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80 Jahre seit der Ermordung des Historikers Nicolae Iorga

In den späten 1930e und zu Beginn der 1940er Jahre war Rumänien in den Bann des Faschismus gezogen worden. Nicolae Iorga, der politisch mit den Faschisten kokettiert hatte, wurde zum Opfer dieser unseligen Zeit.

80 Jahre seit der Ermordung des Historikers Nicolae Iorga
80 Jahre seit der Ermordung des Historikers Nicolae Iorga

, 14.12.2020, 17:30

Am 6. September 1940 proklamierte das Antonescu-Regime Rumänien zum national-legionären Staat. Das bedeutete, dass die Staats- und Gesellschaftsordnung unter Einbindung der Eisernen Garde in die Regierungsgeschäfte eine faschistische war, die sich aus den Vorbildern des italienischen Faschismus und des deutschen Nationalsozialismus inspirierte. Als Befürworter der Theorie der rassischen Überlegenheit ging der rumänische Faschismus einbher mit dem europäischen, und die meisten historischen Studien betrachten das national-legionäre Antonescu-Regime als autoritär und gegen elementare demokratische Normen. In der heutigen Ausgabe unserer Geschichtsrubrik Pro Memoria sprechen wir über die Ermordung des Historikers Nicolae Iorga. Den Originalbeitrag verfasste Steliu Lambru. Ich bin Florin Lungu und bringe Ihnen die deutsche Fassung.




Das faschistische Regime wurde nach der starken Krise möglich, die in der die Herrschaft von König Karl II. eine lokale rumänische Version der europäischen Krise war. Seit 1938 hatte Karl II. Sein personalisiertes autoritäres Regime proklamiert, das Rechte und Freiheiten verbot. Anfang September 1940 wurde der Herrscher als Hauptverantwortlicher für die territoriale Katastrophe, die Rumänien erlitten hatte, betrachtet. Im Juni 1940 waren Bessarabien und die Nordbukowina von der Sowjetunion annektiert worden, und im August hatte sich Ungarn infolge des Zweiten Wiener Schiedsspruchs Nordsiebenbürgen einverleibt. Am 5. September ernannte Karl II. unter dem Druck der Öffentlichkeit General Ion Antonescu zum Staatsoberhaupt und dankte anhsclie‎ßend ab. In seiner viereinhalbmonatiger Existenz bis zum 23. Januar 1941 war das national-legionäre Antonescu-Regime von repressiven Ma‎ßnahmen geprägt, die sich vor allem gegen die Anhänger und die sogenannte Kamarilla Karl II. richtete, der die Demokratie ruiniert hatte. Die Rache der Legionäre an 65 Spitzenpolitiker, hochrangige Beamten und Günstlinge des Königs ist dadurch erklärbar, dass die Faschisten sie für die Repressionsma‎ßnahmen und insbesondere den Tod des Führers der Eisernen Garde, Corneliu Zelea Codreanu, im November 1938 für verantwortlich hielten.



Eines der Opfer der Legionäre war der Historiker Nicolae Iorga. Geboren 1871, wird er von nationalistischen Historikern als der wichtigste rumänische Historiker angesehen und diese Meinung ist auch in der Öffentlichkeit unter Laien weit verbreitet. Es gibt zwei Gründe, warum man sogar von einem Iorga-Kult sprechen kann: sein beeindruckendes Werk und sein tragischer Tod. Iorga hat enorm viel geschrieben, er gilt als Verfasser von etwa 1.250 Büchern und 25.000 Artikeln. Bevor er dem faschistischen Terror zum Opfer fiel, war Iorga das Vorbild des Intellektuellen, der mit dem Extremismus kokettierte und tragisch endete. Er kultivierte den Nationalismus und fiel dessen Auswüche selber zum Opfer.



Der Historiker Ioan Scurtu fasst die Ideen von Nicolae Iorga und seine politische Tätigkeit zusammen:



Iorga war ein Nationalist, 1910 gründete er zusammen mit A.C. Cuza die Demokratische Nationalistische Partei. Er pflegte die Idee, dass sich die Rumänen in allen Bereichen behaupten müssten, auch in der Wirtschaft, da er wusste, dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die wichtigsten Industrieunternehmen, Banken und der Handel in den Händen von nationalen Minderheiten und Ausländern waren. Er sagte, dass das rumänische Element das ausländische ersetzen sollte, eine Nationalisierung müsse erreicht werden. Aber dies müsse man auf friedliche Weise herbeiführen, die Rumänen müssten sich vorbereiten, zu lernen, um die Geheimnisse jedes Gewerbes so zu beherrschen, dass sie im Wettbewerb mit Fremden gewinnen können. Sicherlich propagierten auch die Legionäre diese Ideen, nur dass sie eine viel extremistischere Linie verfolgten, die so weit ging, dass sie diejenigen liquidierten, die sich ihrer Politik widersetzten.“




Mitte der 1930er Jahre kam es zum Zerwürfnis zwischen Iorga und den faschistischen Legionären, deren Mentor er sein wollte. Iorgas stolze und schwierige Art lie‎ß die Beziehung ausarten. Der kritische Moment wurde im März 1938 verzeichnet, als nach der Auflösung der politischen Parteien auch die Legionärsbewegung durch ein Rundschreiben von Codreanu seit dem 24. Februar 1938 ihre Tätigkeit eingestellt hatte. Der Handel in sogenannten Legionärsläden ging jedoch weiter, die Geschäfte der Legionäre lockten mit kleineren Preisen, die den Produktionskosten entsprachen. Der Historiker Ioan Scurtu beschreibt ausführlich, wie es zum Streit zwischen Iorga und den Legionären kam:



Nicolae Iorga erkannte, dass diese Legionärsläden zu Zentren geworden waren, in denen sie sich versammelten und Aktionen planten, die auf die Destabilisierung des Staates abzielten. Er forderte die Abschaffung des Legionärshandels. In diesem Zusammenhang schrieb Codreanu einen Brief an Iorga, in dem er ihn der Unredlichkeit beschuldigte. Nachdem er die Idee propagiert hatte, dass die rumänische Mehrheitsbevölkerung sich mehr in den Handel einbringen sollte, damit Geschäfte von Menschen mit fremden Wurzeln, insbesondere jene von Juden, Schaden nehmen, forderte Iorga die Abschaffung dieser Geschäfte. Iorga zeigte [dem Premierminister] Armand Călinescu den ächtenden Brief von Codreanu, Călinescu wiederum zeigte ihn dem König Karl II., und Iorga wurde geraten, Codreanu zu verklagen und so kam es zum Prozess. Während des Prozesses erkannte Iorga, dass er einen sehr riskanten Weg eingeschlagen hatte und zog seine Klage zurück. Aber der Prozess ging weiter und Codreanu wurde schlie‎ßlich zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Während des Prozesses wurden Durchsuchungen im Hauptquartier der Legionärsbewegung, im sogenannten Grünen Haus und in den Wohnungen mehrerer Legionäre durchgeführt. Auf dieser Grundlage wurde ein neuer Prozess gegen Codreanu eingeleitet, der im Mai 1938 wegen staatsfeindlicher Handlungen und des Besitzes von Geheimdokumenten zu 10 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde, Anschuldigungen, die unbegründet waren. Bei einer Überstellung aus dem Gefängnis in Râmnicu Sărat nach Jilava, dem Gefägnis bei Bukarest, wurde Codreanu in der Nacht vom 29. auf den 30. November 1938 während der Beförderung in der Nähe des Tâncăbeşti-Waldes ermordet.“




Am 27. November 1940 wurde Nicolae Iorga von einem Legionärskommando von zu Hause abgeholt und in den Wald von Strejnicu gebracht, wo er mit neun Schüssen hingerichtet wurde. So bezahlte der Historiker mit seinem Leben für seine Meinungen in einer Zeit, in der Missbrauch, Hass und politische Morde Oberhand gewonnen hatten.

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