Opportunisten und Wendehälse: der politische Glücksritter Constantin Argetoianu
Das lebendige politische Leben im Rumänien der Zwischenkriegszeit war geprägt von manchen prinzipientreuen Akteuren, aber durchaus auch von moralisch eher fragwürdigeren Gestalten.
Steliu Lambru, 22.02.2021, 17:30
Constantin Argetoianu wurde 1871 in Craiova geboren und stammte aus einer alten Bojarenfamilie. Er studierte Jura und Medizin in Paris, fühlte sich aber mehr von der Politik angezogen und strebte nach hohen Positionen, die er mit fairen Mitteln nicht so leicht erreichen konnte. Seine gesamte politische Karriere stand unter dem Zeichen kontroverser Entscheidungen. Im Jahr 1913 begann seine politische Laufbahn bei der Konservativen Partei — es war die erste einer langen Reihe von Parteien, in der er mitwirkte.
Der Historiker Ioan Scurtu hat eine Biographie über Argetoianu geschrieben, in der er sich mit dessen politischen Zickzackkurs nach dem Ersten Weltkrieg in Großrumänien auseinandersetzt.
Argetoianu erkannte, dass die Konservative Partei keine Zukunft mehr haben würde. So suchte er seinen eigenen Weg und fand ihn an der Seite von General Averescu, der sich enormer Beliebtheit erfreute, weil er die Schlacht von Mărăşti im Ersten Weltkrieg siegreich geführt hatte. Als der General im April 1919 beschloss, den sogenannten Volksbund zu gründen, gehörte Argetoianu zu seinen engen Freunden. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Förderung des Kults von General Averescu. Als Innenminister zeichnete er sich durch die Verhaftung der Delegierten beim Parteitages der Sozialisten im Mai 1921 aus. Zum Erstaunen des Kabinetts verkündete er nach der Verhaftung der Delegierten, dass er den Kommunismus in Rumänien ausgerottet habe. Natürlich hatte er sich dabei verrechnet, denn bekanntlich waren es die Kommunisten, die ihn vernichtet haben.“
Nachdem Averescus Popularität schwand, entschied sich Argetoianu, nach einem anderen politischen Partner Ausschau zu halten.
Er berief einen Kongress der Volkspartei ein, der ihn zum Präsidenten erklärte. Da ihm jedoch nur wenige Leute folgten und seine Partei daher eher irrelevant war, suchte er ein Bündnis mit jemand anderem, um im Kreis der Mächtigen zu bleiben. Und wessen Nähe suchte er? Gerade die von Nicolae Iorga, den er aus seiner Innenminister-Position für langweilig hielt und ihn wütend unterbrach und ihm gedroht hatte, eine in die Fresse reinzuhauen, wenn er weiterredet. 1924 gelang es ihm jedoch, sich bei Nicolae Iorga einzuschmeicheln: Er besuchte ihn zu Hause und konzentrierte sich bei der Unterhaltung auf Iorgas literarisches Werk. Er rezitierte sogar ganze Absätze aus Iorgas Theaterstücken und historischen Werken. Und Iorga war erstaunt über solch ein tiefes Wissen über seine Arbeit,“ beschreibt der Geschichtsprofessor Argetoianus Taktik.
Argetoianus Kerbholz der Parteien wurde immer größer: Nach der Volkspartei kam die Nationalistische Volkspartei dran, dann die Bauernpartei und schließlich landete er bei der Partei, die ihm so sehr zuwider war: der National-Liberalen Partei unter der Führung von Ion I.C. Brătianu. Wie Professor Scurtu erklärt, hielt es der mit allen Wassern gewaschene Opportunist auch dort nicht lange aus:
1930 trat Argetoianu auch hier aus und wurde zum Anhänger von Königs Karl dem II., der sich gegen politische Parteien generell ausgesprochen hatte. Argetoianu führte eine wahrhaftige Kampagne gegen politische Parteien, da er nicht mehr Mitglied einer Partei war. Auch Iorga unterstützte die Idee. Im April 1931 wurde Nicolae Iorgas Regierung gebildet. Als Finanzminister beschloss Constantin Argetoianu, die auch in Rumänien existierende Wirtschaftskrise zu lösen — er stellte einfach die Auszahlung der Gehälter an die Staatsangestellten ein. Natürlich führte das zu extremen sozialen Spannungen, aber Argetoianu war völlig überzeugt, dass seine Lösung perfekt war. Letztendlich musste der König aber im Mai 1932 diese Regierung absetzen.“
Argetoianu, führt der Historiker weiter aus, gab aber so leicht nicht auf. Er gründete eine neue politische Kraft, die Agrarpartei — mit Null Erfolg. Als König Karl II. sein Autoritätsregime einführte und die Kontrolle über die Regierung an sich riss, gehörte Argetoianu zu den Unterstützern des Königs. Karl II. musste dann zugunsten seines Sohnes Michael abdanken, Marschall Ion Antonescu übernahm die Macht — für dessen Regime war Argetoianu zur persona non grata geworden. Er zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück und ging 1944 in die Schweiz, wo er bis 1946 blieb. Doch das ist nicht das Ende der Geschichte, weiß der Historiker Ioan Scurtu.
Zur Überraschung aller kehrte Argetoianu, der in seinen Schriften einen so klaren und geübten Blick hatte, nach Rumänien zurück. Zwischen 1945 und 1946, nach der Bildung der Groza-Regierung, war es ja eher so, dass altgediente Politiker schnell das Land verließen — sie wussten ja, dass ein neues Regime kam und sie die Konsequenzen tragen würden. Argetoianu gab sich jedoch der Illusion her, dass die Führer der UdSSR, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten daran interessiert seien, dass Rumänien einen erfahrenen Politiker in der Regierung hat. Um eine Machtbasis zu haben, gründete er eine eigene Partei, die Nationale Union für Arbeit und Wiederaufbau. Er selbst wolle sich dann, alt und krank, aus dem politischen Leben zurückziehen, riet seinen Anhängern aber zum Zusammenschluss mit der Bauernfront. Dass muss man sich nur vorstellen — Argetoianus letzte politische Vision war zugunsten der Bauernfront, deren Parteichef Petru Groza als Premierminister das Land auf eine Sowjetisierung zubewegte.“
Argetoianu sollte die Entscheidung, aus der sicheren Schweiz nach Rumänien zurückzukehren, um es hier noch einmal als politischer Glücksritter zu versuchen, bitter bereuen: Vom kommunistischen Regime verhaftet, starb Argetoianu 1955 im Gefängnis von Sighet im Alter von 83 Jahren.