Umweltverschmutzung: Illegale Abfall-Verbrennungen verpesten die Luft
Illegale Abfallverbrennungen und die daraus resultierende Luftverpestung sind ein Problem, mit dem sich Bukarest seit Jahren konfrontiert. Die Behörden ermitteln selten in solchen Fällen und verhängen meistens nur halbherzig Geldstrafen.
Christine Leșcu, 15.12.2021, 17:30
Die Verkehrseinschränkungen und Ausgangssperren während der Pandemie — insbesondere im Frühjahr 2020, als der Notstand zum ersten Mal ausgerufen wurde — haben vorübergehend zur einer Abnahme der Luftverschmutzung in Großstädten und Ballungsräumen geführt. Gerade in Bukarest, das in puncto Umweltverschmutzung EU-weit einen unrühmlichen zweiten Platz unter allen Hauptstädten belegt, war damals die bessere Luft sofort spürbar — weniger Autos im Verkehr verursachten auch weniger schädliche Ausstöße in die Atmosphäre. Doch paradoxerweise konnten die Bukarester dank der besseren Luft ein anderes Phänomen verstärkt wahrnehmen — besser gesagt: riechen –, das schon länger präsent und bis dahin eher ignoriert worden war. Insbesondere in Randbezirken der Hauptstadt verpesten in regelmäßigen Abständen stinkende Rauchschwaden die Luft, die von Verbrennungen außerhalb der Stadt kommen und die Einwohner wütend machen. In Ermangelung einer entschiedenen Reaktion der Behörden hat wie so oft die Zivilgesellschaft auf die Missstände reagiert. Oana Neneciu ist Mitglied des Umweltvereins Ecopolis und koordiniert die Überwachung des Luftsensoren-Netzwerkes Aerlive, mit dem die Luftqualität in Großstädten gemessen wird. Sie weiß auch nur ungefähr, wer die Luftverschmutzer sind, und ärgert sich über die Untätigkeit der Behörden:
Leider haben wir überhaupt keine offiziellen Daten von den Behörden, die sich dieser unsäglich unangenehmen Sache annehmen müssten. Und unsere Informationen sind auch nicht vollständig. Wir können nur vor Ort und meistens nachträglich feststellen, was passiert ist. Es handelt sich um die Verbrennung von Autoteilen, die vor der Verschrottung oder dem Auseinandernehmen nicht unmittelbar wiederverwertbar sind — meistens Autoreifen. Sie werden auf leerstehenden Feldern oder an Orten zusammengetragen, die im Umland von Bukarest, aber auch im entfernteren Landkreis Dâmbovița zur Verfügung stehen. Von Zeit zu Zeit werden sie verbrannt, die Einwohner dieser Ortschaften, die die Autos nach unserer Kenntnis auch auseinanderbauen, zünden sie ohne Bedenken einfach an. Aber offizielle Daten zu diesen Vorgängen gibt es wie gesagt nicht. Wir von Ecopolis und Aerlive haben daher seit diesem Herbst unter den Stichworten Verbrannte Luft“ eine Kampagne gestartet. Ziel ist es, dem Phänomen auf den Grund zu gehen, um zu erfahren, woher die Abfälle stammen, wer sie den Flammen preisgibt und warum die Kommunalbehörden nicht oder nur halbherzig reagieren. Auch wollen wir wissen, warum die örtliche Müllabfuhr diese Abfälle nicht einsammelt, um zu verhindern, dass sie unsachgemäß verbrannt werden.“
Wie schädlich diese Abfall-Verbrennungen für die Gesundheit der Menschen sind, belegt eine Studie, die Aerlive zusammen mit dem Institut für Atomphysik im nahe gelegenen Măgurele erarbeitet hat. Dort heißt es, dass die Verbrennung von Abfällen in gewöhnlichen, haushaltsüblichen Öfen sogenannte PM-10-Partikel freisetzen, die signifikant mehr krebserregende chemische Stoffe beinhalten als beim Verheizen von Holz. Auch beim Verbrennen von Abfällen, die Kunststoffe beinhalten (beispielsweise PET-Flaschen, Polyurethanschaum, Kleidung), werden erhöhte Mengen an Kohlenwasserstoffen mit tausendfach höherer Konzentration an Schadstoffen freigesetzt. Das Phänomen der illegalen Verbrennung von Abfällen hat dermaßen zugenommen, dass letztendlich die Behörden doch darauf aufmerksam geworden sind. Beispielsweise musste der Katastrophenschutz im Jahr 2020 mehr als 130mal intervenieren und feststellen, dass insgesamt über 870 Tonnen Abfall auf illegalen Deponien verbrannt wurden. Oana Neneciu vom Umweltverband Ecopolis meint, dass die Behörden zu wenig dagegen tun.
Der Katastrophenschutz berichtet über Einsätze auf privaten Grundstücken, wo solche illegale und unkontrollierte Abfall-Verbrennungen stattfinden — das passiert meistens in den Höfen der Menschen oder in der Umgebung. Doch wenn die Verbrennungen auf Feldern stattfinden, bekommen die Leute Wind davon, dass der Katastrophenschutz unterwegs ist, und löschen die Feuer, bevor die Behörden da sind. Auch die Umweltpolizei musste mehrmals eingreifen, beispielsweise im Dorf Sintești, unweit von Bukarest. Doch allzu genaue Information über die Vorfälle fehlt, und das finden wir besorgniserregend. Gerade deshalb wollen wir Druck ausüben, damit die Behörden viel entschlossener reagieren.“
Wie kommt es jedoch zu so vielen illegalen Abfall-Deponien? Die EU-Kommission hat Rumänien unlängst erneut vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Verstöße gegen die einschlägige EU-Richtlinie verklagt. Rumänien hat schlicht und einfach die Auflagen nicht erfüllt, die vorschreiben, dass Mülldeponien und Abfall-Sammellager bestimmte Standards zu respektieren haben, damit die Gesundheit der Menschen und die Umwelt nicht belastet werden. Mit dem Problem der Müllhalden im Umland von Bukarest beschäftigt sich auch der Verein Natur und Umweltschutz“. Bogdan Tucmeanu leitet den Verein und sagt, dass das Problem oft hausgemacht sei, während die Behörden jahrelang tatenlos hingenommen haben, dass die Umweltverschmutzung vor der eigenen Haustür zunimmt:
Im Nordwesten der Hauptstadt gibt es eine ganze Reihe von Müllabfuhr-Unternehmen, die ebenso viele Abfall-Deponien betreiben. Sechs oder sieben gibt es davon, hinzu kommt die von der Stadt selbst betriebene große Müllhalde im Vorort Rudeni, der eigentlich eingemeindet ist und somit zum 1. Bukarester Stadtbezirk gehört. Jahr für Jahr hat die mit diesen Abfall-Deponien zusammenhängende Umweltverschmutzung zugenommen. Es gibt auch noch viele industrielle oder halbindustrielle Anlagen, die ebenfalls sehr belastend für die Umwelt sind, mal abgesehen von der klassischen Luftverschmutzung durch den Verkehr und die Heizsysteme der Wohnsiedlungen.“
Müllhalden, die den Umwelt-Standards nicht entsprechen, sind nur ein Teil des Problems. Mit dem Verbrennen von nicht sofort wiederverwertbaren Abfällen versuchen einige Menschen, einen Gewinn zu erzielen, etwa indem das Metall in Elektrokabeln freigelegt wird. Somit nimmt das Problem auch eine wirtschaftliche Dimension an, führt Bogdan Tucmeanu weiter aus:
Ja, es gibt leider diese unglückliche Mode der Kabelverbrennung, um etwa an seltene Metalle zu kommen — für manche Menschen eine Möglichkeit, ihr Auskommen zu verbessern. Doch ist eine solche Methode extrem umweltschädigend und leider kann niemand genau sagen, welches Ausmaß das Phänomen der illegalen Abfall-Verbrennungen hat. Und die Behörden haben — wie so oft — keine kohärente Herangehensweise oder handeln überhaupt nicht.“
Handlungsbedarf besteht auch in der Politik. Unlängst wurde im Senat ein Gesetzentwurf eingereicht, mit dem die aktuelle Gesetzeslage im Umweltschutz verschärft werden soll. Illegale Abfall-Verbrennungen sollen demnach als Straftat gelten und künftig mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren oder deftigen Bußgeldern geahndet werden.