Leseförderung in Rumänien
Zurzeit befindet sich der rumänische Buchmarkt auf dem letzten Platz im EU-Vergleich. Und das ist der Grund, warum unterschiedliche Verbände, Bibliotheken oder Verlage versuchen, dem breiten Publikum das Lesen mit allerlei Projekten schmackhaft zu machen.
România Internațional, 14.05.2014, 18:37
Lesen gehört seit langem nicht mehr zu den Lieblingsbeschäftigungen der Jugendlichen in Rumänien. Eine Meinungsumfrage des Rumänischen Institutes für Soziale Studien hat gezeigt, dass 22% der Jugendlichen überhaupt nicht lesen, während einer von fünf nur ein Buch im Jahr liest. Die Tatsache, dass die Rumänen weder Lust noch Geld für Bücher haben, spiegelt sich auch auf dem Markt der gedruckten Bücher wider, der von Jahr zu Jahr schrumpft.
Zurzeit befindet sich der rumänische Buchmarkt auf dem letzten Platz im EU-Vergleich. Und das ist der Grund, warum unterschiedliche Verbände, Bibliotheken oder Verlage versuchen, dem breiten Publikum das Lesen mit allerlei Projekten schmackhaft zu machen.
Die Kampagne România, citeşte-mă!“ (Rumänien, lies mich!“) entstand vor dem Hintergrund einer fehlenden landesweiten Strategie zur Förderung der geschriebenen Kultur. Die Verleger standen deshalb vor großen Schwierigkeiten, wenn es um die Lese- und Buchförderung ging, berichtet Lucia Ovezea, die Vorsitzende des Rumänischen Buchhändler-Verbandes.
Es waren unterschiedliche Aktivitäten vorgesehen, aber wir dachten zunächst an die kleineren Kinder, die insbesondere in diesem Alter für das Buch und das Lesen begeistert werden sollen. Deshalb haben wir die Viertklässler ausgewählt und sie zu einem Lesewettbewerb eingeladen. Der Wettbewerb wurde letztes Jahr in ungefähr 50 Schulen in Bukarest, in allen Schulen in Târgoviște und in Câmpina organisiert. Praktisch haben wir versucht, dem Ganzen eine nationale Dimension zu verleihen. In diesem Jahr hatten wir weniger Fördermittel zur Verfügung. Von daher hat der Verband der Buchverleger, der der Konföderation der Buchverleger und –händler angehört, die Kontrolle übernommen und die Kampagne fortgesetzt — dabei wurden 20 Schulen aus Bukarest mobilisiert. Die Kinder werden in diesem Monat an dem Wettbewerb auf Stadtebene teilnehmen, die Preise werden dann — wie letztes Jahr auch — im Rahmen der Buchmesse Bookfest am 31. Mai verliehen.“
Weil die Jugend von heute die meiste Zeit vor dem Computer verbringt, hat ein junger Mann aus Klausenburg eine Kampagne zur Leseförderung auf Facebook gestartet. Das Projekt von Victor Miron heißt Die Bücher im Gesicht“ und hat das Selfie-Konzept als Grundlage. Das setzt die Inszenierung eines sogenannten Buch-Selfies“ voraus, das heißt ein Bild, auf dem das Gesicht der fotografierten Person von dem gerade gelesenen Buch verdeckt ist. Bislang hat Mirons Initiative Hunderte von positiven Rückmeldungen, Kommentaren und Fotos gesammelt und viele Jugendliche für die Kultur begeistert, wie der Autor selbst erzählt:
Ich konnte die Leute vom Buchladen Bookstory in Klausenburg überreden, den Kunden, die ein Facebook-Profilfoto mit Buch vorweisen können, einen Rabatt von 10% zu bieten. Das geschah im Februar und die Meldung über diese Ermäßigung hat sehr viele Menschen gefreut. Auf der ersten Seite, auf der ich für diese Aktion warb, hatten innerhalb von einigen Tagen fast 2000 Facebook-Nutzer den Gefällt-Mir-Button gedrückt. Und das hat gezeigt, dass die Leute Interesse daran hatten, nach dem ersten Artikel waren sehr viele Nutzer mit einem Buch auf ihrem Profilfoto zu sehen.“
Nachdem auf Facebook immer mehr Selfies mit lesenden Menschen zu sehen waren, ging Victor Miron zur nächsten Aktion seiner Kampagne über:
Unsere Absicht war, sie mit Büchern zu überraschen, an Orten, wo sie es nicht erwarteten… Also haben wir eine kleine Bibliothek in einer Autowerkstatt eingerichtet, die für jede Reparaturarbeit ein Buch verschenkte. Das Motto lautete dort: Egal wie schön dein Auto ist, es kann dich nicht in die Gemütszustände versetzen, die ein Buch verursacht. Und dann hat eine Zahnarztpraxis in Klausenburg ein ungewöhnliches Angebot für die lesenden Patienten. Man bekommt eine 10%-ige Ermäßigung auf die Behandlungskosten, wenn man auf Facebook in die Praxis eincheckt und dabei angibt, welches Buch einem ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Wir unternehmen also Ungewöhnliches, um die Menschen aus ihrem monotonen Alltag zu entführen und sie zu veranlassen, ein angenehmes Gefühl dem Lesen gegenüber zu entwickeln, interessante Diskussionen über Bücher zu führen. Wir wissen, dass Menschen sehr positiv auf Preisnachlässe reagieren, allerdings reagieren sie noch viel besser auf Gratisangebote. Deshalb haben wir dem Bürgermeisteramt Klausenburg vorgeschlagen, dass am ersten Sonntag eines jeden Monats Bücher lesende Fahrgäste der öffentlichen Verkehrsmittel diese kostenlos nutzen dürfen. Die Behörden haben bestätigt, dass sie das Konzept im Rahmen einer Buchmesse testen wollen und wir konnten es bereits anlässlich des Internationalen Buchtags umsetzen. Wer ein Buch bei sich hatte, konnte den Botanischen Garten in Klausenburg kostenlos besuchen. Auch diese Aktion war recht erfolgreich, in dem Sinne, dass der freie Eintritt am Karfreitag durch eine einfache Anzeige im Internet angekündigt wurde und, innerhalb von einigen Tagen, 32.000 Menschen erreicht hat — das Bild mit der Gratis-Aktion wurde einfach weitergegeben. Insgesamt haben dann 1230 Personen mit einem Buch unter dem Arm den Botanischen Garten besucht.“
Der Welttag des Buches wird am 23. April begangen und ist inzwischen zum wichtigen Termin für alle Leseratten geworden. In Bukarest und anderen Städten des Landes fanden an diesem Tag unterschiedliche Aktionen zur Leseförderung statt. Nichtsdestotrotz verbringt der Durchschnittsrumäne laut einer Studie des Nationalen Institutes für Statistik lediglich eineinhalb Stunden im Monat mit Theater-, Kino- und Kunstgaleriebesuchen, während das Lesen in der Freizeit im Schnitt nur 13 Minuten am Tag ausmacht, wobei mit fortschreitendem Alter auch die mit Büchern verbrachte Zeit abnimmt. Lucia Ovezea versucht, die Entwicklung zu erklären:
Die Welt ist global geworden, es gibt nun das Internet, die Informationen verkehren viel schneller, die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung oder die eigene Vorstellungskraft kommen heute auf anderen Wegen zum Ausdruck. Und da ist es klar, dass das Lesen dem Ganzen ein wenig hinterherhinkt, weil viele es als veraltet ansehen oder weil es gar nicht wahrgenommen wird. So ist es nun mal, es sind andere Generationen. Lesen ist aber nach wie vor für recht viele Menschen wichtig. Leider ist der Anteil der Leser in Rumänien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel geringer, aber damit müssen wir uns abfinden. Im Allgemeinen stagniert das Buch bei uns oder es macht kleine Rückwärtsschritte.“
Für die Jugendlichen sind audiovisuelle Medien, der Fernseher und der Computer das attraktivere Angebot, im Vergleich zum geschriebenen Text. Die virtuelle Welt hat die jungen Menschen erobert und sie vor den Büchern auf Distanz gebracht. Relativ interessiert sind die Schüler heute noch an den Büchern aus dem Lehrplan.
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