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Aufbruchstimmung sorgt in Rumänien für mehr Europaoptimismus

Das jüngste Eurobarometer vom Herbst 2014 zeigt überraschend, dass im Kontext einer grassierenden Europamüdigkeit die Menschen in Rumänien mit der Europäischen Union eigentlich zufrieden sind.

Aufbruchstimmung sorgt in Rumänien für mehr Europaoptimismus
Aufbruchstimmung sorgt in Rumänien für mehr Europaoptimismus

, 01.04.2015, 16:15

74 Prozent, also drei von vier Menschen, erklärten sich 2014 in Rumänien zufrieden mit der Entwicklung in der Europäischen Union. Nicht alleine der Anteil ist erstaunlich, sondern auch, dass er im Vergleich zu 2013 um nicht weniger als 12 Prozentpunkte zugenommen hat. Die jüngst von der Europäischen Kommission veröffentlichten Ergebnisse des Barometers zeigen auch, dass die Rumänen zum Teil optimistischer über Europa denken als über das eigene Land: Die meisten sind der Auffassung, dass die Wirtschaftslage in der EU sich in diesem Jahr verbessert, aber nur 35% teilen diese Ansicht über Rumänien. Besonders erfreulich für Brüssel ist, dass die rumänischen Bürger — so die eigenen Angaben der rund 1000 Befragten zumindest — die EU-Institutionen kennen und die Prioritäten der Kommission von Jean Claude Juncker teilen. 72% unterstützen die EU-Erweiterungspolitik — mehr als alle anderen EU-Bürger und fast doppelt so viel wie der EU-Mittelwert von 39%. Generell hat die EU ein positives Image in Rumänien — und zwar bei 59% der Befragten. Nur in Polen ist das Bild besser. Angela Filote, die die Vertretung der EU-Kommission in Bukarest leitet, dämpft die voreilige Freude:



Der im Vergleich zu anderen Ländern höhere Euro-Optimismus der Rumänen wird hiermit bestätigt. Es freut uns selbstverständlich, dass die Rumänen der EU und seiner Zukunft vertrauen, dass die Union ein positives Image hat. Zur gleichen Zeit haben wir auch mehr Verantwortung zu tragen, denn wir würden ungern dieses Vertrauen enttäuschen. Bleibt zu prüfen, inwieweit dieses Vertrauen auf mehr oder weniger realistischen Erwartungen in Bezug auf die Fähigkeiten der EU beruht, das Leben der Menschen in Rumänien zu verbessern.“




Die EU-weite Umfrage zeigt, dass Rumänen insbesondere die Reisefreiheit (53%), die Demokratie (29%) und den Euro (25%) schätzen. Die grö‎ßte Errungenschaft der EU ist für 39% der Rumänen gerade die Arbeitnehmer-, Güter- und Dienstleistungsfreizügigkeit. Mehr als die Hälfte der Befragten sind damit zufrieden, wie die Demokratie in der EU funktioniert. Mit der Demokratie im eigenen Land ist nur ein Viertel zufrieden. Der gleiche Trend ist in Sachen Arbeitsmarktpolitik festzustellen: 77% der Befragten haben angegeben, dass die EU die Voraussetzungen für mehr Jobs in Europa und für die Entwicklung des Unternehmertums schafft. Die Mehrheit hat aber eine negative Einstellung zum rumänischen Arbeitsmarkt und nur 34% glauben, dass Rumänien sich in eine gute Richtung entwickelt.



Doch auch so reagieren Soziologen auf die Umfrageergebnisse verblüfft. Die Europäische Kommission führt das Barometer zweimal im Jahr durch und legt die Ergebnisse im Frühjahr und Herbst vor. Die Tendenz zu einer Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas in Rumänien sei unmissverständlich — die Rumänen seien optimistischer und zufriedener. Die Ergebnisse könnten dadurch erklärt werden, dass die Befragung im November 2014 erfolgte, zwischen den beiden Terminen für die Wahl des neuen Staatspräsidenten — die Wahlkampfatmosphäre und die Aufbruchstimmung könnten Einstellungen und Bewertungen beeinflusst haben. Für den Soziologen Dumitru Sandu gibt es auch einen anderen Grund: die volle Freizügigkeit für rumänische Arbeitnehmer ab dem 1. Januar 2014. In weniger als einem halben Jahr habe sich der Anteil der Menschen, die Rumänien in eine falsche Richtung gehen sehen, von 61% auf 43% reduziert. Und das ist nicht die einzige spektakuläre Entwicklung, sagt Dumitru Sandu:



Das Jahr 2014 hat mich total überrascht. Im Frühling 2014 glaubten 32%, dass sie in einem Jahr besser leben werden, im Herbst 2014 waren es schon 40%. Das Gesellschaftsleben bewegt sich nicht in massiven Schüben. Ein Sprung von acht Prozentpunkten in einem halben Jahr ist sehr viel! Dazu kommt: 20% glaubten im Frühling 2014, dass sich Rumänien in eine gute Richtung entwickelt, 34% sind es im Herbst. 14 Prozentpunkte innerhalb von sechs Monaten ist ein Riesensprung! Eine Verbesserung an allen Fronten, doch woher kommt sie? Weil die Daten im Eurobarometer im Vorfeld der Stichwahl für den neuen Präsidenten erhoben wurden, liegt nahe, dass die Hoffnung der Menschen auf ein bestimmtes Ergebnis ihre Einstellung beeinflusst hat.“




Der Soziologe Dumitru Sandu bemerkt au‎ßerdem, dass die Bürger die intensive Kampagne zur Bekämpfung der Korruption durchaus unterstützen. Auch diese Einstellung knüpfe an Erwartungen und Hoffnungen, die Menschen in einen neuen Präsidenten legen:



Zwischen Herbst 2010 und Herbst 2014, hat sich das Vertrauen der Bürger in die Justiz von 23% auf 46% verdoppelt — das ist riesig! Es bedeutet, dass nicht nur eine Fernsehshow abgezogen wird sondern eine echte Wirkung eingetreten ist. Vertrauen in die Justiz bedeutet Unterstützung von den Bürgern.“




An den Einstellungen hat sich nicht nur prozentmä‎ßig etwas geändert, stellen Soziologen fest — auch ein bestimmter Strukturwandel lässt sich belegen. Neben Inflation oder Arbeitslosigkeit sind die Bürger über die Arbeitsweise der Institutionen besorgt, erläutert Dumitru Sandu:



Die Bevölkerung reagiert extrem empfindlich auf Veränderungen in und von Institutionen und auf Versprechen glaubwürdiger Veränderung. Anders gesagt, auf das, was noch nicht ist, aber noch werden soll. Etwas Wesentliches hat sich an der Qualität der Reaktion verändert. Es geht nicht mehr nur um den Arbeitsplatz und den Lohn, die Menschen sind immer mehr an der Leistung der Verwaltung, an Gesundheit und Bildung interessiert. Die nach Spanien, Italien, Deutschland oder Frankreich abgewanderten Rumänen werden nicht heimkehren, nur weil die Löhne ähnlich sind, sondern wenn auch das Kindergarten- und Schulangebot stimmt, die Verwaltung so arbeitet wie im anderen Land. Diese institutionelle Komponente wird also extrem wichtig.“




Die Aufbruchstimmung, auf die Soziologen hinweisen, hatte nicht nur mit Rumänien zu tun — die Befragung erfolgte nur eine Woche nach der Mandatsübernahme der neuen Europäischen Kommission unter Jean Claude Juncker. Und die Konjunkturprognosen lauteten auf leichten Aufschwung bei niedrigerer Arbeitslosigkeit gegenüber 2013. In einer Hinsicht sind sich Rumänen und die restlichen Europäer einig: Zu fast 90% ist man überall in Europa der Meinung, dass Reformen notwendig sind, um mit den Herausforderungen der Zukunft fertig zu werden.

(foto: Anqa / pixabay.com)
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