diesem Teil Europas auf. Und das ist ein zusätzlicher Grund für das Nordatlantische Bündnis, seine Strategien an aktuelle oder zukünftige Herausforderungen anzupassen. Zwei richtungsweisende Aspekte seien im Entscheidungsprozess wichtig, betonte Rumäniens Ministerpräsident Victor Ponta im Rahmen einer Jubiläumskonferenz zur 10-jährigen NATO-Mitgliedschaft des Landes in Bukarest: ein gemeinsamer Wirtschaftsraum der NATO-Staaten, aber auch eine Ausweitung der militärischen Sicherheit auf die Länder, die der EU beitreten wollen, so der Regierungschef.
Ich glaube, dass die NATO und wir als NATO-Mitgliedsstaat die Pflicht haben, beim Gipfel im September konkrete und realitätsnahe Gespräche zu führen über die Strategie der Allianz hinsichtlich der Moldaurepublik, Georgien, der Ukraine. Ansonsten werden Versprechen und Aufrufe allein nicht ausreichend sein.“
Rumäniens Ex-Präsident Emil Constantinescu schätzte im Rahmen der Konferenz, dass die NATO ihr Profil an eine sich ständig wandelnde Gesellschaft anpassen müsse:
Der Aufbau von Abwehrkapazitäten ist wichtig, auch wenn die Entwicklung des Militärs manchmal im Überschuss zu sein scheint. An diesem neuen Scheideweg in der globalisierten Welt ist es nicht wichtig, ob man den einen oder anderen Weg wählt, sondern die Fähigkeit, vorherzusehen, wohin der jeweilige Weg führt. Oder andere, neue Wege, die sich in einem Jahrhundert der unerwarteten Umwälzungen öffnen können, in einem Jahrhundert, in dem das Risikospiel und die Akteure sich schnell ändern.“
Rumänien hat sich im Laufe seiner 10-jährigen NATO-Mitgliedschaft bislang an Kriegsoperationen im Irak, Afghanistan, dem Westbalkan und Nordafrika beteiligt. Die Anzahl der eingesetzten Streitkräfte beläuft sich auf circa 40.000. Während der Missionen sind 26 rumänische Soldaten ums Leben gekommen, die meisten davon in Afghanistan, und weitere 145 wurden verwundet. Indes hat Rumänien in diesem Zeitraum strategische Partnerschaften abgeschlossen, seine Armee modernisiert und sie NATO-Standards entsprechend umstrukturiert.
Der vor einem Jahrzehnt erfolgte Schritt brachte Rumänien die Sicherheitsgarantie an den gesamten Landesgrenzen, gleichzeitig aber auch die Gewissheit, dass die Garanten die Kapazität haben, ihre Versprechen einzuhalten, sagt der Historiker Dorin Matei. Und Rumänien hat im Rahmen der NATO ein bedeutendes Gewicht, so Matei:
Ich glaube, dass die Stimme Rumäniens in letzter Zeit recht gut innerhalb der Nordatlantischen Allianz zu hören war. Rumänien hat fortwährend darauf beharrt, dass man sich auf diese Region konzentrieren müsse. Es gab eine lange Diskussion über den Mittelmeer-Raum und seine Bedeutung, da der Terrorismus von dort aus sehr einfach nach Europa gelangen könnte. Aber Rumänien hat darauf bestanden — und die Geschichte zeigt, dass es Recht hatte –, dass diese osteuropäische Region und vor allem der Schwarzmeer-Raum mit all seinen eingefrorenen Konflikten die größte Aufmerksamkeit verdient. Hinsichtlich der Neuverteilung der NATO-Kräfte und der Prioritäten des Bündnisses würde ich noch ergänzend Folgendes sagen: Anfang der 1990er Jahre hat es Abkommen zwischen der NATO und Russland gegeben, laut denen sich die Allianz verpflichtete, ihre militärische Präsenz in den neuen Mitgliedsstaaten in bestimmten Grenzen zu halten. Infolge der russischen Aktion auf der Krim steht die NATO nicht mehr mit gebundenen Händen da. Der Westen hat, im Vergleich zu Russland, seine Verpflichtungen stets eingehalten. Heute ist er nicht mehr gezwungen, dies zu tun. Man wird beim nächten NATO-Gipfel sehen, wie die Diskussion über die Neuverteilung der NATO-Kapazitäten in den Regionen weitergeführt wird.“
Iulian Chifu ist der Berater des rumänischen Präsidenten in Sachen Strategie, Sicherheit und Außenpolitik. Er verweist darauf, dass die Hartnäckigkeit Rumäniens hinsichtlich der Bedeutung des Schwarzmeer-Raums für die NATO, für die Sicherheit in der Region, bereits in Riga beobachtet werden konnte. Diese Komponente fand sich in allen Abschlusserklärungen des NATO-Gipfels wieder. Der Höhepunkt der rumänischen Bestrebungen spiegelte sich in dem NATO-Gipfel in Bukarest 2008 wider, als diese Beschäftigung für die Sicherheit am Schwarzen Meer relevant war. Im Interview mit Radio Rumänien erinnert Iulian Chifu indes an den wichtigsten internationalen Partner Rumäniens.
Wir müssen jederzeit auf unsere besondere Beziehung zu den USA hinweisen, auf die strategische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten. Wir haben gesehen, wieviel diese Partnerschaft bedeutet, welchen Mehrwert sie nicht nur im militärischen, politischen und im Sicherheitsbereich bringt, sondern auch für die Wirtschaft, die wirtschaftliche Entwicklung und all die anderen Bereiche.“
Die erwähnte strategische Partnerschaft hätte auch in der letzten Krisensituation ihre Verlässlichkeit bewiesen, sagt der Präsidentenberater Chifu. Denn man habe gesehen, wie schnell die USA mit ihren Miltärkapazitäten die Staaten abgesichert hat, die sich einem gewissen Druck oder einer Bedrohung für ihre Sicherheit ausgesetzt fühlten.
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