Seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind fast 3,5 Millionen Menschen aus der Ukraine nach Rumänien gekommen, von denen sich etwa 100.000 vorübergehend hier niedergelassen haben. Davon haben nach den jüngsten Angaben des Arbeitsministeriums mehr als 5.700 eine abhängige Beschäftigung aufgenommen. Und da die überwiegende Mehrheit der Flüchtenden, die sich in Rumänien niedergelassen haben, aus Frauen mit Kindern im Schul- und Vorschulalter besteht, ist davon auszugehen, dass es vor allem sie sind, die Erfahrung auf dem rumänischen Arbeitsmarkt gesammelt haben. Ihnen hilft auch der Verein Seneca, eine nichtstaatliche Wohltätigkeitsorganisation, die auch eine Buchhandlung betreibt. Anastasia Staicu, die Gründerin des Vereins, war in den ersten Tagen des Krieges an der rumänisch-ukrainischen Grenze, um den Flüchtlingen mit Übersetzungen zu helfen, denn Russisch ist ihre Muttersprache. Staicu ist nach und nach dazu übergegangen, Müttern, Töchtern und Großmüttern, die inzwischen in Bukarest angekommen sind, bei der Integration in die rumänische Gesellschaft zu helfen.
„Es sind mehr als 200 Personen, die bei Seneca Anticafe in einem Intensivkurs Rumänisch gelernt haben und Freundschaften untereinander und mit anderen schließen. In diesem Jahr gehören bereits drei von ihnen zu den elf Mitarbeitern von Seneca. Im Klassenzimmer haben 20 Leute Platz – aber wenn es mit Frau Rodica Făguț nicht eine tolle Lehrerin gäbe, wäre daraus nichts geworden. Es geht nicht nur um einen Schnellkurs, sondern um kulturelle und soziale Integration. Sie gehen zusammen ins Theater und schauen sich gemeinsam alte und neue rumänische Filme an. Es ist eine Gemeinde, die sich wirklich der Integration verschrieben hat“.
Anastasia Staicu konnte drei Flüchtende als Buchhändlerinnen einstellen, nachdem sie ein akzeptables Niveau an Rumänischkenntnissen erreicht hatten. Diese Arbeit hilft den Frauen nicht nur, finanziell über die Runden zu kommen, sondern auch, sich in einem fremden Land zurechtzufinden, während der Krieg in der Ukraine immer länger zu dauern scheint: Bevor sie sich für den Kurs anmelden, fragt der Verein nach, warum sie Rumänisch lernen möchten. Und während zu Beginn des Krieges der Hauptgrund war, sich auf der Straße verständigen zu können, sagen jetzt mehr als 50 %, dass sie eine Arbeit finden oder länger hier bleiben wollen. Da diese Frauen meist Mütter sind, gilt ihre Sorge natürlich ihren Kindern. Der rumänische Staat hat ihnen einige Pilot-Schulzentren zur Verfügung gestellt, in denen sie ihre Ausbildung bis zu einem gewissen Grad fortsetzen können. Da diese jedoch nicht ausreichen, wurde beschlossen, Flüchtlingskinder aus der Ukraine ab dem kommenden Schuljahr in rumänische Schulen zu integrieren. Diese Entscheidung bringt jedoch neue Probleme mit sich, wie Anastasia Staicu berichtet.
„In Bukarest gibt es sechs Brennpunktschulen, im ganzen Land mehr. Diese Kinder werden ab September in rumänische Schulen integriert. Rechtlich gesehen muss es einen vorbereitenden rumänischen Sprachkurs geben. Dass sie jetzt einfach ohne dieses vorbereitende rumänische Sprachjahr eingeschult werden, ist ein weiteres Trauma. Die Kleinen werden sich vielleicht anpassen. Aber die Teenager werden nach einem Lehrplan lernen müssen, der nicht der einfachste ist. Ich weiß, es wird schwer für sie. Jetzt verstehen mehr Leute, dass der Krieg noch mindestens zwei Jahre dauern kann. Die Frauen verstehen sehr gut, dass sie sich auf die Kinder konzentrieren müssen“.
Sie verdienen mehr Unterstützung, mehr organisierte Unterstützung, vor allem im Bildungsbereich, sagt Anastasia Staicu, die auf ein Beispiel verweist: Caterina, eine der ukrainischen Frauen, für die ihr Kind an erster Stelle steht, kam vor einem Jahr mit ihrem Sohn nach Rumänien.
„Am Anfang war ich wie alle anderen deprimiert, denn es ist nicht leicht, seine Familie zurückzulassen und mit seinem Kind in ein unbekanntes Land zu gehen. Aber ich keine andere Wahl als mich schnell zusammenzureißen, denn ich war für mein Kind allein verantwortlich. Ich fand eine Stelle in einem Sozialzentrum, wo ich Müttern mit Kindern half, die Unterkunft, Transport und Dokumente brauchten. Dann hatte ich das Glück, eine Stelle hier bei Seneca zu bekommen, wo wir ein nettes Team sind, wo wir uns gegenseitig und auch weiterhin anderen Ukrainern helfen. Meine ganze Familie ist in der Ukraine – meine Großeltern, meine Eltern, mein Mann. Wir bleiben in Kontakt, soweit es das Internet zulässt, und hoffen alle auf den Sieg.“
Für Caterina hat der Verein Seneca nicht nur bei der Arbeitssuche geholfen, sondern auch beim Aufbau eines Unterstützungsnetzwerks, das hauptsächlich aus ukrainischen Flüchtlingsfrauen, aber auch aus hilfsbereiten Rumänen besteht. So fällt es ihr leichter, diese schwierige Zeit zu überstehen und ihr Lächeln und ihren Optimismus zu bewahren. Das gilt auch für Tatiana, eine andere Frau, die vor einem Jahr mit ihrer 12-jährigen Tochter, drei Katzen und einem Welpen aus der Ukraine kam. Eine Freundin, die bereits in Rumänien lebte, hat ihnen geholfen. Nach der Angst, ihre Heimat zu verlassen, der Ungewissheit der Reise in ein unbekanntes Land hat sich Tatiana langsam und problemlos eingelebt, Rumänisch gelernt und ist Buchhändlerin geworden. Mehr noch, sie hat Rumänien besser kennengelernt. Freunde haben sie und ihre Tochter auf Kajaktouren mitgenommen, eine Unterkunft gefunden, was sehr schwierig ist, weil sie viele Haustiere hatten. Tatiana lernt die Sprache, erzählt sie, aber für ihre Tochter ist es noch etwas schwieriger – um sie herum herrscht immerhin eine freundliche Atmosphäre, Kollegen und Lehrer sind sehr offen, und sie spricht gut Englisch, was ihr sehr hilft. Ja, sie lebt sich ein, aber es ist ein langer Prozess, sagt Tatiana.