Integrationsbetriebe: vulnerable Menschen schwer vermittelbar auf freiem Arbeitsmarkt
Sozial gefährdete Menschen haben es besonders schwer, in stabile Arbeitsverhältnisse auf dem freien Markt eingebunden zu werden.
Christine Leșcu, 29.11.2023, 17:30
Soziale Unternehmen, die seit mehreren Jahren in Rumänien tätig sind, erweisen sich als äußerst nützlich für die gesellschaftliche Eingliederung von sogenannten vulnerablen“ (auf gut deutsch: gefährdeten) Personen. So etwa beschäftigt der Verein Ateliere fără frontiere“ (Werkstätten ohne Grenzen“) über seine Sozialunternehmen Menschen, die anderswo nur schwer eine Arbeit finden würden: Obdachlose, alleinerziehende Mütter, die Opfer häuslicher Gewalt waren, ehemalige Strafgefangene und Menschen, die sich in einer Suchttherapie befinden. Die Beschäftigung ist befristet, der Mindestlohn ist garantiert, und einige Arbeitnehmer erhalten auch Beratung und Umschulungen, um sie auf den Wiedereintritt in den freien Arbeitsmarkt und ein unabhängiges Leben vorzubereiten.
Doch wer sind diese vulnerablen Menschen oder gefährdeten Arbeitnehmer? Eine komplexe Antwort liefert eine aktuelle Studie im Auftrag von Werkstätten ohne Grenzen“ — die Ergebnisse stellt Claudia Petrescu vor, Soziologin am Institut für die Erforschung der Lebensqualität, das die Studie durchführte.
Wir haben uns ein wenig mit dem Bildungsniveau dieser Menschen befasst. Das Bildungsniveau ist immer sehr wichtig, wenn wir von Gefährdung sprechen. 28 % der Gesamtstichprobe haben höchstens einen Sekundarschulabschluss. Was das Einkommen anbelangt, so verfügen 39 % unserer Gesamtstichprobe über Einkommen aus Löhnen und Gehältern. Das ist zwar eine gute Nachricht, doch 25 % dieser Einkommen stammen aus Integrationsbetrieben oder geschützten Unternehmen, was ziemlich viel ist. Nur 14 % haben ein Einkommen aus einer Beschäftigung auf dem freien Markt, also von anderen Arbeitgebern. 55 % haben kein regelmäßiges Einkommen oder überhaupt kein Einkommen. Wenn wir uns die Probleme unserer Befragten anschauen, erfahren wir, dass ihr Hauptproblem der Mangel an Arbeitsplätzen ist. 40 % gaben an, dass dies ihr Hauptproblem sei. Danach folgen gesundheitliche Probleme (34 %) und Obdachlosigkeit (13 %). An vierter Stelle stehen Schwierigkeiten mit der Kinderbetreuung. Das zuletzt erwähnte Problem ist keine Nebensache, denn wir haben es in vielen Fällen mit Opfern von Gewalt zu tun. Wir haben auch recht viele Frauen, die während ihres 8-Stunden-Jobs keinen Betreuungsplatz für ihre Kinder finden oder sich keinen leisten können. Von allen Teilnehmern an der Studie, die angaben, ihr Hauptproblem sei das Fehlen eines Arbeitsplatzes, hatten 22 % höchstens einen Sekundarschulabschluss. Deshalb habe ich anfangs gesagt, dass das Bildungsniveau dieser Menschen eine wichtige Rolle in der sozialen Gefährdung spielt.“
Ein weiteres Problem der schutzbedürftigen Menschen ist der schlechte Gesundheitszustand. Dabei handelt es sich nicht um eine Behinderung, da Menschen mit Behinderungen in eine andere Kategorie fallen, sondern häufig um eine chronische Krankheit. In diesem Fall verringert sich nicht nur die Chance, eine Arbeit zu finden, sondern auch die Möglichkeit, den Arbeitsplatz zu behalten, weil der Gesundheitszustand es ihnen oft nicht erlaubt, sich dauerhaft anzustrengen. Deshalb sorgen Sozialunternehmen dafür, dass diese Menschen ihren Arbeitsplatz behalten können. Die Soziologin Claudia Petrescu mit weiteren Einzelheiten:
Für Schutzbedürftige es nicht allein wichtig, ihnen einen Arbeitsplatz zu verschaffen, sondern auch die Unterstützungsleistungen beizubehalten, um sie langfristig an einen Job zu binden. Das ist nicht sehr einfach. Es gibt Menschen, die keine Ausbildung haben, die es aber trotzdem geschafft haben, durch die Beschäftigung in einem Integrationsbetrieb einen Beruf zu erlernen. Das sind aber nicht die einzigen Dinge, die wichtig sind. Die Beratung ist in diesen sozialen Integrationsbetrieben extrem wichtig. Die Betreiber solcher Eingliederungsbetriebe wissen, wie viele Stunden sie allein für die Information und Beratung dieser Menschen aufwenden. Es gibt Härtefälle, in denen eine Person heute zur Arbeit kommt und morgen plötzlich nicht mehr, und man weiß nicht, was geschehen ist, und man versucht, sich zu erkundigen und herauszufinden, was passiert ist und was dieser Mensch braucht, um stabile Arbeitsverhältnisse aufzubauen. Und es kann von einem Monat bis zu einem Jahr oder sogar bis zu zwei Jahren dauern, bis einige von ihnen einen Job auf dem freien Markt finden können.“
Der freie Markt braucht tatsächlich mehr Arbeitskräfte, wie eine andere Untersuchung des Arbeitgeberverbands Concordia“ zeigt. Radu Burnete, Geschäftsleiter bei Concordia, führt aus:
Wir haben oftmals festgestellt, dass wir zwar kein armes Land mehr sind, aber manchmal wie eines aussehen. Und genau das ist das Problem. Aber warum soll Rumänien ein armes Land sein? Wir sind die zehntgrößte Volkswirtschaft in Europa. Wir haben Volkswirtschaften wie die Tschechische Republik, Finnland, Portugal und Griechenland überholt. Knapp vor uns liegen Dänemark und Österreich. Ich spreche nicht über das Pro-Kopf-Einkommen, sondern über die rumänische Wirtschaft als Ganzes. Kapital ist hierzulande ebenfalls vorhanden, auch inländisches Kapital. Es gibt eine ganze Menge Geld in Rumänien, und wir haben auch ausländische Investitionen. Es gibt also Geld, es gibt auch neueste Technologien. Außerdem produzieren wir in Rumänien eine ganze Menge großartiger Dinge. Aber wir haben ein Problem mit den Menschen, und zwar in dem Sinne, dass wir zu wenig Menschen an diesem Wirtschaftswachstum teilhaben lassen. Wenn wir so weitermachen wie bisher, kommen wir nicht dahin, wo wir hinwollen, weil wir nicht genug Arbeitnehmer haben, die dieses Wachstum weiterhin tragen.“
Die Statistiken scheinen den Mangel an Arbeitskräften zu bestätigen. Doch muss man sich fragen, wo sind eigentlich die Arbeitnehmer, die auf dem Arbeitsmarkt aktiv sein könnten? Es stimmt zwar, dass viele sich im Ausland verdingen, doch Radu Burnete vom Arbeitgeberverband Concordia“ weist auf ein Rätsel in der Statistik hin:
Nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik gab es in Rumänien im Zeitraum 2020–2021 etwa 12 Millionen erwerbsfähige Personen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren. Von diesen 12 Millionen Menschen sind etwa 8 Millionen erwerbstätig. Das sind aktive Menschen, die einer Arbeit nachgehen und Einkommen erzielen. Es gibt aber auch 4 Millionen Menschen, die dem Arbeitsmarkt völlig fernbleiben. Sie sind zwischen 15 und 64 Jahre alt. Theoretisch könnten sie arbeiten, aber sie tun es nicht. Das bedeutet, dass die Zahl der Erwerbstätigen in Rumänien viel niedriger ist als im Durchschnitt in dieser Region Europas. Und das ist eine Frage, über die wir uns meiner Meinung nach Gedanken machen müssen, denn ein Teil dieser vier Millionen Menschen fällt sicherlich in die Kategorie gefährdete Personen.“
Die Situation vulnerabler Menschen ist folglich verbesserungsbedürftig. Integrationsbetriebe sind sicherlich wichtig, doch die Anpassung an die Bedingungen des freien Marktes bleibt oft schwierig.