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Kinderhorte und After-School: Wer betreut die Kinder nach Schulende?

Aufregung und Begeisterung prägen jedesmal den Schulanfang. Doch in Rumänien kommen jeden Herbst auch dringende Fragen auf. Eine davon stellen sich die meisten Eltern.

Kinderhorte und After-School: Wer betreut die Kinder nach Schulende?
Kinderhorte und After-School: Wer betreut die Kinder nach Schulende?

, 28.09.2016, 20:35

Wo und mit wem wird sich ihr Kind nach Ende des Schulunterrichts aufhalten? Manchmal helfen Kindermädchen oder Großeltern aus, in andern Fällen wenden sich die Eltern an eine Schule nach Unterrichtsschluss, die umgangssprachlich als After-School“ bezeichnet wird. Diese Dienstleistungen stellen allerdings individuelle Lösungen dar, denn sie kosten teilweise mehr als sich ein Bürger mit durchschnittlichen Einkommen leisten kann. Dabei ist im 2011 verabschiedeten Bildungsgesetz klar vorgesehen, dass alle Bildungseinrichtungen in Rumänien das Recht auf ein Schulprogramm nach dem Unterricht“ genießen. Das ist im Artikel 5 geregelt.



Laut Gesetz wurde dieses öffentliche – und nicht private – Programm geschaffen, um den Kindern ein entsprechendes Umfeld für die Hausaufgaben zu bieten, wo sie zusätzlich bei der Aneignung bestimmter Kenntnisse unterstützt werden und auch eine warme Mahlzeit bekommen. So soll dem frühzeitigen Schulabgang vorgebeugt und benachteiligten Familien unter die Arme gegriffen werden.



Alles schön und gut, nur sind dieses Programm und geltende Bestimmungen nie umgesetzt worden. Aus diesem Grund hat die NGO Human Catalyst erforscht, wie das Programm Schule nach dem Unterricht in den Bildungseinrichtungen Rumäniens abgewickelt werden sollte. Laura Marin, die Direktorin von Human Catalyst, spricht von unterschiedlichen Finanzierungsquellen für das Programm.



Theoretisch führt die Schule eine Bedarfsanalyse durch. Man erkennt dabei wie die Schüler die im Unterricht angeigneten Kenntnisse spezifisch erweitern können. Und anhand der Bedürfnisse werden eine Reihe von Aktivitäten vorgeschlagen, die entweder vor oder nach dem Regelunterricht stattfinden sollen. Sowohl im Gesetzesartikel als auch in den Anwendungsnormen wird von vier Finanzierungsmöglichkeiten gesprochen: die Kommunalverwaltung, die Sponsoren, europäische Fördermittel und sogar der Hauhalt für Kinder aus benachteiligten Schichten. Auch ein möglicher Beitrag der Eltern wird erwähnt.



Nicht nur die Schulabgängerquote könne so gesenkt werden, sondern auch andere Probleme würden dadurch behoben. Es seien vor allem die Probleme der Familien aus benachteiligten Schichten, sagt Laura Marin von Human Catalyst.



Da wir in ländlichen Gebieten eine drei mal so hohe Armut antreffen als in den Städten, müssen wir die Nebenwirkungen der Armut berücksichtigen: niedriger Bildungsstand, mangelhafte Wohn- und Lernbedingungen usw. Es gibt Kinder, die mit ihren Eltern in einem Zimmer wohnen oder in einer improvisierten Lehmhütte ohne Strom, ohne einen Tisch für die Hausaufgaben, ohne irgendeinen Platz zum Aufbewahren der Schulhefte und Bücher. Sie können sich vorstellen, was es für ein solches Kind bedeutet, seine Hausaufgaben zu Hause zu machen. Wo überhaupt zu Hause? Und mit wem? Womit? Hinter dem Programm Schule nach dem Unterricht steckt eine sehr gute Idee. An dessen Erarbeitung haben sich Bildungsexperten beteiligt und er setzt nicht nur voraus, dass ein Kind seine Hausaufgaben in der Schule statt zu Hause erledigt. Laut Gesetz können Beratungsrunden mit den Eltern eingeschlossen werden, Seminare zur persönlichen Entwicklung, Hygieneerziehung, Sportveranstaltungen oder andere leistungsorientierte Aktivitäten. Alles was nicht während des Unterrichts passiert, kann durch derartige Programme ergänzt werden.



Human Catalyst hat bei ihren Studien herausgefunden, dass weniger als 15% der Kinder aus benachteiligten Familien zusätzliche Betreeung für die Bildung bekommen. Und in der Regel sind es weitere NGOs, die die Dienstleistung anbieten und seltener der Staat. Zudem lernen fast 300.000 Grund- und Schüler der Sekundärstufe in benachteiligten Schulen, in denen sie einem hohen Risiko ausgesetzt sind, zu Schulabgängern zu werden.



Laut Eurostat betrug die Schulabgängerquote in Rumänien 2015 19% – um sechs Prozentpunkte mehr als der EU-Durchschnitt. Jedoch sind nicht nur arme Eltern und Kinder mit dem Problem der Zeit nach dem Unterricht konfrontiert. Anemarie Necşulescu ist Projektleitern bei Habitat for Humanity Romania. Sie glaubt, dass ihrem Sohn, der in die vierte Klasse geht, das Programm Schule nach dem Unterricht gut tun würde.



Wir bezahlen bereits seit der Vorbereitungsklasse eine Nachbarin, die unser Kind von der Schule abholt. Aber weil das Kind jetzt bereits die vierte Klasse besucht und die Nachbarin etwas älter ist, kann sie nicht mehr auf ihn aufpassen oder ihm bei den Hausaufgaben helfen. Also mussten wir in der Familie alle zusammenlegen, um eine private After-School für ihn zu bezahlen. Viele Mütter, denen die erweiterte Familie nicht hilft, verzichten sogar auf ihre Arbeit, da es nicht sein kann, dass man 700-800 Lei pro Monat verdient (circa 160-180 Euro) und genausoviel für die After-School zahlt. Und dann kommt schon mal so etwas vor: manche Mütter können nicht mehr zur Arbeit zurückkehren, weil sie zu Hause mit den Kindern bleiben müssen, die nicht alleine gelassen werden können.



Aus der Studie von Human Catalyst geht auch der Hauptgrund für die Nichtumsetzung des Schule nach dem Unterricht-Programms hervor: die Finanzen. Deshalb sprach die NGO das Finanz- und das Bildungsministerium an, die zusätzliche Erläuterungen liefern sollten, wie die Direktorin Laura Marin berichtet.



Die erste Antwort kam von Finanzministerium, das in einem offiziellen Schreiben behauptete, dass trotz des Artikels und der Bestimmungen des Bildungsgesetzes und der Anwendungsnormen, das zuständige Ministerium niemals ein Budget für die Finanzierung des Programms beantragt habe. Die Leute aus dem Finanzministerium können keine Mittel dafür vorsehen, wenn das Bildungsministerium keinen Antrag in diesem Sinne stellt.



Nach mehreren Nachfragen und Treffen mit den Bildungsministern der vergangenen zwei Jahre gelang der Zivilgesellschaft schließlich ein Teilerfolg. Das Bildungsministerium hat seine Absicht erklärt, das Programm Schule nach dem Unterricht in die Haushaltsvorlage für 2017 einzuschließen. Es sollen momentan 50 Schulen aufgenommen werden. Dank einer verbesserten Methodologie des Programms könnten Finanzmittel aus dem Haushalt des Bildungsministeriums für die warmen Mahlzeiten in den 50 Schulen bereit gestellt werden, verspricht Staatssekretärin Monica Anisie. Weiteres Geld soll aus den Strukturfonds der EU abgeschöpft werden, die spezielle Finanzierungslinien für die besonders stark gefährdeten Schulen eingerichtet hat.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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