Soziale Unternehmen in Rumänien: Gewinn und Profit sind nicht das A und O
Die Organisation Decât o Revistă“, kurz DoR, dt. Bloß eine Zeitschrift“ ist ein gemeinnütziger Verein, der wahre Geschichten als wesentliche Instrumente zur Transformation unseres Lebens, unserer Organisationen und der Gesellschaft erzählt.
Monica Chiorpec, 20.11.2019, 17:30
Seit 10 Jahren erzählt DoR Geschichten online, in einem vierteljährlichen Magazin für narrativen Journalismus, in Podcasts, in den Social Media und auf der Bühne. Angefangen als Experiment, das nur einmal stattfinden sollte, entwickelte sich das Projekt DoR weiter, dank der finanziellen und emotionalen Unterstützung zahlreicher Rumänen aus dem In- und Ausland die die DoR-Zeitschrift kauften, DoR-Veranstaltungen besuchten und Produkte mit dem DoR-Logo kauften.
Das Journalisten-Team Decât O Revistă“ (DoR) (dt. Bloß eine Zeitschrift“) hat neulich den Lebens- und Arbeitsleitfaden für kreatives Unternehmertum 2019“ veröffentlicht. Die neueste Ausgabe des Leitfadens widmet sich dem Thema Soziales Unternehmertum, und enthält 20 Geschichten über Verbände, Stiftungen, Unternehmen, mobile Apps, Coworking Büros und Business Transformation.
Die amerikanische Journalistin und Unternehmerin Jennifer Brandel war Ehrengast bei der Vorstellung des DoR-Lebens- und Arbeitsleitfadens für kreatives Unternehmertum 2019. Jennifer Brandel ist Geschäftsführerin und Mitbegründerin der Journalisten-Organisation Hearken. Sie ist Trägerin des Media Changemaker Prize des Center for Collaborative Journalism und 2018 wurde sie als eine von 30 weltverändernden Frauen in der bewussten Wirtschaft ausgezeichnet. Jennifer Brandel ist auch Mitgründerin von Zebras Unite — einer Community und Konferenz für Existenzgründer, die nach alternativen Wegen suchen, um faire Geschäfte aufzubauen.
Infolge ihrer eigenen Erfahrungen mit unternehmerischen Modellen, die nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen der heutigen Gesellschaft entsprechen, erarbeitete Jennifer Brandel eine Alternative zum alten Unternehmensmuster, das sie als Einhorn“ bezeichnet. Das Einhorn ist das übliche Unternehmensmuster, das sich nach Werten wie Gewinn und Wettbewerb orientiert und den Markt monopolisiert. Das neue Unternehmensmodell vom Typ Zebra“ schlägt einen anderen Ansatz vor, der sich an menschlichen Faktoren orientiert und die sozialen Auswirkungen berücksichtigt, die ein Unternehmen in der Gesellschaft haben kann. Jennifer Brandel:
In den letzten Jahren habe ich viel geschrieben — mit der Absicht, die Welt, die wir uns wünschen, klar darzustellen, und zwar mit den Unternehmen, die wir gerne hätten, einschließlich unserer eigenen Unternehmen, um ein anderes Wertesystem zu haben. Die von uns gestalteten neuen Unternehmen nannten wir Unternehmen vom Typ »Zebra«. Im Gegensatz zu Einhörnern sind Zebras echte Tiere, die in der realen Welt leben und schwarz-weiß-gestreift sind. Sie können sowohl gewinnorientiert als auch zweckorientiert sein. Zebras existieren durch Kooperation. Diese Tiere überleben in der Wildnis, indem sie zu einer Gruppe gehören, gut zusammenarbeiten und nicht versuchen, sich gegenseitig zu zerstören. Dieser Satz von Werten ist nicht entgegengesetzt, aber er ist doch anders. Anstatt ein exponentielles Wachstum zu verfolgen, sind Zebra-Unternehmen nachhaltig. Anstatt zu monopolisieren, geht es darum, eine Vielzahl von Unternehmen zu haben, die in der Lage sind, zusammenzuleben. Anstelle eines Spiels mit Gewinnern und Verlierern gibt es bei den Zebra-Unternehmen für jeden einen Gewinn. Es gibt Möglichkeiten der Zusammenarbeit, so dass jeder genug bekommt.“
Die von Jennifer Brandel vorgeschlagenen Werte beleben auch die Geschichten in dem Lebens- und Arbeitsleitfaden für kreatives Unternehmertum 2019“, herausgegeben vom Journalisten-Team DoR (Decât o Revistă“, Bloß eine Zeitschrift“). Die Auswirkungen auf die Gemeinschaft, das Vertrauen der Mitarbeiter eines Unternehmens, die Kundenzufriedenheit, aber auch die auf Ethik basierende Lieferkette und die gute Zusammenarbeit der Partner sind in diesen Geschäftsbeispielen am wichtigsten. Mehr dazu von Irina Tacu, Koordinatorin des Lebens- und Arbeitsleitfadens für kreatives Unternehmertum 2019:
Wir waren daran interessiert, Menschen zu finden, die Unternehmen und Organisationen in verschiedenen Städten führen, aber auch Auswirkungen auf verschiedene Bereiche haben. Uns interessierte in erster Linie, wie das soziale Unternehmertum von den Menschen betrachtet wird, die das System kennen, weil sie in Organisationen arbeiten und die Sozialunternehmer unterstützen, wie Ashoka Romania, NESsT Foundation oder Social Innovation Solutions. Wir waren sehr daran interessiert, herauszufinden, was diese Menschen zu ihrem täglichen Kampf treibt, wie sie ihre Mission verstehen, mit einfachen Worten, warum sie morgens aus dem Bett kommen.“
Die Ideen zum Unternehmertum im DoR-Leitfaden umfassen mehrere Tätigkeitsbereiche, einschließlich des Bildungsbereiches. Die alternativen Erziehungsmethoden, die den emotionalen Bedürfnissen der Kinder entsprechen, waren die Grundlage für das Projekt Tzitzi-Poc“. Irina Tacu:
Zu den Geschichten, die wir mit dem DoR-Team dokumentiert haben, gehört auch »Tzitzi-Poc«, ein Unternehmen, mit dem Mirona Păun versuchte, Emotionen in die Erziehung der Kinder zwischen 3 und 8 Jahren zu bringen. Zu diesem Zweck gestaltete sie eine interaktive Theatershow, an der die Kinder, die sich die Show ansehen, aktiv teilnehmen und mit der Geschichte der Figuren interagieren können. So können die Kinder bereits in jungen Jahren Emotionen wie Empathie, Freundschaft, oder sogar Angst besser verstehen.“
Der Lebensmittelbereich ist auch ein wichtiges Thema, wenn es um soziales Unternehmertum geht. Die neuen landwirtschaftlichen Genossenschaften wollen die kleinen Unternehmergemeinschaften unterstützen und gleichzeitig frisches Obst und Gemüse auf den Tisch der Rumänen bringen. Und eine Konditorei bietet Arbeitsplätze für Frauen aus benachteiligten Familien. Irina Tacu dazu:
Ich war in Apahida, einer Ortschaft aus dem Kreis Cluj (Klausenburg), bei der landwirtschaftlichen Genossenschaft Lunca Someşului. Dort lernte ich die Verkaufsleiterin Anca Marcu kennen. Ich habe verstanden, wie eine moderne landwirtschaftliche Genossenschaft funktioniert, wie sie vielen Bauern hilft, zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten, um ihr Gemüse besser zu verkaufen, damit wir Gemüse direkt von den Landwirten essen können. Ein erfolgreiches Geschäft ist auch »Tort de Bezea« (dt. »Baiser-Torte«), die Konditorei der Unternehmerin Simona Crăciun. Simona hat sich vorgenommen, Gutes zu tun und Frauen aus benachteiligten Familien zu helfen, die in ihrer Konditorei arbeiten wollen. Nach drei Jahren Geschäftstätigkeit versucht Simona nun, strukturierte Wege zu finden, um ihren Mitarbeiterinnen ein besseres Leben zu ermöglichen.“
Was die Architektur betrifft, so bietet der DoR-Leitfaden wahre Geschichten von Menschen, die ihren Mitmenschen helfen. Irina Tacu:
In dem Verband ArhiPera habe ich eine wunderbare Geschichte über eine Gruppe von Architekten entdeckt, die das praktizieren, was man partizipative Architektur nennt. Sie helfen Familien aus benachteiligten Gemeinden in mehreren Regionen Rumäniens, eigene Häuser zu bauen. Mit der Beteiligung der jeweiligen Familien planen und bauen die Architekten diese Häuser. Noch ein Beispiel: FABER ist eine aufstrebende Initiative aus Timişoara (Temeswar), wo 13 Menschen aus der Kreativwirtschaft sich zusammengeschlossen haben, um ein historisches Gebäude in der Stadt zu sanieren. In dem sanierten Gebäude werden ein Hub (Drehscheibe) für Kreative, ein Bistro und ein Veranstaltungsraum funktionieren. Die FABER-Mitglieder wollen die kreative Gemeinschaft der Stadt Timişoara für eine bessere Zusammenarbeit zusammenbringen.“
Weitere Geschichten über soziales Unternehmertum, Ideen für soziale Unternehmer, die sich am Anfang befinden, Gedanken darüber, was eine wirkungsvolle Zukunft bedeutet, aber auch Informationen über die Creative Minds Academy, findet man im Lebens- und Arbeitsleitfaden für kreatives Unternehmertum 2019“, vorgeschlagen vom Journalistenteam DoR (Decât o Revistă“, Bloß eine Zeitschrift“). Interessierte können den Leitfaden auf der Website www.dor.ro einsehen.