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Folgen der Pandemie: Burn-Out-Syndrom immer verbreiteter

Zu den Paradoxien der Pandemie gehört die Tatsache, dass die Arbeit im Homeoffice zu mehr Stress und Erschöpfung führt. Immer mehr Studien belegen das. Dazu sprechen wir im Sozialreport mit einem Psychologen und einem Personalunternehmer.

Folgen der Pandemie: Burn-Out-Syndrom immer verbreiteter
Folgen der Pandemie: Burn-Out-Syndrom immer verbreiteter

, 28.04.2021, 17:30

Ein Jahr Pandemie liegt hinter uns — ein Jahr voller Lockdowns, Masken, Desinfizieren auf Schritt und Tritt. Und ein Jahr Telearbeit. Sie war als ideale Lösung für unseren Schutz vor einer Covid-19-Infektion gepriesen, und, wo nur möglich, wurde Büroarbeit in die eigenen vier Wände verlegt. Heute hat sich die Sichtweise signifikant verändert. Die psychische Erschöpfung oder das so genannte Burn-Out-Syndrom fordert bei einer wachsenden Zahl von Menschen einen zunehmend hohen Preis. Die besorgniserregende Inzidenz des Burn-Out-Syndroms hat in letzter Zeit Spezialisten dazu veranlasst, es mit der Heimarbeit in Verbindung zu bringen und internationale Forschungsstudien sind schon veröffentlicht worden. Auch in Rumänien wird an solchen Studien gearbeitet, erläutert der Psychologe und Pädagoge Dragoș Iliescu:




Statistische Daten liefern vor allem Fokusgruppen, die an der Universität Bukarest und der Westuniversität in Timișoara (Temeswar) im Bereich der Arbeitsgesundheit, speziell zum Thema Stress am Arbeitsplatz, organisiert wurden. Die Zahlen sind buchstäblich explodiert, was auch zu erwarten war“, sagt der Psychologe. Das Burn-Out-Syndrom werde ihm zufolge nicht durch Überarbeitung verursacht, wie die Forscher bisher angenommen hatten, denn offenbar arbeiten wir in der Zeit der Pandemie nicht unbedingt mehr. Die Erschöpfung werde überdies nicht durch die Arbeit allein verursacht, sondern durch andere, eher nebensächliche Dinge. Was zum Burn-Out-Syndrom führt, ist nicht unbedingt die Existenz von Stress, sondern der anhaltende oder chronische Stress. Er verändert den Menschen, und wenn wir heute von chronischem Stress sprechen, dann geht es darum, was wir ständig tun. Wir werden manchmal von diesen Dingen überfordert. Emotionale oder kognitive Anforderungen verändern die Menschen, wenn sie lang genug anhalten, findet Dragoș Iliescu.




Wissenschaftliche Studien zu beruflichem Stress haben ergeben, dass die Menschen zwar nicht per se mehr arbeiten, dafür aber das Gefühl haben, mehr zu arbeiten, wenn sie zu Hause sind. Die wahrgenommene Arbeitsbelastung ist sogar um 40% oder mehr gestiegen. Wir wissen nicht, ob das objektiv so ist, oder ob die Wahrnehmung, die wir dazu haben, rein subjektiv ist. Aber letztlich kommt es hier auf die Wahrnehmung an, denn die Menschen reagieren nach ihrer eigenen Wahrnehmung der Ereignisse, meint Dragoș Iliescu:



Die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitsleben sind völlig verschwommen. Man hat das Gefühl, dass man tagein, tagaus arbeitet, ohne Pause. Man hält kurz inne, um einen Happen zu essen oder für die Kinder zu kochen, dann geht man wieder an die Arbeit. Nicht wenige Menschen machen das durch, man hat das Gefühl, dass man immer mehr arbeitet und das Gleichgewicht zwischen Familie und Beruf einfach nicht mehr stimmt. Und dazu kommt meist noch das Gefühl der Unsicherheit durch die Pandemie, weil man nicht wei‎ß, wie es weitergeht. Diese vielen Stressfaktoren wirken dauernd ein und man hat keine Zeit, sich davon zu erholen — daher werden sie extrem schädlich“, sagt Iliescu.




Dass es keine Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben mehr gibt, ist auch für Fachleute offensichtlich geworden. Petru Păcuraru leitet seine eigene Personalberatungsfirma und erzählt aus dem Alltag seiner aus dem Home Office arbeitenden Kunden:



Sie sagen mir: ‚Ich habe gar nicht bemerkt, dass der Tag vorbei ist. Ich habe nur gesehen, wie es hell war und dann wieder dunkel.‘ Oder: ‚Ich bin vier Stunden lang nicht von meinem Stuhl aufgestanden, ich hatte keine Mittagspause.‘ Oder: ‚Ich empfinde konstanten Druck, ich werde ihn auch am Wochenende nicht los. Ich habe Kopfschmerzen, bin schlaflos und habe zugenommen.‘ (…) Und so weiter. Das Burn-Out-Syndrom wird von einem ganzen Paket von unangenehmen Dingen begleitet und beraubt uns auch einer besseren Kommunikation und der Zeit, die wir mit den Liebsten verbringen können. Ich denke, es ist überraschend und kontraintuitiv. Wir dachten, dass Heimarbeit uns helfen wird, aber in Wirklichkeit nimmt sie uns vieles weg, wenn wir nicht aufpassen, die berufliche von der privaten Sphäre seines Lebens zu trennen“, erklärt der Personaler.




Auch Kinder sind aufgrund des Online-Schulunterrichts und der vielen Stunden vor digitalen Bildschirmen von der Erschöpfung betroffen. Sie haben die üblichen Symptome dieses Zustands, und die Ursache für ihre Erschöpfung ist die gleiche wie bei ihren Eltern. Ein spezifisches Merkmal bei Kindern ist, dass Erschöpfung von Stressfaktoren wie Mangel an sozialen Kontakten mit Freunden herrührt. In einem solchen Fall müssen die Eltern fachgerechte Hilfe aufsuchen und ihren Kindern kommunikativ und verständnisvoll begegnen. Eigentlich sollten Systeme zur effizienten Bewältigung eines solchen psychischen Zustands für Jugendliche, aber auch für Erwachsene entwickelt werden. Die negativen Auswirkungen werden auch nach der Pandemie anhalten — die Fernarbeit wird uns auch nach der Pandemie erhalten bleiben, glaubt Personalunternehmer Petru Păcuraru:



Im Gro‎ßen und Ganzen sind etwa 20 Prozent der Beschäftigten in ganz Rumänien in Telearbeit. Aber in den Gro‎ßstädten, wo es nicht mehr so viel Industrie gibt und die meisten Angestellten in Büros arbeiten, liegt der Anteil der Telearbeit sogar bei etwa 50 Prozent. Im Bankwesen, wo wir auch Kunden haben, leisten 80% der Mitarbeiter Telearbeit und in der IT-Branche liegt der Anteil bei 90%. Es ist also klar, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren ein hybrides Arbeitssystem haben werden, das aus Telearbeit und Arbeit im Büro besteht. Ich gehe also davon aus, dass es uns in den nächsten Jahren gelingen wird, das Burn-out-Syndrom, das mit der Telearbeit einhergeht, in den Griff zu bekommen.“



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