Soziale Unternehmen im ländlichen Milieu
Im ländlichen Milieu versuchen mehrere Stiftungen und NGO, mit sogenannten sozialen Unternehmen den Dorf-Tourismus und die traditionellen Werte zu fördern.
Christine Leșcu, 23.07.2014, 15:56
Auf den ersten Blick könnte die Nebeneinanderstellung der Wörter soziale Wirtschaft“ als ein Widerspruch erscheinen. Die Wirtschaft, so wie wir sie kennen, ist profit- und konsumorientiert. Die soziale Dimension, wenn diese überhaupt existiert, ist nicht gleich ersichtlich. Nichtsdestotrotz funktioniert die soziale Wirtschaft in der EU und nicht nur. Und sie ist sogar eine wichtige Säule der europäischen Wirtschaft und macht etwa 10% dieser aus. Mehr als 11 Millionen Menschen, etwa 4,5% der aktiven Bevölkerung der EU, arbeiten in der sozialen Wirtschaft. Es gibt zudem eine Resolution des Europäischen Parlaments vom November 2009, die die Entwicklung sozialer Unternehmen als Modelle für Wirtschaftswachstum und als Gemeinschaftshilfe fördert.
Elisabeta Varga, Beraterin bei der Stiftung NESst, die soziale Unternehmen berät, definiert die soziale Wirtschaft:
Sie entwickelte sich als Antwort auf konkrete Bedürfnisse der Gemeinschaften, durch die Findung von neuen Lösungen für soziale Probleme. Diese Bedürfnisse sind vom öffentlichen und privaten Sektor nicht abgedeckt. Die soziale Wirtschaft hat als Ziel die Schaffung von Arbeitsplätzen und fordert die Bürger auf, an der Lösung von gemeinschaftlichen Problemen teilzunehmen. Wir können sie noch deutlicher in Opposition zur Marktwirtschaft, deren Hauptziel der Gewinn ist, definieren. Die soziale Wirtschaft zielt dagegen auf die Verbesserung der Lebensbedingungen ab. Sie möchte neue Opportunitäten für benachteiligte Personen schaffen.“
Den Rumänen ist die soziale Wirtschaft nicht fremd. Sie existierte auch während des kommunistischen Regimes unter der Form der sogenannten Handwerker-Kooperativen. Dumitru Fornea, Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss erklärt.
Die soziale Wirtschaft ist kein neues Konzept für die Europäer und für die Rumänen. Bei uns nahm sie jedoch andere Formen an. Sie ging vom Konzept der ‚Kooperation‘ und von Kooperativen aus. Bei uns waren aber die Kooperativen nicht erfolgreich, weil der kommunistische Staat diese freiwillige Assoziierungsform beschlagnahmt hatte. Im Westen gab es Formen, die den Platz dieser Kooperativen eingenommen haben, wie die Arbeiterverbände in Spanien und unterschiedliche Arten von Stiftungen, die heutzutage in Europa und sogar in Rumänien sehr aktiv sind. Die soziale Wirtschaft nimmt sich vor, die menschlichen Ressourcen maximal auszunutzen. Dabei steht der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt.“
Nach ihrer durch den Kommunismus ideologisch belasteten Vergangenheit hatte die soziale Wirtschaft in Rumänien nach 1990 zu kämpfen, um sich als ehrbares Konzept wieder durchzusetzen. 2009 arbeiteten jedoch 3,3% aller Angestellten in Rumänien in der sozialen Wirtschaft. 2011 wurde sie zu einem wichtigen Sektor des Wirtschafts- und Soziallebens. Hier waren insbesondere die Nichtregierungsorganisationen aktiv. 2009 waren 69% aller in der sozialen Wirtschaft tätigen Einheiten von unterschiedlichen Verbänden und Stiftungen gegründet worden. Die restlichen 31% gehörten Kooperativen an. Elisabeta Varga gibt uns weiter ein paar Beispiele von sozialen Unternehmen in Rumänien. Die meisten von ihnen sind auf dem Lande aktiv.
Eine davon ist die Stiftung »Village Life«, die von einer Gruppe von jungen Leuten gegründet wurde, die zuvor in unterschiedlichen multinationalen Unternehmen gearbeitet hatten. Sie haben die Werte des ländlichen Lebens wiedergefunden und möchten diese fördern. Ihr soziales Unternehmen ist im Dorf-Tourismus tätig. Sie arbeiten mit mehreren Gastgebern auf dem Lande zusammen, die Touristen empfangen. Den Touristen werden das Leben auf dem Lande und die unterschiedlichen Tätigkeiten näher gebracht. Ihnen werden die Häuser, schöne Orte und gefährdete Traditionen vorgestellt. Ein anderes Beispiel ist eine Stiftung im Landkreis Sălaj. Zusammen mit den lokalen Behörden hat sie ein soziales Unternehmen gegründet, das sich vorgenommen hat, eine touristische Marke für das Barcău-Tal zu entwickeln. Die Stiftung unterstützt die kleinen Honig-Produzenten in der Gegend.“
Da dieser Bereich für die EU ein wichtiger Sektor ist, stellen die gemeinschaftlichen Institutionen den Mitgliedstaaten Finanzierungen zur Verfügung. Dumitru Fornea dazu:
Auch in Rumänien ist dieser Bereich im europäischen POSDRU-Programm eingeschlossen: die Entwicklung der sozialen Wirtschaft. In der Periode 2007-2013 hat man versucht, die soziale Wirtschaft zu unterstützen, und ich hoffe, das wird auch in der nächsten Finanzperiode geschehen. Man hat versucht, diesen sozialen Unternehmen zu helfen, der Zugang zu diesen Fonds setzt jedoch eine bestimmte Erfahrung und bestimmte Kenntnisse voraus. Deshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmen mit anderen assoziieren, wenn sie erfolgreich im Zugang zu diesen europäischen Fonds sein möchten.“
Auch wenn die Menschen bereit sind, in einem sozialen Unternehmen tätig zu werden, ist der Zugang zum Geld nicht leicht. Elisabeta Varga:
Für die kleinen Unternehmer, für die kleinen sozialen Unternehmen, die wir vorgestellt haben, ist der Zugang zu diesen Fonds sehr schwer. Diese Fonds sind für sie eigentlich unzugänglich. In erster Reihe wegen der Kofinanzierung, des eigenen Beitrags zu diesem Projekt. Er stellt eine Summe dar, über die nicht viele Unternehmer verfügen. Alles endet hier, wenn es um den Zugang zu solchen europäischen Fonds geht.“
Die Verbesserung des Zugangs zur Finanzierung wurde schon 2011 in der Initiative für soziales Unternehmertum“ verankert. Diese Initiative stellt einen großen Plan der EU dar, der Teil der EU-Strategie für 2020 ist. Nichtsdestotrotz sind für die sozialen Unternehmer auf dem Lande die europäischen Fonds immer noch eine Seltenheit.
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