Wahrnehmung der Flüchtlingskrise in Rumänien: Unzulängliche Information führt zu Intoleranz
Eine NGO hat kürzlich die Wahrnehmung der Flüchtlingskrise in Rumänien untersucht und ist zu besorgniserregenden Ergebnissen gekommen. Die Rumänen informieren sich eher über die Social Media und sind tendenziell intorerant gegenüber Flüchtlingen.
Christine Leșcu, 20.04.2016, 16:35
Der massive Flüchtlingsstrom und dessen Bewältigung ist eine der größten Herausforderungen, mit denen die EU seit ihrer Gründung konfrontiert wird. Es ist eine Situation, über die jeder, der mehr oder weniger informiert ist, eine Meinung hat. Auf den ersten Blick haben die Rumänen nichts dagegen, dass Flüchtlinge nach Rumänien kommen. Dennoch wollen sie diese nicht in die Gesellschaft integrieren und mit ihnen Seite an Seite leben. Das ist die Schlussfolgerung der Umfrage Die Wahrnehmung der Flüchtlingskrise durch die Rumänen“, die neulich von dem Verband Pro Democraţia durchgeführt wurde. Iuliana Iliescu, Projektleiterin des Verbandes:
Größtenteils lassen sich die Menschen über die Social Media über die Flüchtlingskrise informieren. Rund 55% behaupten, dass sie ihre Informationen aus Sozialnetzen beziehen, und 29% aus dem Rundfunk und Fernsehen. Sie zeigen sich überwiegend besorgt über die Situation, wegen der negativen Nachrichten, die in diesen Netzwerken verbreitet werden. Bezüglich der Zahl der in Rumänien anwesenden Flüchtlinge, und ich beziehe mich auf die neu angekommenen, nach 2015, glaubt die Mehrheit, dass es sich um über 300 Flüchtlinge handelt — rund 35% glauben das. Unseres Wissens nach sind nur 15 Flüchtlinge gekommen. Hinsichtlich der Frage, ob sie mit der Anwesenheit der Flüchtlinge einverstanden sind, da gibt es ein Gleichgewicht zwischen Ja und Nein. Rund 54% sagen Nein, 46% Ja. Wenn wir die Akzeptanz eines Europäers in der Familie oder am Arbeitsplatz mit der eines Flüchtlings vergleichen würden, dann gibt es einen riesigen Unterschied. Bezüglich des Flüchtlings würden 26,5% der Rumänen bevorzugen, dass er nur auf Besuch kommt. Wenn wir die Lage in Syrien, und nicht nur, betrachten, sagen recht viele der Befragten, und zwar 18%, dass sie sie abschieben würden. Dagegen würden nur 2,5% einen europäischen Bürger einer anderen Nationalität abschieben.“
Wenn man allerdings über die Kinder der Flüchtlinge spricht, sind die Rumänen duldsamer. Die meisten von ihnen würden akzeptieren, dass ihre Söhne und Töchter, Flüchtlingskinder unter ihren Schulkameraden haben. Besorgniserregend ist, dass 40% der Meinung sind, dass Flüchtlinge in speziellen Lagern, nicht in der Stadt oder auf dem Land, wie es normal für die Integration sein würde, untergebracht werden sollen, sagt Iuliana Iliescu. Eine weitere Umfrage, die von INSCOP Research erarbeitet wurde, zeigt, dass 80% der Rumänen ablehnen, dass Flüchtlinge oder Einwanderer sich in Rumänien niederlassen.
Diesen Monat haben das Informationsbüro des Europaparlaments in Rumänien und der Verband Pro Democraţia eine Veranstaltung organisiert, die der Flüchtlingskrise gewidmet war. Claudiu Crăciun, Experte des Verbandes Pro Democraţia, hat darüber gesprochen, dass die Rumänen in der Vergangenheit mit Flüchtlingen aus Griechenland, aus der Türkei und aus dem Nahen Osten positive Erfahrungen hatten. Laut Claudiu Crăciun gibt es keinen hohen Widerstand auf zwischenmenschlicher Ebene. Das apokalyptische Bild der Ankunft der Flüchtlinge wird von Politikern, Institutionen und den Medien gezeichnet. Beim selben Rundtischgespräch erörterte Eleodor Pîrvu, stellvertretender Leiter des Generalinspektorats für Einwanderung im Außenministerium, dass es das Phänomen der Einwanderung in Rumänien seit langem gibt, und sprach über die rumänische Gesetzgebung in diesem Bereich:
Das Asyl-, Migrations- und Integrationssystem wurde nicht gleich nach der Revolution geschaffen. Dennoch wurden gleich nach der Revolution sehr wichtige Schritte unternommen, insbesondere durch den Beitritt zur Flüchtlingskonvention von 1991. Danach folgte eine Reihe von Gesetzen, die die Umsetzung der einschlägigen Politik geregelt haben. Der Höhepunkt ist die gegenwärtige Gesetzgebung und das System, das man im Bereich Asyl, Migration und Integration geschaffen hat. Dieses entspricht ganz den europäischen Anforderungen in diesem Bereich, mit allen bestehenden Richtlinien — die Richtlinie zur Qualifikation, die Richtlinie bezüglich Verfahren, die Richtlinie bezüglich Aufnahmebedingungen. Wir haben auch zwei Verordnungen — die Dublin- und die Eurodac-Verordnung.“
Laut Eleodor Pîrvu lag der Durchschnitt der Asylanträge in Rumänien in den letzten Jahren bei rund 1.200–1.300. Die Anträge wurden von Bürgern aus unterschiedlichen Nicht-EU-Staaten gestellt. In Rumänien gibt es eine Anstalt, die sechs Unterkunfts- und Empfangszentren für Asylbewerber mit einer Gesamtkapazität von 950 Plätzen koordiniert, die zu Krisenzeiten aufgestockt werden kann. Alle Asylanträge, die auf rumänischem Territorium gestellt werden, werden sehr schnell, binnen 30 Tagen, bearbeitet. Es ist das kürzeste Asylverfahren europaweit. Eleodor Pîrvu:
Alle Asylbewerber werden überprüft, in unsere Datenbanken registriert und laut den Standards in diesem Bereich bearbeitet. Diejenigen, deren Anträge abgewiesen werden, haben die Möglichkeit, diese Beschlüsse vor Gericht anzufechten. Diejenigen, die angenommen werden, erhalten eine Art Schutz, ein Flüchtlingsstatus oder einen Subsidiaritätsschutz, und können an dem Integrationsprozess teilnehmen. Dieser Prozess ist zurzeit nicht pflichtig für Personen, die Schutz erhalten. Neulich wurden in das Asylgesetz einige Bedingungen eingeführt, um nichtrückzahlbare Finanzhilfe 12 Monate lang von dem rumänischen Staat zu erhalten. In dieser Zeit ist die Person in Integrationsaktivitäten auf verschiedenen Ebenen involviert.“
Laut dem Verteilermechanismus der Flüchtlinge unter den EU-Mitgliedsstaaten sollen Rumänien im Zeitraum 2016-2017 insgesamt 6.205 Flüchtlinge zugewiesen werden.
Deutsch von Florin Lungu