Programme für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
Jahrzehntelang rühmte sich Rumänien mit den außerordentlichen Ergebnissen hochbegabter Schüler in internationalen Wettbewerben. Doch dass nicht ebenso gut gelang, gewöhnlichen Kindern zu Leistungen zu verhelfen, wurde gern übersehen.
Ana-Maria Cononovici, 02.07.2014, 15:56
Fast täglich landen in unserer Mailbox Angebote für die raffiniertesten Kurse für überdurchschnittlich begabte Kinder, bzw. für jene Kinder, deren Eltern hoffen, sie in die Kategorie der Überbegabten einzuordnen. Und das, weil Rumänien sich über mehrere Jahrzehnte hinweg stets mit den außerordentlichen Ergebnissen hochbegabter Schüler bei internationalen Wettbewerben gerühmt hat. Das war im Laufe der Zeit auch das stärkste Argument zugunsten des rumänischen Bildungssystems. Dass es dem System nicht ebenso gut gelang, gewöhnlichen Kindern zu Leistungen zu verhelfen, konnte man gerne übersehen.
Und wenn es um die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf geht, erweist sich das Schulsystem des Landes als völlig unzulänglich. Die Vorjahres-Statistik der Generaldirektion für Sozialhilfe und Kinderschutz ist ernüchternd: Von den über 72.700 Kindern mit Behinderungen besuchen etwa 24.100 (also weniger als ein Drittel) den Regelunterricht. Auch wenn Rumänien seine Gesetzgebung im Bereich Kinderschutz und Personen mit Behinderungen an europäische Standards angepasst und sich verpflichtet hat, alle behindertengerechten Einrichtungen zu gewährleisten, erweist sich die Umsetzung als zu langwierig und mangelhaft.
Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: mehrere Nichtregierungsorganisationen haben Programme für die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf geschaffen. Ein solches Bespiel stellt das Projekt Lasst uns unsere Schule neu entdecken“ dar, zu dem nach der dreijährigen Laufzeit jetzt Bilanz gezogen wird. Was sich das Projekt überhaupt vorgenommen und inwiefern es seine Ziele erreicht hat, erfahren wir von der Projektleiterin Daniela Vişoianu:
Wir können zurzeit von 1860 Kindern berichten, die an unseren Ferienlagern teilgenommen haben, oder an Werkstätten, Sommerschulen, Sonntagsschulen. An all diesen Aktionen haben sie gemeinsam mit ihren Eltern teilgenommen. Die Absicht des Projekts war es, den Kindern mit Sonderbedürfnissen zu zeigen, dass sie etwas mit ihrer eigenen Intelligenz, mit ihren Händen tun können, und außerdem diese Kinder vor ihren Eltern in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Wir sind sehr stolz darauf, gegen Ende des Projekts behaupten zu können, dass die Eltern das eingesehen haben.“
Und weil unser Bildungssystem die Inklusion und das lebenslange Lernen bei allen Kindern und Jugendlichen, unabhängig ihrer Herkunft, fördern sollte, wurden im Rahmen des Projekts auch Möglichkeiten zur sozialen Integration von Kindern mit Behinderungen identifiziert. Das Projekt Lasst uns unsere Schule neu entdecken“ hat Experten aus dem Ausland eingeladen, die mit den Kindern und ihren Eltern zusammengearbeitet haben, Treffen mit Experten der Sonderpädagogik organisiert und die gesammelten Informationen in einem gedruckten Band veröffentlicht. Projektleiterin Daniela Vişoianu weiß mehr:
Im letzten Jahr haben wir auch ein Lehrbuch für die alternative Erziehung herausgebracht, in dem die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf tiefgründig thematisiert werden. Darin stellen wir bestimmte Arten von Aktivitäten oder Übungen vor, die man mit diesen Kindern unternehmen kann, und das nicht entsprechend dem offiziellen Lehrplan. Es sind aber Methoden, die in jedem schulischen Umfeld aufgenommen werden können, um die Beziehung zwischen den Sonderpädagogen und den Kindern mit Behinderungen zu verbessern. Oder aber um eine Grundlage für die Eltern der Kinder zu schaffen, die zu Hause andere Dinge als die im Lehrplan festgelegten Übungen machen wollen. Das Handbuch enthält zudem Präsentationen der in Rumänien anerkannten Formen von Sonderpädagogik. Es sind Meinungen von bewährten Experten vertreten, die in den Zentren in Simeria oder Corabia arbeiten, wo mit den am schwersten betroffenen Kindern, mit den schwersten Diagnosen, gearbeitet wird. Sie sprechen über ihre Erfahrung oder über den Mehrwert einer alternativen Pädagogik, falls es zu einem Austausch mit den Kindern mit Sonderbedürfnissen kommt. Wir sprechen von den sechs von dem rumänischen Bildungsministerium anerkannten Formen der Sonderpädagogik, die in den Schulen anzutreffen sind. Die bekannteste davon heißt Step by Step. Sie wird auch in dem Handbuch vorgestellt, die Experten waren auch bei unseren Veranstaltungen präsent. Hinzu kommen die Waldorfpädagogik, die Heilpädagogik, der Jena-Plan oder Montessori.“
Die Ausbildung von Lehrkräften und Spezialisten aus dem Bildungssystem mit Blick auf die Inklusion — das ist eines der weiteren erreichten Ziele des Projekts: 400 Experten, die von der Nationalen Akkreditierungsstelle anerkannt sind, dürfen die erlernten Arbeitsmethoden im Umgang mit Kindern mit Sonderbedürfnissen anwenden. Und für die Zukunft ist die Einweihung eines sensory rooms“ in Bukarest geplant, das Therapeuten und Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zur Verfügung gestellt werden soll, wie Daniela Vişoianu berichtet:
Wenn alles nach Plan verläuft, könnten wir im April in Bukarest einen ‚sensory room‘ einweihen. Der ‚sensory room‘ ist ein Sonderraum, der für die Therapie von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf empfohlen wird, in dem es z.B. sehr weiche Möbelstücke gibt oder in dem Lautsprecher oder andere geräuscherzeugende und vibrierende Objekten eingebaut sind, die von den Kindern so wahrgenommen werden. Dann gibt es noch Tafeln mit eingebauten Lichtern, so dass man im Schatten oder Halbschatten mit Kindern mit Sehbehinderungen arbeiten kann. All diese Stimuli in dem Raum helfen dem Kind, noch stärker in die Arbeit mit dem Therapeuten einbezogen zu werden.“
Und schließlich kann man behaupten: Jede Initiative dieser Art ist willkommen, denn sie bringt die Integration der Kinder mit Behinderungen ein Stück nach vorne.
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