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Ignoriert oder schikaniert: Whistleblower haben es in Rumänien nicht leicht

In Rumänien stehen Whistleblower unter dem Schutz eines im Jahr 2004 verabschiedeten Gesetzes. Doch daran halten sich nur wenige.

Ignoriert oder schikaniert: Whistleblower haben es in Rumänien nicht leicht
Ignoriert oder schikaniert: Whistleblower haben es in Rumänien nicht leicht

, 31.08.2016, 17:30

Vor dem Hintergrund des Abschlusses der Verhandlungen für den EU-Beitritt basierte die neue Rechtslage auf dem Grundsatz der Gewährleistung von Anonymität und Schutz denjenigen Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst, die den Mut haben, Unregelmä‎ßigkeiten oder Rechtsverletzungen in ihrem Arbeitsbereich anzuzeigen. Betroffen sind dabei sowohl finanzielle als auch ethische Probleme. Eine genauere Definition hat Codru Vrabie, Rechtsberater und Mitglied des Vereins Funky Citizens“. Vrabie wirkte in 2004 am Entwurf des Gesetzes mit. Was ist also ein Whistleblower?



Es ist der Mitarbeiter oder Amtsträger, der im guten Glauben handelt und bemerkt, dass um ihn herum etwas Unrichtiges geschieht, der dann Alarm schlägt und seine Vorgesetzten auffordert, Ma‎ßnahmen zu ergreifen, um die Mängel zu beheben. Wenn der Mensch kein Vertrauen hat, dass das Problem von seinem Arbeitgeber gelöst werden kann, steht ihm der Weg offen, sich an andere zu wenden.“




Eine gesetzliche Regelung für Whistleblower gibt es also seit über 10 Jahren in Rumänien. Die rumänische Rechtslage wurde neulich durch die Regionale Anti-Korruptionsinitiative im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa als eine der weltweit besten bestätigt. Doch es bleibt zu sehen, ob und wie dieses Gesetz richtig angewendet wird und vor allem ob Angestellte im öffentlichen Dienst es auch nutzen. Dazu Codru Vrabie:



Ich kenne über 50 Fälle und es gibt auch andere in Rumänien, denen solche Fälle bekannt sind. Meiner Meinung nach haben zwischen 300 und 500 Whistleblower in den letzten 12 Jahren Anzeige erstattet. Ich kann aber keine Meinung zu dieser Zahl äu‎ßern, weil ich sie nicht mit offiziellen Daten vergleichen kann. Öffentliche Einrichtungen in Rumänien haben keine eigenen Verfahren zum Schutz der Whistleblower umgesetzt und melden solche Fälle nicht weiter. Zweitens ist es so, dass man in der Rechtsprechungsdatenbank der Gerichte nicht nach dem einschlägigen Gesetz als Rechtsmaterie suchen kann — das Gesetz per se erscheint im Protokoll nur dann, wenn sich ein Verteidiger darauf beruft. Es steht nie im Mittelpunkt eines Prozesses.“




Die jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit der Arbeit der Nationalen Gesellschaft für Autobahnen und Nationalstra‎ßen in Rumänien (CNANDR) sind eine gute Gelegenheit, um zu prüfen, wie das Gesetz angewendet wird und unter welchen Bedingungen ein Whistleblower in Rumänien handeln kann. Im Jahr 2013 war Liviu Costache kaufmännischer Leiter bei diesem Staatsunternehmen — er konnte so über verschiedene Fälle von Diebstahl an Mautstationen bei bestimmten Brücken erfahren und ihnen nachgehen. Doch anstatt ihn dabei zu unterstützen, kündigte ihm die Unternehmensleitung. In seinem Fall wurde das Gesetz für den Schutz der Whistleblower ignoriert, klagt Liviu Costache:



Gravierend ist, dass die Behörden, und hier beziehe ich mich speziell auf die Autobahngesellschaft, versuchen, in interne Betriebsvorschriften oder sogar in den Tarifvertrag Redeverbote für Mitarbeiter einzuführen. Wir sind zum Beispiel verwarnt worden, weil wir in einer Sendung die Dinge falsch dargelegt hätten, obwohl alles, was wir gesagt haben, wahr ist — dass der ehemalige Geschäftsführer derzeit unter gerichtlicher Aufsicht steht, beweist das. Aber es kommt noch schlimmer. Man muss beim Geschäftsführer um Erlaubnis ansuchen, um in der Öffentlichkeit sprechen zu dürfen. Es ist eine ernste Verletzung der Verfassungsvorschriften, die die Meinungsfreiheit garantieren.“




Liviu Costache ist jedoch optimistisch über den Verlauf der Gerichtsverfahren, die gegen ihn wegen seiner Nachforschungen angestrebt wurden. Inzwischen ist der Geschäftsführer Narcis Neaga seinen Job losgeworden, gegen ihn ermittelt die Nationale Antikorruptionsbehörde (DNA), während er unter Gerichtsaufsicht gestellt wurde. Beigetragen dazu haben auch andere Whistleblower wie Alin Goga, ehemaliger Direktor für Investitionen im Regionalbetrieb für Stra‎ßen und Brücken in Craiova, und Claudiu Ţuţulan, Schichtleiter im gleichen Betrieb. Goga legte in einem TV-Programm Probleme beim Bau eines Autobahnabschnitts zwischen Sibiu (Hermannstadt) und Orăştie (Broos) offen. Heute ist dieser Abschnitt — ganz kurz nach der Eröffnung — für Reparaturen geschlossen worden. Aber Alin Goga bringt das nicht viel, umso mehr es ihn nicht entlastete, sich auf das Gesetz zu berufen.



Die Dinge bewegen sich sehr langsam, und die Leute, die wir angezeigt haben und auch in einem Bericht der Innenrevision des Verkehrsministers beschuldigt werden, sind — abgesehen von Narcis Neaga — weiterhin in ihren Ämtern geblieben. Und das ist nicht richtig. Ich habe den Dienstweg gewählt und den damaligen Geschäftsführer informiert, der aber keine Ma‎ßnahmen treffen wollte. Nachdem ich zur Presse ging, haben sie mir mit Strafanzeigen gedroht. Auf die Strafanzeige warte ich immer noch. Ich fühle mich von Gott und meinen Freunden und meiner Familie beschützt, sonst schützt dich ja keiner in Rumänien. Dieses Gesetz ist umsonst da. Obwohl klar im Gesetz steht, dass es für Staatsunternehmen gilt, also auch für die Autobahngesellschaft, hat die Führung das ignoriert — der Geschäftsführer hat einfach verfügt, dass das Gesetz in unserem Fall nicht anwendbar ist.“




Im gleichen Jahr 2013 hat Claudiu Ţuţulan zahlreiche Anzeigen erstattet, nachdem er Tankstellen an den Europa- und Nationalstra‎ßen geprüft hatte. Dabei hatte er festgestellt, dass Millionenschäden entstanden waren — doch auch er konnte im Whistleblowergesetz kaum Schutz vor der Willkür der Geschäftsleitung finden.



Ich berufe mich seit 2013 auf das Whistleblowergesetz, aber sie ermittelten intern gegen mich und wollten mir kündigen. Sie haben mich zweimal verwarnt, obwohl ich ihnen gesagt habe, dass sie nach dem Whistleblowergesetz verpflichtet sind, die Untersuchung durch die Medien zu akzeptieren und im Fernsehen Rede und Antwort zu stehen. Aber sie haben mit dem Diebstahl weitergemacht und das Gesetz mit Fü‎ßen getreten. Ich wurde auf Dienstreisen geschickt, ohne dass man mir eine Tagespauschale auszahlt oder die Transportkosten ersetzt. Sie haben mein Gehalt um 1.000 Lei gekürzt. Obwohl ich Raten für Bankkredite zahlen und für Frau und Kinder sorgen musste, zog ich es vor, mit meinen Kollegen den vollen Weg zu gehen — und erst jetzt, seit einiger Zeit wurde Geschäftsführer Neaga unter richterliche Aufsicht gestellt, während die DNA ermittelt. Das Problem ist folgendes: Umsonst gibt es dieses Gesetz, wenn nicht so viele von uns wie möglich es mit diesen Dieben aufnehmen. Sonst leiden unsere Kinder.“




Die Geschichten der drei Whistleblower sind bereits an die breite Öffentlichkeit getragen worden — die Starregisseurin und Dramaturgin Gianina Cărbunariu verarbeitete sie zum Theaterstück Gewöhnliche Menschen“.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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