RRI Live!

Hören Sie Radio Rumänien International Live

80 Jahre seit Abtretung der Süddobrudscha: ein Kompromiss für den Frieden

Die Süddobrudscha gehörte 1913–1940 trotz bulgarischer Mehrheitsbevölkerung zu Rumänien. In der Zwischenkriegszeit versuchte die Regierung in Bukarest, die Region zu modernisieren. Mit dem Vertrag von Craiova wurde das Gebiet 1940 an Bulgarien abgetreten.

80 Jahre seit Abtretung der Süddobrudscha: ein Kompromiss für den Frieden
80 Jahre seit Abtretung der Süddobrudscha: ein Kompromiss für den Frieden

, 12.10.2020, 17:30

Die Süddobrudscha wurde 1913 nach dem Vertrag von Bukarest Teil Rumäniens. Im Jahr 1912 hatte die aus Bulgarien, Griechenland, Serbien und Montenegro gebildete Balkanliga eine Militäroffensive gegen das Osmanische Reich begonnen. Nach zweimonatigen Kämpfen gewannen sie Albanien, Mazedonien und Thrakien. Missverständnisse zwischen den Verbündeten über die Aufteilung des eroberten Gebiets führten jedoch zum Zweiten Balkankrieg zwischen Bulgarien und Serbien, Griechenland und Montenegro. Rumänien wurde in den Streit mit Bulgarien verwickelt, und am 10. August 1913 wurden mit dem in Bukarest unterzeichneten Friedensvertrag die Grenzen zwischen den Balkanstaaten neu gezogen.



Der Konkurrenzkampf zwischen den Balkanstaaten um Gebiete unter der Kontrolle des Osmanischen Reiches geht auf das 19. Jahrhundert zurück und war in der Tat heftig und führte häufig zu ziviler und militärischer Gewalt. Dies war die Zeit des radikalen Nationalismus, als die politische Agenda von territorialen Ansprüchen beherrscht wurde. Diese Ansprüche basierten auf historischen Rechten und der ethnischen Zusammensetzung der verschiedenen Regionen. So fühlte sich jeder Balkanstaat berechtigt, so viel Territorium wie möglich zum Nachteil seiner Nachbarn zu besetzen.



Auch Westmächte engagierten sich auf dem Balkan, indem sie die eine oder andere Nation unterstützten und versuchten, die Karten entsprechend ihren eigenen Interessen und der Situation vor Ort neu zu zeichnen. Frankreich und Gro‎ßbritannien unterstützten Griechenland und Serbien, Deutschland unterstützte Rumänien und Bulgarien und Österreich-Ungarn und Italien unterstützten Albanien.



In diesem Zusammenhang gab der Vertrag von Bukarest Rumänien die Süddobrudscha, ein Gebiet, dessen Bevölkerung sich damals ethnisch ziemlich bunt zusammensetzte: 47% Bulgaren, 37% Türken, 4% Roma, 4% Tataren und 2% Rumänen bestand. Die Süddobrudscha war Rumänien erstmals nach dem russisch-rumänisch-türkischen Krieg von 1877–1878 durch den Vertrag von San Stefano und Berlin versprochen worden. Russland hatte Rumänien dieses Gebiet im Austausch gegen Südbessarabien versprochen, aber Rumänien erhielt nur die Norddobrudscha.



Rumänien fühlte sich ungerecht behandelt und behielt das Thema auf seiner Tagesordnung. Nach seinem Sieg 1913 konnte Rumänien die Süddobrudscha nur drei Jahre lang behalten. Als es 1916 an der Seite Frankreichs, Gro‎ßbritanniens und Russlands in den Krieg eintrat und von Deutschland besetzt wurde, verlor Rumänien die gesamte Dobrudscha, die von den Mittelmächten besetzt wurde. Am Ende des Kriegs, nach dem Vertrag von Neuilly sur Seine, ging die Grenze zwischen Rumänien und Bulgarien auf die von 1913 zurück.



Zwischen 1918 und 1940 richtete Rumänien seine Au‎ßenpolitik an der Frankreichs und Gro‎ßbritanniens aus, was 1940 zum Zusammenbruch seiner Grenzen unter der neuen europäischen Ordnung Nazi-Deutschlands führte. Im Juni 1940 besetzte die Sowjetunion im Einvernehmen mit Deutschland nach zwei Ultimaten an die Regierung in Bukarest Bessarabien und die Nordbukowina. Ende August 1940 besetzte Ungarn Nordsiebenbürgen, und am 7. September 1940 wurde in Craiova ein Vertrag unterzeichnet, mit dem Rumänien die Süddobrudscha an Bulgarien abtrat. Beide Verträge wurden Rumänien von Deutschland und Italien auferlegt.



Wir fragten den Historiker Ioan Scurtu, ob das faschistische Regime, das gerade am 6. September 1940 in Bukarest an die Macht gekommen war, diesen Gebietsverlust hätte verhindern können:



Die Frage der Süddobrudscha war von Hitler in einem Brief an König Karl II. vom 15. Juli 1940 geregelt worden, in dem er ihn aufforderte, einen Teil Siebenbürgens an Ungarn und die Süddobrudscha an Bulgarien abzutreten. Die Entscheidung wurde also bereits zu Zeiten von Karl II. getroffen. Im August fanden in Turnu Severin Verhandlungen statt, und es wurde auf der Grundlage eines Beschlusses des Kronrates unter der Leitung von Karl II. festgelegt, dass Rumänien die Süddobrudscha an Bulgarien abtreten würde. Zu Antonescus Zeit wurden also nur die Dokumente unterzeichnet, der Beschluss war bereits vorher gefasst worden.“




Zwischen 1918 und 1940 unternahm Rumänien gro‎ße Anstrengungen zur Entwicklung der Süddobrudscha. Wie es sich in den nach dem Ersten Weltkrieg unterzeichneten Friedensverträgen verpflichtet hatte, musste Rumänien die Rechte der bulgarischen und türkischen Minderheit in Bezug auf Eigentum, Bildung und Presse in ihrer eigenen Sprache, das Wahlrecht, den Rechtsbeistand und alle anderen Rechte der rumänischen Bürger respektieren. In den 1920er Jahren mussten die rumänischen Militärbehörden die südliche Grenze konsolidieren, um mit den Einfällen der bulgarischen paramilitärischen Truppen in der Süddobrudscha fertig zu werden, die zu Plünderungen und Mord führten.



Durch seine Bevölkerungspolitik versuchte Rumänien, die Bedrohung durch die Guerillakräfte jenseits der Grenze zu beseitigen. Die Kolonisierung der Süddobrudscha mit ethnischen Rumänen und auswanderungswilligen Aromunen aus dem ehemaligen osmanischen Mazedonien war eine weiterer Schritt, der die rumänische Verwaltung des Gebiets stärken sollte. So nahm der Anteil der rumänischen Bevölkerung in der Süddobrudscha ständig zu, auch weil Teile der bulgarischen Bevölkerung nach Bulgarien auswanderten. Laut einer Volkszählung aus dem Jahr 1930 war die ethnische Zusammensetzung des Gebietes die Folgende: 37% Bulgaren, 34% Türken, 20% Rumänen, 2% Roma und 1% Tataren.



Abgesehen von seiner Bevölkerungspolitik hat Rumänien das Stra‎ßennetz in der Süddobrudscha ausgebaut, bestehende Stra‎ßen modernisiert und neue gebaut. Die Entwicklung von Städten wie Silistra, Bazargic (Basardschik) und Balcic (Baltschik) geht ebenfalls auf die rumänische Verwaltung zurück, wobei Balcic zur letzten Residenz der Königin Maria wurde, die einen gro‎ßen Beitrag zur Entstehung von Gro‎ßrumänien geleistet hatte. Das Schloss der Königin und seine berühmten Gärten sind auch heute noch die Haupttouristenattraktion in Balcic.

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre
Pro Memoria – zur Geschichte Rumäniens Montag, 16 September 2024

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre

Das Ende des Ersten Weltkriegs hatte eine angespannte Atmosphäre und von Ressentiments geprägte europäische Beziehungen hinterlassen. Die...

Nicolae Titulescu und die rumänische Diplomatie der 1930er Jahre
Der Plan Z

Der Plan Z

Die nach 1945 besetzten Länder Mittel- und Osteuropas, denen kommunistische Parteiregime aufgezwungen wurden, hatten praktisch keine nationalen...

Der Plan Z
Teatrul Național Radiofonic

Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg

  RadioRomaniaInternational · Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg   Hörspiele für Kinder aus dem...

Rundfunkgeschichte: Hörspiele für Kinder waren ein konstanter Erfolg
Cămilă (foto: pixabay.com)

Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet

  RadioRomaniaInternational · Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet   Die Geschichte der Menschheit...

Kamele im rumänischen Raum: bereits in der Antike als Nutztiere verbreitet

Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus

Im heutigen Geschichtsmagazin ist Steliu Lambru der Frage nachgegangen, wie die Sklaverei an der westlichen Küste des Schwarzen Meers in der Antike...

Sklaverei in der Antike: Griechische Stadt-Staaten am Pontus Euxinus

Entwicklungshilfe für Schwellenländer: Sozialistisches Rumänien verfolgte auch politische Ziele

Das sozialistische Rumänien verfolgte – wie viele Staaten des Ostblocks – eine Politik der differenzierten Hilfe für die...

Entwicklungshilfe für Schwellenländer: Sozialistisches Rumänien verfolgte auch politische Ziele

Die Rassenhygiene und ihre symbolische Verurteilung in Rumänien

Die Haltung der Menschen gegenüber ihren Mitmenschen im Laufe der Zeit ist ein hochsensibles Diskussionsthema in der heutigen...

Die Rassenhygiene und ihre symbolische Verurteilung in Rumänien

Zum 100. Geburtstag des Journalisten Mircea Carp

Carp war Radiojournalist und arbeitete für die wichtigste freie Presse Rumäniens nach 1945, für Voice of America und Radio Freies...

Zum 100. Geburtstag des Journalisten Mircea Carp

Partner

Muzeul Național al Țăranului Român Muzeul Național al Țăranului Român
Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS Liga Studentilor Romani din Strainatate - LSRS
Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online Modernism | The Leading Romanian Art Magazine Online
Institului European din România Institului European din România
Institutul Francez din România – Bucureşti Institutul Francez din România – Bucureşti
Muzeul Național de Artă al României Muzeul Național de Artă al României
Le petit Journal Le petit Journal
Radio Prague International Radio Prague International
Muzeul Național de Istorie a României Muzeul Național de Istorie a României
ARCUB ARCUB
Radio Canada International Radio Canada International
Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti” Muzeul Național al Satului „Dimitrie Gusti”
SWI swissinfo.ch SWI swissinfo.ch
UBB Radio ONLINE UBB Radio ONLINE
Strona główna - English Section - polskieradio.pl Strona główna - English Section - polskieradio.pl
creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti creart - Centrul de Creație Artă și Tradiție al Municipiului Bucuresti
italradio italradio
Institutul Confucius Institutul Confucius
BUCPRESS - știri din Cernăuți BUCPRESS - știri din Cernăuți

Mitgliedschaften

Euranet Plus Euranet Plus
AIB | the trade association for international broadcasters AIB | the trade association for international broadcasters
Digital Radio Mondiale Digital Radio Mondiale
News and current affairs from Germany and around the world News and current affairs from Germany and around the world
Comunità radiotelevisiva italofona Comunità radiotelevisiva italofona

Provider

RADIOCOM RADIOCOM
Zeno Media - The Everything Audio Company Zeno Media - The Everything Audio Company