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Arbeitsmigration: Zurückgelassene Kinder oft belastet

Die NGO Save the Children“ hat eine Studie veröffentlicht, laut der in ganz Rumänien etwa 500 000 Kinder von der Migration mindestens eines Elternteils betroffen sind.

Arbeitsmigration: Zurückgelassene Kinder oft belastet
Arbeitsmigration: Zurückgelassene Kinder oft belastet

, 17.05.2023, 15:22



RadioRomaniaInternational · Arbeitsmigration: Zurückgelassene Kinder oft belastet



Seit mehr als 20 Jahren, seit das Phänomen der Auswanderung von Arbeitskräften in Rumänien weit verbreitet ist, zeigt sich eine seiner dramatischsten Auswirkungen: Kinder, die in ihrem Heimatland in der Obhut von Gro‎ßeltern oder anderen Verwandten zurückgelassen werden. Einige Eltern nehmen zwar ihre Kleinkinder mit, wenn sie zu verschiedenen Arbeitsplätzen in der EU aufbrechen, doch gibt es nicht wenige Fälle von Familien, die durch die dauerhafte Niederlassung im Ausland auseinandergerissen werden.



Die NGO Save the Children“ macht schon seit vielen Jahren auf diese Situation aufmerksam, die nun auch in einer statistischen Studie quantifiziert wurde. Auf der Grundlage von Daten, die zwischen Juli und September 2022 erhoben wurden, zeigt die Untersuchung, dass fast ein Viertel der rumänischen Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren mindestens einen Elternteil hat, der zum Zeitpunkt der Untersuchung dauerhaft im Ausland arbeitete. Bei 61,5 % dieser Kinder war nur der Vater weg, bei 20,4 % war nur die Mutter fernab von der Familie, und bei 18,1 % befanden sich beide Elternteile im Ausland.



Landesweit befinden sich mehr als 500 000 rumänische Kinder in dieser Situation, die meisten von ihnen müssen schon in einem sehr frühen Alter ohne Eltern auskommen. Im Durchschnitt lässt die Mutter die Familie zurück, sobald das Kind 6 Jahre alt ist, während der Vater in der Regel schon einen Job im Ausland findet, wenn das Kind noch jünger ist. Wenn es um die Entscheidung geht, zwecks einer besser bezahlten Arbeit ins Ausland zu ziehen, so werden die Kinder bereits in jungen Jahren zu Rate gezogen, wie die Studie zeigt. Anca Stamin von der NGO Save the Children“ nuanciert jedoch das düstere Gesamtbild, das die Studie zeichnet:



83 % der befragten Erwachsenen gaben an, dass ihr Kind an der Entscheidung, das Land zu verlassen, beteiligt war. Im Gegensatz dazu gaben die Kinder an, dass sie in deutlich geringerem Ma‎ße beteiligt waren (62 %), und wir neigen dazu, eher den Aussagen der Kinder zu glauben. Au‎ßerdem gab fast ein Drittel der befragten Kinder (31 %) an, dass sie mit dem Wegziehen ihrer Eltern ins Ausland nicht einverstanden waren, selbst wenn sie gefragt wurden. Au‎ßerdem hat die Umfrage gezeigt, dass die meisten Kinder, die sich in dieser Situation befinden, von den Sozialämtern nicht erfasst werden. Im Grunde gaben nur 39 % der Eltern an, dass das Sozialamt über die Situation des Kindes Bescheid wei‎ß. Was die Unterrichtung der Schulen betrifft, so gaben 57 % der Eltern an, dass sie die Schule über die Situation informiert hätten. Es liegt auf der Hand, dass keine der beiden Institutionen über vollständige Informationen verfügt. Daraus ergibt sich, dass die Eltern oder Betreuer zögern, den Wegzug der Eltern zu melden — weder der Schule noch den Behörden.“




Die Tatsache, dass nicht alle Eltern die Situation ihrer zurückgelassenen Kinder den Behörden melden, erschwert es diesen oder NGOs, bei Problemen einzugreifen. Und die Studie von Save the Children“ weist auf die zusätzlichen Risiken für Kinder hin, die von Eltern zurückgelassen werden, die zum Arbeiten ins Ausland gezogen sind, führt Anca Stamin weiter aus:



Bei einigen Risikoverhaltensweisen wurde ein sehr gro‎ßer Unterschied zwischen Kindern aus Migrantenfamilien und Kindern aus Familien ohne Migrationshintergrund festgestellt. Bei ersteren ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Internet expliziten sexuellen und pornografischen Inhalten ausgesetzt sind, um 38 % höher, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich aggressiv gegenüber anderen Kindern verhalten und Alkohol konsumieren, ist doppelt so hoch. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit, verbotene Substanzen zu sich zu nehmen oder Zigaretten zu rauchen, wesentlich höher. All dies geschieht vor dem Hintergrund mangelnder elterlicher Kontrolle, des leichten Zugangs zu elektronischen Geräten, der schlechten Kommunikation mit Eltern oder Betreuern und der fehlenden Gesundheitserziehung. Und diese aggressiven Verhaltensweisen können eine Form der Externalisierung der negativen Gefühle, der emotionalen Erfahrungen sein, die das Kind nach dem Auszug der Eltern macht. In unserer Erfahrung in der Arbeit mit Kindern dieser Kategorie sind wir oft auf Kinder gesto‎ßen, die sich verlassen fühlen oder Schuldgefühle wegen des Wegzugs ihrer Eltern entwickeln. Selbst wenn die Eltern es gut gemeint haben, war es falsch, dem Kind zu sagen, dass sie weggehen, um ihnen durch ein höheres Einkommen ein besseres Leben zu ermöglichen, denn damit haben sie dem Kind eine zusätzliche Last aufgebürdet.“




Kommunikation ist sehr wichtig, um die Familie zusammenzuhalten, und die digitale Revolution von heute macht dies viel einfacher. So kommuniziert die Mehrheit der im Ausland arbeitenden Eltern über Online-Videoplattformen mit ihren Kindern und nur 19 % ausschlie‎ßlich per Telefon. 45 % nehmen einmal am Tag Kontakt auf, und etwa 15 % der Familien kommunizieren mehrmals am Tag. Die Statistik zeigt aber, dass es auch Situationen gibt, in denen die Kommunikation seltener ist: 33 % der im Ausland lebenden Eltern sprechen einmal alle zwei bis drei Tage mit ihren Kindern und 7 % nur einmal pro Woche. Darüber hinaus sprechen 20 % der Jugendlichen, deren Eltern im Ausland arbeiten, einmal pro Woche oder seltener mit ihnen. Andreea ist 12 Jahre alt und geht in die sechste Klasse. Ihr Vater arbeitet seit ihrem zweiten Lebensjahr in der Schweiz.



Wir sind telefonisch oder durch Kurznachrichten in Kontakt. Wenn er Urlaub hat oder sich die Möglichkeit ergibt, kommt er vorübergehend in die Heimat. Wir sehen uns also eher selten und halten den Kontakt übers Handy oder durch Messages auf. Es ist weder eine sehr herzliche noch eine distanzierte Beziehung. Es ist schon ok, aber ich muss sagen, dass ich meiner Mutter viel näher stehe.“




Andreea eröffnete noch, dass sie ihren Vater noch nie in der Schweiz besucht hat, doch bestehe die Möglichkeit, dass sie ihn diesen Sommer dort besucht, um zwei Wochen zusammen zu verbringen. Obwohl die finanzielle Situation der Familie durch die Überweisungen des Vaters jetzt besser sei, hätte sie es trotzdem vorgezogen, dass sich die Familie nicht auf diese Weise trennt. Au‎ßerdem lehnt sie es ab, zum Vater in die Schweiz zu ziehen.



Es geht nicht darum, dass es die Möglichkeit nicht gäbe, in die Schweiz zu ziehen. Doch ich will nicht wegziehen, und meine Mutter würde es auch nicht zulassen, denn wir haben uns hier in Rumänien ein Leben aufgebaut. Ich gehe hier in die Schule, habe Freunde, meine Mutter hat auch Freunde am Arbeitsplatz, es wäre einfach schwer, von vorne anzufangen, sich ein neues Leben in einem anderen Land mit einer anderen Sprache aufzubauen.“




Obwohl Andreea mit ihrer derzeitigen Situation im Reinen zu sein scheint und in der Schule gute Leistungen bringt, zeigt die Studie von Save the Children“, dass die Migration eines Elternteils mit einer 62%-igen Wahrscheinlichkeit einhergeht, dass die Leistungen der Kinder in den ersten Schuljahren stagnieren.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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