Feiertagsblues: Saisonale Depressionen sind weit verbreitet
Die als Holiday Blues“ bezeichnete saisonale Depression kann jeden treffen. In unserem Feature erläutert die Psychotherapeutin Adina China-Birta die Ursachen dieser Erkrankung und gibt einige nützliche Ratschläge, wie man sich dagegen wappnen kann.
Luiza Moldovan, 13.12.2023, 17:39
5 % der Weltbevölkerung leiden an Depressionen, und die Dunkelzahl ist wahrscheinlich viel höher, denn nicht bei allen Erkrankten wird eine Depression offiziell diagnostiziert, schrieb dieses Jahr das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes, das auch weitere äußerst interessante Daten über diese stille und äußerst gefährliche psychische Erkrankung lieferte. Laut Forbes stellt sich heraus, dass Depressionen die Menschen unverhältnismäßig stark betreffen — so sind auf dem nordamerikanischen Kontinent beispielsweise Frauen sowie schwarze und lateinamerikanische Bevölkerungsgruppen anfälliger für Depressionen als andere.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden weltweit 280 Millionen Menschen an Depressionen. Es hat sich herausgestellt, dass Depression vererbt werden kann. Eine Studie der Stanford University ergab, dass Menschen, die enge Verwandte mit Depressionen haben, zwei- bis dreimal häufiger an Depressionen erkranken. Erwachsene Frauen haben ein höheres Risiko, eine depressive Episode zu erleiden. Sie tragen die Hauptlast in vielen Bereichen der Familie, z.B. bei der Kindererziehung, der Pflege älterer Familienmitglieder und der täglichen Hausarbeit. Hinzu kommt der Druck, das Familienleben mit der Karriere auszubalancieren. All das sind Dinge, die es Frauen erschweren, sich angemessen um sich selbst zu kümmern. Noch beunruhigender ist, dass das Alter, in dem die ersten depressiven Episoden auftreten, auf etwa 12 Jahre gesunken ist, so der Bericht der WHO.
An Feiertagen können selbst emotional starke Menschen aufgrund des sozialen Drucks einen psychischen Zusammenbruch erleiden. Wir haben mit der Psychotherapeutin Adina China-Birta über saisonale Depressionen gesprochen, die auch als Feiertagsblues bezeichnet werden. Sie erläutert im Folgenden, wie man die Symptome erkennt und ihnen entgegenwirken kann:
Die Feiertagsdepression, der so genannte »Holiday Blues«, ist ein weit verbreitetes Phänomen, mit dem sich jeder irgendwann einmal konfrontieren kann. Es ist ein Zustand des emotionalen Unbehagens oder der Traurigkeit, der während der Feiertage wie Weihnachten, Neujahr, den Winterferien oder sogar unmittelbar danach eintreten kann. Zu den Symptomen zählen Traurigkeit, Angst, Stress oder soziale Abkapselung. Der Feiertagsblues kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, z.B. durch Stress im Zusammenhang mit den Urlaubsvorbereitungen, sozialen Druck, Einsamkeit oder traurige Erinnerungen in Zusammenhang mit Urlaub und Feiertagen.
Was können wir tun, um einer saisonal bedingten Depression vorzubeugen? Wir könnten damit beginnen, realistische Erwartungen zu haben. Es ist wirklich hilfreich, wenn wir versuchen würden, uns nicht von der Vorstellung leiten zu lassen, dass die Feiertage perfekt sein müssen oder dass wir uns die ganze Zeit über glücklich fühlen müssen. Weihnachtsfilme stellen eine verschönerte Realität dar, die man im Alltag kaum erleben kann. Was wir außerdem tun können, ist, sorgfältig zu planen. Wenn wir wissen, dass ein bestimmter Aspekt der Feiertage uns belastet, wie z.B. das Einkaufen oder das Besorgen von Geschenken, sollten wir sorgfältig planen und einige Grenzen setzen. Man könnte etwa ein Budget und einen Einkaufszeitraum festlegen und innerhalb des selbst auferlegten Rahmens bleiben. Möglich ist auch ein Mitwirken bei Freiwilligenarbeit. Dies kann uns ein Gefühl der Zufriedenheit vermitteln und uns helfen, einen tieferen Sinn in den Feiertagen zu finden. Eine weitere Möglichkeit, unsere Stimmung zu heben, besteht darin, Sport zu treiben, sich zu bewegen und für das Wohlgefühl selbst zu sorgen. Regelmäßige körperliche Betätigung kann unsere Stimmung durch die Freisetzung von Endorphinen verbessern. Wir müssen darauf achten, dass wir uns um uns selbst kümmern, uns ausreichend ausruhen und ausgewogen ernähren.“
Doch warum fallen manche Menschen gerade in einer Zeit, die eigentlich der Freude und Entspannung dienen sollte, in ein schwarzes Loch? Und wie kann man eine klassische“ depressive Episode vom Feiertagsblues unterscheiden? Die Psychotherapeutin Adina China-Birta mit weiteren Einzelheiten:
Feiertagsblues und Depression sind zwei unterschiedliche Begriffe. Die eigentliche Depression, auch als schwere Depression bezeichnet, ist eine ernstere psychische Erkrankung, die durch signifikante Symptome wie lang anhaltende Traurigkeit, Verlust des Interesses an normalen Aktivitäten, Gewichtsschwankungen und Schlafstörungen, übermäßige Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und sogar Selbstmordgedanken gekennzeichnet ist. Sie ist kaum von saisonalen Faktoren oder bestimmten Ereignissen abhängig und kann zu jeder Jahreszeit auftreten. Wenn Sie diese Symptome bei sich selbst oder bei einem nahestehenden Menschen über die Feiertage feststellen, ist es wichtig, diese Anzeichen ernst zu nehmen und Hilfe zu suchen. Fachkundiger Rat von einem Psychologen oder Psychiater kann entscheidend sein, um angemessene Unterstützung und Behandlung zu erhalten. Es ist also durchaus möglich, dass jemand, der gewöhnlich nicht depressiv ist, während der Feiertage Symptome einer Depression entwickelt. Die Feiertage können zusätzlichen Stress, sozialen Druck, traurige Erinnerungen und Einsamkeit mit sich bringen, was bei manchen Menschen die Symptome einer Depression auslösen oder verschlimmern kann. Es ist wichtig zu erkennen, dass eine saisonal bedingte Depression jeden treffen kann, auch Menschen, die nicht an einer schweren Depression leiden. Nicht minder wichtig ist es, zwischen einem vorübergehenden Zustand des Unbehagens im Zusammenhang mit den Feiertagen und einer schweren Depression zu unterscheiden. Im letzten Fall braucht man unbedingt eine professionelle Beratung und Behandlung.“
Zum Schluss unseres Features hören wir noch einmal die Psychotherapeutin Adina China-Birta mit einigen praktischen Ratschlägen, wie man den ersten Symptomen des Feiertagsblues’ entgegenwirken kann:
Wenn Sie unter saisonalen Depressionen leiden, können Ihnen die folgenden Tipps helfen: Beginnen Sie damit, Ihre emotionalen Bedürfnisse zu respektieren. Hören Sie auf Ihren Körper und Ihren Geist. Wenn Sie das Bedürfnis nach Ruhe oder Zeit für sich selbst verspüren, gönnen Sie sich diese Momente, ohne sich dafür schuldig zu fühlen. Es ist wichtig, dass Sie Ihre Gefühle erkennen und akzeptieren. Es ist in Ordnung, wenn Sie sich nicht immer glücklich fühlen. Das Verstehen und Akzeptieren Ihrer Gefühle kann der erste Schritt zur Heilung sein. Als Nächstes sollten Sie Aktivitäten im Freien planen. Selbst an kalten Tagen, oder besonders an kalten Tagen, kann ein Aufenthalt im Freien fantastische Auswirkungen auf die Stimmung haben. Versuchen Sie, so viel natürliches Licht wie möglich zu genießen. Achten Sie auf eine regelmäßige Routine, einschließlich ausreichender Zeit zum Schlafen, gesunder Ernährung und Bewegung. Essen Sie nährstoffreiche Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukte. Regelmäßige körperliche Betätigung kann zur Ausschüttung von Endorphinen beitragen, die die Stimmung verbessern.
Auch die Kommunikation ist äußerst wichtig. Sprechen Sie mit Freunden oder der Familie über Ihre Gefühle. Manchmal kann das Mitteilen Ihrer Gedanken Trost und Unterstützung bringen. Treffen Sie sich physisch oder online mit Menschen, mit denen Sie gerne kommunizieren. Erstellen Sie eine Liste von Aktivitäten, die Ihnen Freude bereiten, und versuchen Sie, diese in Ihren Tagesablauf einzubauen. Ob Sie nun gerne lesen, Musik hören, kochen oder tanzen — nehmen Sie sich Zeit für Aktivitäten, die Ihnen Spaß machen. Wenn Sie von negativen Gedanken überwältigt werden, können Sie positives Denken oder Achtsamkeitstechniken anwenden, um sie zu bewältigen und zu überwinden. Wenn Ihre Symptome anhalten oder sich sogar verschlimmern, sollten Sie unbedingt einen Psychologen oder Psychiater aufsuchen, der Sie bei der Bewältigung saisonaler Depressionen unterstützen kann.“