Alternative Schulsysteme in Rumänien
Jena, Freinet, Montessori, Step by Step und Waldorf sind in Rumänien zugelassene alternative Schulsysteme.
Ana-Maria Cononovici, 09.10.2013, 16:29
In Rumänien konfrontierte sich das traditionelle Bildungssystem in den letzten Jahren mit einer System-Störung: In den letzten beiden Jahren haben wenig über 50% der Schüler die Abitur-Prüfung bestanden. In diesem Kontext könnten die Bildungs-Alternativen interessanter scheinen.
Der Verband C4C hat im Jahr 2011 das Projekt Entdecken wir die Schule wieder“ eingeleitet. Ein Etappe des Projekts stellte das Treffen in diesem Herbst der Vertreter der Bildungs-Alternativen dar, die vom rumänischen Bildungsministerium genehmigt sind. Ziel des Treffens war es, Verbesserungs-Möglichkeiten der Bildung normaler Kinder und von Kindern mit Defiziten zu erkennen.
Daniela Vişoianu ist Managerin des Projekts Entdecken wir die Schule wieder“. Von ihr haben wir erfahren, was dieses Projekt bezweckt:
Im Rahmen des Projekts »Entdecken wir die Schule wieder« wollten wir unbedingt mit dem Paar Eltern-Kind arbeiten. Eltern, die ein behindertes Kind haben, leiden täglich und pausenlos unter großem Stress, und darunter hat auch das Kind zu leiden. Ein Kind mit einer körperlichen Behinderung kann in der Beziehung mit den Eltern, von denen er abhängt, auch eine affektive Störung entwickeln, weil die Eltern dem Kind täglich vorhalten, dass sie zum Beispiel auf den Arbeitsplatz oder auf andere Sachen verzichten mussten. Wir haben versucht, diesen Mechanismus zu durchbrechen.“
Die Bildungs-Alternativen, die vom rumänischen Bildungsministerium eine Zulassung erhalten haben, sind Jena, Freinet, Montessori, Step by Step und Waldorf.
Der Jena-Plan wünscht sich eine freie Schule, in der die Wunschbilder der Erwachsenen nicht existieren, in der die Kinder kreativ sind und Entscheidungen treffen können. Monica Cuciureanu, Vorsitzende des Verbandes Jena-Plan, erläutert:
Die Alternative Jena-Plan ist bei uns sehr wenig bekannt. Im Moment funktioniert die Alternative nur in der Provinz, insbesondere in ruralen Regionen. Diese Alternative erschien infolge eines sehr interessanten Experiments. Die Schule hält nicht mehr Schritt mit der Gesellschaft. Eine Schule, die als eine komplexe Bildung konzipiert wurde, die auf natürliches Lernen beruht. Spezifisch dieser Bildungs-Alternative ist, dass die Gruppen aus Kindern unterschiedlichen Alters gebildet sind. Die Annahme ist, dass ein Kind genauso viel von einem anderen Kind als von einem Erwachsenen lernen kann. Die Altersunterschiede sind auf drei Jahre begrenzt. Die Gespräche, das Spiel, die Arbeit und die Feier. Das traditionelle Programm wird durch einen Tätigkeits-Plan ersetzt, in dem diese vier Basis-Tätigkeiten alternieren. Der Lehrplan ist der traditionelle, die Umwelt spielt aber eine größere Rolle.“
Eines der bekanntesten alternativen Bildungs-Systeme in Rumänien, das seit 20 Jahren präsent ist, ist Step by step. Was diese Alternative anbietet, sagt uns Elena Mihai, Programm-Leiterin Step by step.
Warum Step by step so erfolgreich ist? Weil es den nationalen Lehrplan verfolgt, der lokalen Kultur angepasst ist und die besten Praktiken im Bereich der Vorschulerziehung integriert. Das Modell von Step by step basierte auf die Einbindung der Eltern, anders als das bislang erfolgte. Wir wollen Bürger erziehen, die die Gesellschaft weiter bringen, die persönliche Initiative und Selbstvertrauen haben. Wir verfügen über ein sehr starkes berufliches Netzwerk, über Bildungszentren und organisieren periodisch Treffen mit den Lehrkräften aus dem Netzwerk. Wir sind in 40 Landkreisen tätig, haben 280 Kindergärten mit 690 Gruppen und arbeiten mit mehr als 15.000 Kindern.“
Mariana Bândea ist Vorsitzende des rumänsichen Verbandes für eine moderne Gesellschaft und hat bei dem Treffen die Bildungs-Alternative Celestin Freinet“ vertreten. Über diese erzählte sie:
Wir können nur von wenigen Freinet-Schulen sprechen, es ist aber ein System, das von vielen Lehrern angewendet wird. Im Schulnetz sind die Freinet-Klassen spät erschienen. Wir beschäftigen uns mit lehrplanunabhängigen Tätigkeiten, es gibt Sommer-Schulen, wie die in Reghin, sowie auch den Kalender der lehrplanunabhängigen Tätigkeiten, der vom Bildungsministerium genehmigt wurde. Wir haben ein Projekt namens »Freinet-Universum« eingeleitet. Dieses beginnt am Schulanfang und endet mit der Sommerschule.“
Über die Montessori-Methode erzählte Dana Crainic, Montessori-Lehrerin in Timişoara/Temesvar:
Der Pädagoge ist wie ein Ober, der die Kinder bei Bedarf bedient. Die Montessori-Klase umschließt fünf Bereiche: Sprache, Sinnesentwicklung, Mathematik, Natur und Kultur. Die Materialien sind geordnet, das Kind wird aufgefordert, das, was er möchte, auszusuchen. Der Pädagoge stellt das Material dann in wenigen Worten dar. Was uns von anderen unterscheidet, ist, dass unsere Gruppen gemischt sind, sie umschließen Kinder zwischen 3 und 6. Die kleinen Kinder lernen von den großen und die großen lernen, den kleinen Kindern zu helfen. Unser Motto lautet ‚Hilf mir, es alleine zu schaffen!‘“
Seit 23 jahren bietet auch Waldorf eine Bildungs-Alternative an. Zenovia Ungureanu, Lehrerin beim Waldorf-Gymnasium in Bukarest:
Die Waldorf-Bildung beginnt mit dem Kindergarten und endet in Rumänien am Ende der 12. Klasse. Es gibt viele Waldorf-Gruppen auch bei staatlichen Kindergärten. Waldorf-Gymnasien gibt es jeweils eines in Bukarest, Cluj, Timişoara und Iaşi. Die Absolventen der 8. Klasse bevorzugen ein Waldorf-Gymnasium, manche besuchen aber andere Gymnasien, weil wir nur philologische Ausbildung anbieten.“
Auch wenn es sich um eine Minderheit handelt, gewinnen die Bildungs-Alternativen immer mehr Anhänger. Diese bieten eine andere Perspektive und eine andere Bildungsmethode für Kinder an.
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