Integration der Migranten in Rumänien: nur wenige Einwanderer, Akzeptanz unterschiedlich
Laut dem vom Zentrum für vergleichende Migrationsstudien durchgeführten Index für die Integration von Einwanderern befand sich Rumänien im Jahr 2018 mitten im Übergang vom Transit- zum Zielland für Migranten.
Christine Leșcu, 29.07.2020, 17:30
Die Hauptgründe für die Ansiedlung der Einwanderer in Rumänien sind die Familienzusammenführung im Falle der Verwandten der Flüchtlinge oder der politischen Asylsuchenden, die Beschäftigung, da Rumänien in bestimmten Bereichen eine Krise der Arbeitskräfte durchmacht, und die Fortsetzung des Studiums, insbesondere der Universitätsstudien. Ausländische Staatsangehörige mit rechtmäßigem Wohnsitz in Rumänien können in drei Kategorien eingeteilt werden: Drittstaatsangehörige, Bürger der EU-/EWR-Mitgliedsstaaten und Personen, die internationalen Schutz genießen. Die wichtigsten Herkunftsländer von Drittstaatsangehörigen sind: die Republik Moldau, die Türkei, China, Syrien und Israel. Und zwischen 2005 und 2017 stieg der Anteil der in Rumänien lebenden Einwanderer viermal: von etwa 0,5% auf 2% der Bevölkerung (etwa 380.000 Personen). Diejenigen, die sich hier niederlassen wollen, werden von bestimmten Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Eine dieser Organisationen ist ActivRandom, die vor drei Jahren von mehreren jungen Enthusiasten im Alter von etwa 25 Jahren gegründet wurde. Iosif Prodan ist Gründungsmitglied von ActivRandom; von ihm erfahren wir nun mehr über die Migranten, die sich in Rumänien niederlassen wollen:
Rumänien ist das EU-Land mit den niedrigsten Zahlen von Migranten oder Flüchtlingen, etwa 2% der Gesamtbevölkerung. Wir sind am unteren Ende der Rangliste, Rumänien ist nicht unbedingt ein Zielland für Einwanderer. Einer der Gründe ist, dass die wirtschaftliche Situation in unserem Land nicht wirklich rosig ist. Ein zweiter Grund ist ähnlich wie die Gründe der Rumänen, die sich entschließen, auszuwandern, um in einem anderen Land zu arbeiten. Sie wählen nicht die Länder, wo sie niemanden kennen oder worüber sie nichts wissen. Im Allgemeinen emigrieren die Leute in Länder, wo sie Verwandte und Freunde haben, und in diesen Staaten wachsen automatisch die Auslandsgemeinschaften, die sog. Diaspora. Dasselbe gilt auch für die Migranten, die aus dem Nahen Osten kommen. Wenn sie Verwandte in Frankreich und Deutschland haben, würden sie sich lieber dort niederlassen als in Rumänien, wo sie niemanden haben.“
Die Organisation ActivRandom arbeitet mit den Migranten, die sich dafür entscheiden, in Rumänien zu bleiben. Sie bietet den Einwanderern kostenlosen Rumänisch- oder Englischunterricht und helfen ihnen bei den Kursen, die sie belegen müssen, um die rumänische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Außerdem wird den Kindern durch Malworkshops, Sportaktivitäten und Einladungen zu Theateraufführungen bei der Integration geholfen. Denisa Colţea arbeitet ehrenamtlich im Verband ActivRandom und hält Kurse, die notwendig sind, um die rumänische Staatsbürgerschaft zu erhalten:
Zu unseren Kursteilnehmern gehören auch Leute, die seit über 20 Jahren in Rumänien leben. Anfangs waren sie für ein Universitätsstudium gekommen, sie haben hier studiert und dann blieben sie hier, wo sie auch ihre Familien gründeten. Und jetzt wollen sie die rumänische Staatsbürgerschaft erhalten. Im Rahmen des Kurses werden die Fächer rumänische Geschichte, Verfassung, Geographie, Kultur und Zivilisation studiert, sowie mehrere separate Fächer, die sich auf die Hymne Rumäniens und Informationen über die EU konzentrieren.“
Eine der Nutznießerinnen von ActivRandom ist die 18-jährige Fatima Zarwari aus Afghanistan. Sie kam vor drei Jahren mit ihrer Mutter und ihrem Bruder zur Familienzusammenführung nach Rumänien, da ihr Vater hier bereits als politischer Flüchtling anerkannt war. Die Gründe, Afghanistan zu verlassen, waren offensichtlich die Unsicherheit und die Angst vor den Taliban. Fatima Zarwari:
Wir fühlen uns sehr gut in Rumänien, wo Frieden herrscht, wir führen ein normales Leben, ich gehe zur Schule, wir sind glücklich. Am Anfang war es schwieriger. Der erste Monat in Europa schien in Ordnung zu sein, alles war neu und interessant. Aber dann wurde ich sehr traurig, weil wir von unseren Verwandten und Freunden in Afghanistan getrennt waren. Es war sehr schwierig für uns. Aber dann konzentrierten wir uns darauf, die rumänische Sprache zu lernen, und nach und nach gewöhnten wir uns an unser neues Leben.“
Zur Zeit ist Fatima Schülerin der 12. Klasse in einem Bukarester Gymnasium, sie hat Rumänisch gelernt und sagt, dass sie in der Schule von Kollegen und Lehrern sehr gut aufgenommen wurde. Sie erlebte jedoch auch unangenehme Momente. Fatima Zarwari:
Der schlimmste Fall passierte mit meiner Mutter, weil sie die Sprache nicht gut gelernt hat und sie nicht sehr gut Rumänisch kann. Manchmal war sie weinend nach Hause gekommen, weil jemand an ihr vorbeigegangen war und sie angespuckt oder böse angeschaut hatte. Das ist mir auch schon ein paar Mal passiert, als ich mit meiner Familie zusammen war. Einmal war ich mit der ganzen Familie in der Straßenbahn und ich ging zur Uni, wo ich bei einem Treffen mit den Studenten über Flüchtlinge sprechen sollte. Es war die Zeit, als wir Asylsuchende waren und wir auf die Antwort auf den Asylantrag warteten. Wir wussten schon, dass die öffentlichen Verkehrsmittel für Asylsuchende kostenlos waren. Ich hatte nur eine Asylantenkarte dabei. Wir wurden in der Straßenbahn von den Kontrolleuren der öffentlichen Verkehrsmittel kontrolliert, und obwohl bei anderen Kontrollen alles in Ordnung gewesen war, sagten uns diesmal die Kontrolleure, dass wir kein Recht auf kostenloses Fahren hätten und wir eine Geldstrafe zahlen müssten. Die Kontrolleure haben sich sehr schlecht benommen, wir mussten aus der Straßenbahn aussteigen, die Polizei kam auch, es sammelten sich viele Leute, manche fragten uns, was wir hier zu suchen hätten und sagten, dass wir in unsere Heimat zurückkehren sollten. Das machte mich sehr traurig, ich weinte damals sehr viel.“
Infolge ihrer Erfahrung als Freiwillige sagt Denisa Colţea, dass die Migranten, die zu ihren Kursen kommen, Episoden von Diskriminierung als Einzelfälle betrachten. Vor einigen Wochen gab es aber in der rumänischen Ortschaft Ditrău, Kreis Harghita (Zentralrumänien), Proteste der Lokalbevölkerung gegen einige Migranten aus Sri Lanka, die in einer Bäckerei arbeiteten. Die Einheimischen ärgerten sich darüber, dass die Arbeitgeber lieber Ausländer einstellten. Der Fall ist immer noch unklar, da man nicht weiß, ob es sich um Fremdenfeindlichkeit oder um eine Revolte gegen einige Arbeitgeber handelt, die sich weigern, den Einheimischen menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Bezahlung anzubieten und lieber Migranten als billige Arbeitskräfte einstellen. Solange diese Situation nicht geklärt ist, können bestimmte Neigungen zur Diskriminierung von Ausländern nicht übersehen werden. Iosif Prodan von ActivRandom dazu:
Wir Rumänen halten uns für sehr gastfreundlich. Dieser alte Eindruck über uns selbst stimmt aber nur in Bezug auf Leute, die aus dem Westen zu uns kommen. Wir dachten nicht, dass jemand aus dem Osten hierher kommen würde, um sich in Rumänien niederzulassen und zu arbeiten. In der ersten Phase wissen wir nicht, wie wir reagieren sollen. Und dann treten zwei Arten von Verhalten auf: Entweder lehnen wir die Migranten aus dem Osten völlig ab, oder wir nehmen sie einfach auf. Ich gehöre zu einer Generation, deren Eltern ins Ausland ausgewandert sind, um dort zu arbeiten, und deshalb funktioniert das Einfühlungsvermögen in unserem Fall sehr leicht. Es ist ein Mindestbeweis der Menschlichkeit, zu verstehen, dass es Menschen auf dieser Welt gibt, die traumatische Erfahrungen hatten und lange Zeit in Angst lebten. Es scheint mir unmöglich, dass man diese Situation nicht versteht und dass man einen Migranten, der viel gelitten hat, nicht in seiner Nähe akzeptiert, um ihm zu helfen.“
Um Migranten bei der Integration in Rumänien weiter zu helfen und die Akzeptanz durch die Einheimischen zu fördern, organisiert ActivRandom seit 2018 das Festival OmFest“ (dt. MenschenFest“), eine interkulturelle Veranstaltung, die die Vielfalt der ausländischen Gemeinschaften in Rumänien hervorhebt.