Viele Arbeitnehmer von Burnout gefährdet
Übererschöpfung – oder auf Neudeutsch Burnout – ist auch in Rumänien ein immer öfters angetroffenes Phänomen. Generell wird hier im Schnitt mehr gearbeitet als in anderen europäischen Ländern.
Christine Leșcu, 28.02.2018, 17:54
Nach Daten in der Erhebung zu Arbeitsbedingungen von 2016 arbeiteten über 35% der Beschäftigten in Rumänien mehr als 40 Stunden pro Woche — in der EU waren es im Schnitt gerade 23%. Viele wünschen sich aber, Überstunden zu machen — denn sie verdienen so mehr und können ihre niedrigen Löhne aufbessern. Dass es so zu Problemen für die Gesundheit und das Familienleben kommt, ist vorprogrammiert, sagt Dragoş Iliescu von der Hochschule für Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Uni Bukarest:
Überstunden sind ein Stressfaktor, und wenn eine Person längerfristig einem Stressfaktor ausgesetzt ist, führt das zu eigentlich unheilbaren Leiden — zum Beispiel zum Burnout, der dann in die Depression führt. Aber auch körperliche Leiden erscheinen — wie hoher Blutdruck oder auch Herzversagen.“
Nach dem Gesetz dürfen Überstunden nicht die Hälfte der Regelarbeitszeit übersteigen, bei einem 40-Stunden-Wochenpensum wären das 20 Stunden mehr. Das kann durch Freizeit ausgeglichen werden — oder durch mehr Geld. Für die zweite Lösung entscheiden sich die meisten Firmen in Rumänien. Es kommt dabei zu Extremsituationen wie bei der Firma Daewoo Mangalia Heavy Industries, die die Schiffswerft in Mangalia betreibt. In 2016 leisteten die Beschäftigten dort rund eine Million Überstunden, sagt die Gewerkschaft. Marin Florian war früher Chef der Gewerkschaft und ist heute im Ruhestand. Er erinnert sich, dass von morgens früh bis abends spät gearbeitet wurde, auch am Wochenende. Jeder, der Überstunden machen wollte, durfte das tun, sagt Marin Florian:
Es gab zwar auch Fälle, wo Leute keine Überstunden arbeiteten. Aber das waren ganz wenige, denn die Arbeiter wussten, dass Überstunden mehr Geld bedeutet. Denn Überstunden wurden doppelt bezahlt. Die Situation war so, dass über dem normalen Pensum von 170 Stunden im Monat noch einmal 140 Stunden gearbeitet wurde. Manche Arbeiter kamen auf 320 Stunden im Monat“.
Manchen Arbeitern wurde auch nahegelegt, auf ihren Urlaub zu verzichten, berichtet der Ex-Gewerkschafter. Dafür wurden sie entsprechend bezahlt. Das war zwar gegen geltendes Gesetz, aber eine Firma mit zwei Milliarden Lei Umsatz leistet sich ein Bußgeld von 3000 Lei aus der Portokasse, so Marin Florian. Doch die Knochenarbeit hatte Folgen, meint er.
58% der Beschäftigten klagten über verschiedene Leiden — an der Wirbelsäule, am Gehör, an Augen oder Herz. In einigen Familien kam es zu Trennungen, denn die Frauen sagten, sie könnten nicht mit jemandem zusammen sein, wenn der ständig auf der Werft ist, auch wenn er gutes Geld verdient. Als Kinder gebeten wurden, ein Bild der Familie zu zeichnen, malten sie nur die Mutter — der Vater war ja nie da.“
Dragoş Iliescu von der Hochschule für Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Uni Bukarest konnte das in einer Studie bestätigen, die er zusammen mit der Dachgewerkschaft BNS und der Friedrich Ebert Stiftung Rumänien durchführte.
Das Burnout-Risiko ist bei Beschäftigten, die Überstunden machen, 127% höher als bei jenen, die das nicht tun. Das Risiko, mit dem Familienleben nicht zufrieden zu sein, 109% höher. Überstunden machen das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Familienleben kaputt. Man sieht mehr Trennungen, Scheidungen, Gewalt. In 96% mehr Fällen sehen wir Suchtverhalten: Nikotin, Alkohol, andere Stoffe.“
Spezialisten empfehlen deshalb, Überstunden mit Freizeit statt Geld zu auszugleichen, meint der rumänische Experte.
Die schädlichen Auswirkungen können nicht durch Geld wettgemacht werden, sondern nur durch freie Stunden oder Tage. Wer über eine bestimmte Dauer wieder zum normalen Takt wieder findet, baut die negativen Wirkungen wieder ab. Der menschliche Organismus ist flexibel genug dafür.“
Auch auf der Basis seines Berichts wird im Moment im Parlament über ein Gesetz diskutiert, das Firmen, wo illegal mehr gearbeitet wird, schärfer bestraft.