Erster Weltkrieg: Rumänien in Propaganda-Postkarten während der Besatzung
Rumänien trat im August 1916 auf der Seite der Entente in den Ersten Weltkrieg ein. Doch im Dezember 1916 wurde der südliche Teil von deutschen, österreichisch-ungarischen und bulgarischen Truppen besetzt.
Steliu Lambru, 09.11.2020, 17:30
Die Hauptfunktion der Propaganda besteht darin, die eigenen Bürger in schwierigen Zeiten für einen Staat und seine Bevölkerung zu mobilisieren. Denn das Funktionieren der Propaganda ist an den Apparat eines Staates gebunden. Es wurde viel über Propaganda geschrieben, über Kriegspropaganda und mehr. Eines der Elemente, das die Propaganda oft missbraucht und ohne das sie nicht existieren könnte, ist das Bild. Jede Art von Propaganda benutzt das Bild, um die Leistungen eines Staates oder Regimes zu verherrlichen, aber auch, um die Stärke des Gegners zu mindern oder ihn sogar lächerlich zu machen.
Im Ersten Weltkrieg lief die Bildpropaganda auf hohen Touren. Rumänien trat im August 1916 auf der Seite der französisch-englisch-russischen Allianz in den Ersten Weltkrieg ein, nachdem es nach zwei Jahren der Neutralität Zusagen zu Gebietsansprüchen bekommen hatte. Doch im Dezember 1916 wurde der südliche Teil Rumäniens bzw. die Provinzen Große Walachei (Muntenien), Kleine Walachei (Oltenien) und die Dobrudscha sowie die Hauptstadt Bukarest nach vier Monaten blutiger Kämpfe, bei denen 300.000 rumänische Soldaten gefallen waren, von den deutschen, österreichisch-ungarischen, bulgarischen und türkischen Armeen besetzt. Die rumänische Regierung flüchtete in den östlichen Teil des Landes, in die Moldau. Von dort aus bereiteten die rumänischen Behörden mit Unterstützung der französischen Militärmission und der russischen Armee den siegreichen Feldzug von 1917 mit den Schlachten von Mărăşti, Mărăşeşti und Oituz vor.
Der Süden Rumäniens stand unter Besatzung. Das Land musste ein drastisches Wirtschaftsregime von Requisitionen und Restriktionen ertragen, und die Propaganda der Besatzer nutzte die Situation voll aus, um das Leben in Rumänien nach ihren Wünschen darzustellen. Hinter diesem Image verbarg sich jedoch auch ein Alltag, der auch unter der Besatzung weiterging, und dieser Alltag erscheint auch auf den damaligen Fotoaufnahmen.
Mihail Macri ist ein leidenschaftlicher Postkartensammler, Zehntausende Postkarten gingen durch seine Hände. Über die Postkarten aus Rumänien der Jahre 1916–1918 sagte Mihail Macri:
Damals waren in Rumänien Postkarten der Besatzungsarmeen erschienen. Es gab zum Beispiel die berühmte bulgarische Post in Rumänien. Als die Bulgaren in Bukarest angekommen waren, nahmen sie bestimmte Postkarten, die sie hier vorfanden, und sie klebten ihre eigenen Postmarken darauf. Diese Postkarten waren eine Art pseudophilatelistische Ganzstücke, die jetzt, nach so langer Zeit, zu Sammlerstücken geworden sind. Dann kam die deutsche Armee nach Rumänien. Jedes Regiment oder Bataillon hatte einen Fotografen, damit die eigenen Soldaten auch Fotos nach Hause schicken konnten. Die deutschen Soldaten hatten keine Postkarten, und daher fotografierten sie sich zum Beispiel mit Bäuerinnen aus besetzten Dörfern und schickten die Bilder nach Hause. Das taten aber nur die ledigen Soldaten, die verheirateten Männer machten selbstverständlich keine Fotos mit Frauen aus Rumänien.“
1916 war Rumänien ein Land, das sich seit mehr als einem Jahrhundert vom osmanischen Einfluss befreit hatte. Während der Regierungszeit von König Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen hatte Rumänien bemerkenswerte wirtschaftliche Leistungen erbracht, wie den Bau eines Eisenbahnnetzes, das das gesamte Staatsgebiet abdeckte, und eine hochwertige Ölindustrie. Die Hauptstadt Bukarest und andere wichtige Städte wie Iaşi, Craiova, Ploieşti, die Hafenstädte an der Donau und der Hafen Constanţa am Schwarzen Meer wurden erweitert und modernisiert. Gleichzeitig blieb aber die Mehrheit der Bevölkerung ländlich und von der Landwirtschaft abhängig, lebte überwiegend in Armut, und die deutsche Propaganda zögerte nicht, besonders diese rumänische Realität auf Fotoaufnahmen festzuhalten. Mihail Macri dazu:
Die Propaganda-Postkarten, die von den Deutschen in Rumänien gemacht wurden, waren die hässlichsten Postkarten über Rumänien, die es je gab. Die Deutschen fotografierten kein Gebäude, nicht einmal in Bukarest, abgesehen von einer Kneipe in Colentina, in einem armen Bukarester Stadtrandviertel. Diese Kneipe hatte ein schiefes Dach, das mit einem Holzpfeiler gestützt wurde, und auf der Veranda standen ein paar Tische. Mitten auf der Straße, direkt vor der Kneipe, lag ein Schwein in einer Pfütze. Die Deutschen sollten die Besatzungsbedingungen fotografieren, aber sie zeigten nur die Armut in Rumänien. Auf den Fotos und Postkarten war keine schöne und elegante Frau zu sehen, kein Automobil, kein modernes Gebäude. Die Deutschen machten keine Aufnahmen mit dem Nationaltheater oder dem Königspalast in Bukarest, als hätte es sie nicht gegeben.“
Die deutsche Propaganda zeigte aber zufällig auch angenehmere Aspekte des rumänischen Alltags. Mihail Macri:
Das einzig Schöne, was die deutschen Soldaten fotografierten, waren die Märkte, mit Nahaufnahmen der Marktverkäufer und Handwerker. Auf diesen Fotos kann man die damaligen Marktverkäufer und Handwerker sehr gut sehen, die letzteren halten ihre Werkzeuge in der Hand, um von den Kunden erkannt zu werden, die ihre Dienste benötigten. Von rumänischer Seite gab es auch Propaganda-Postkarten, zum Beispiel gegen Bulgarien. Es waren die lustigsten Postkarten der damaligen Zeit, darunter mit Karikaturen. Auf diesen humoristischen Postkarten hatte der Zar Ferdinand I. von Bulgarien eine riesige Nase und wurde meistens mit einem Tritt in den Hintern hinauskomplimentiert. Natürlich gab es auch die Kehrseite der Medaille, die schönsten und witzigsten bulgarischen Postkarten waren die antirumänischen Propaganda-Postkarten, ebenfalls mit Karikaturen. König Karl I. wurde von den Bulgaren als Maus mit riesengroßen Ohren dargestellt, eigentlich eine Mischung zwischen Maus und Esel. Es gab später auch ernsthafte Postkarten mit den schlimmen Folgen des Krieges, aber weniger in unserem Land als zum Beispiel in Frankreich.“