Kinderrechte in Rumänien: Bericht einer NGO bescheinigt kritische Lage
2019 feiert die Welt 30 Jahre Kinderrechte. Die UN-Kinderrechtskonvention hat dazu beigetragen, dass sich das Leben für Kinder in vielen Bereichen verbessert hat. Doch viele Mädchen und Jungen sind bis heute von diesen Fortschritten ausgeschlossen.
Christine Leșcu, 04.12.2019, 17:30
Am 20. November 1989 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, kurz UN-Kinderrechtskonvention, ein Dokument, das auch von Rumänien ratifiziert wurde. 30 Jahre später verfassten die NGO Save the Children“ und der Ombudsmann in Rumänien eine Studie über die mangelhaftesten Kapitel Rumäniens im Hinblick auf den Schutz der Kinderrechte in Rumänien. Von der wirtschaftlichen Situation der Kinder, die zum Schulabbruch führen kann, bis hin zur Kinderarbeit, Ausbeutung von Minderjährigen und Gewalt gegen Kinder sieht die Zusammenfassung der 30-jährigen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Rumänien nicht ermutigend aus. Dazu Gabriela Alexandrescu, geschäftsführende Präsidentin der Organisation Save the Children“ Rumänien:
Die Situation der Kinder in Rumänien ist nach wie vor kritisch. 30 Jahre nach der Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes lebt ein Drittel der Kinder in Rumänien unterhalb der Armutsgrenze, und es gibt eine chronische und recht große Spaltung zwischen Stadt und Land in Bezug auf die Achtung der Rechte des Kindes, wie das Recht auf Gesundheit, Bildung und menschenwürdiges Leben. Auch der Schulabbruch ist extrem hoch und beeinflusst die Entwicklung der Gesellschaft erheblich. Rumänien hat leider die höchste Kindersterblichkeitsrate in der EU: Obwohl der Trend rückläufig ist, blieb die Kindersterblichkeitsrate bei 6,5‰ gegenüber dem EU-Durchschnitt von 3,6‰. In Rumänien werden auch die höchsten schweren Entbehrungen bei Kindern in der EU vermerkt: In diesem Zusammenhang beträgt der Prozentsatz bei den rumänischen Kindern 21,5%, verglichen mit dem EU-Durchschnitt von 5,9%.“
Obwohl Rumänien aus legislativer Sicht die meisten Empfehlungen der UN-Kinderrechtskonvention übernommen hat, waren die Fortschritte der letzten zehn Jahre bei den Kapiteln Kindersterblichkeit, Schutz vor Gewalt und Armutsbekämpfung eher bescheiden. In vielen Bereichen haben sich der Lebensstandard und der Zugang zu Dienstleistungen für Roma-Minderjährige und für Minderjährige mit Behinderungen sogar verschlechtert, so der Bericht der Organisation Save the Children“ über die Achtung der Kinderrechte in Rumänien. Außerdem ist der allgemeine Zugang zur Bildung — einschließlich Erziehung über Gesundheit und Fortpflanzung — aufgrund vieler sozialer Probleme mangelhaft. Rumänien ist beispielsweise das europäische Land mit den meisten minderjährigen Müttern: Es gibt über 17.000 minderjährige Schwangere pro Jahr, und fast 800 dieser jungen Mütter sind unter 14 Jahre alt. Gabriela Alexandrescu mit Details:
Infolge des Schulabbruchs während der Grundschule und in der Hauptschule verlieren wir durchschnittlich 30.000 Kinder, die keine Schule mehr besuchen. Und die Beteiligung von Roma-Kindern am Schulunterricht ist immer noch gering.“
Hinzu kommt, dass die Schule in einigen Fällen kein günstiges Umfeld ist; auch in der Schule ist die Gewalt präsent, die ohnehin das Leben vieler Kinder dominiert. Mehr dazu von Gabriela Alexandrescu, der geschäftsführenden Präsidentin der Organisation Save the Children Rumänien“:
Viele Eltern oder Familienmitglieder wenden verbale, emotionale und körperliche Gewalt an, um ihre Kinder zu ‚erziehen‘. Fast zwei Drittel der Kinder geben an, dass sie unter einer solchen Praxis der Erziehung in der Familie leiden. In der Schule ist eines von drei Kindern Opfer oder Zeuge von Bullying oder Mobbing. Unsere Kinder werden mit viel Gewalt konfrontiert.“
Um die Fälle der Nichteinhaltung der Rechte von Minderjährigen zu verringern, verfügt der Ombudsmann seit 2018 über eine spezialisierte Abteilung. Der Kinderombudsmann übernimmt und bearbeitet Beschwerden über die Verletzung eines oder mehrerer Rechte von Personen im Alter unter 18 Jahren. Was der Kinderombudsmann im ersten Jahr seiner Aktivität geleistet hat, erfahren wir von der Fachberaterin Ligia Crăciunescu:
Dieses Jahr haben wir 517 Beschwerden und 425 Meldungen von Amts wegen registriert. Es gab über 90 Untersuchungen in Fällen von möglichen Verletzungen der Kinderrechte, und der Kinderombudsmann erteilte über 50 Empfehlungen in Bezug auf diese Rechte. Es gab 156 Telefonmeldungen und rund 200 Gespräche mit betroffenen Personen in der Hauptstadt und in der Provinz. Alle diese Daten beziehen sich auf mögliche Verletzungen der Rechte des Kindes.“
Ein Beispiel für einen Fall, der durch die Initiative eines Kinderbeauftragten gelöst wurde, war der eines 12-jährigen Jungen aus dem Kreis Dâmboviţa, der von seinem eigenen Vater zur Arbeit geschickt wurde. Die ersten Informationen kamen zunächst aus den Medien, sagt Ligia Crăciunescu.
Sobald uns diese Nachricht bekannt wurde, schaltete sich der Kinderombudsmann von selbst ein und forderte das Sozial- und Jugendamt Dâmboviţa auf, Auskunft über diesen Fall zu geben und die erforderlichen rechtlichen Maßnahmen zu treffen. Als Ergebnis dieser Aktion teilte uns das Sozial- und Jugendamt Dâmboviţa mit, dass das mobile Team des Jugendamtes und mehrere Vertreter der örtlichen Behörden — Polizei und Rathaus — an Ort und Stelle waren und einen 12-jährigen Jungen auf der Wiese der Stadt Găeşti fanden, der sagte, dass er sich täglich morgens bis abends um eine Kuhherde kümmern müsse. Der Vater wusste, dass sein Sohn arbeitete und nahm das Geld, mit dem das Kind für seine Arbeit bezahlt wurde. Das Kind wurde sofort in ein Kinderzentrum gebracht und erhielt Sonderbetreuung und Psychotherapie, um dieses Trauma zu überwinden.“
Laut Statistiken einer anderen NGO, World Vision Romania, gehen 11% der benachteiligten Kinder in Rumänien arbeiten, anstatt die Schule zu besuchen.