Radio Free Europe: „Rumänische Aktualität“ als Gegenspieler zur kommunistischen Propaganda
Radio Freies Europa wurde vom US-Nationalkomitee für ein freies Europa gegründet. 1950 begann die Station von ihrem Hauptsitz in München aus zu senden.
Steliu Lambru, 02.12.2019, 17:30
Während des Kalten Kriegs war Radio Freies Europa ein wichtiges Instrument, um Rundfunkhörer im Herrschaftsbereich der Sowjetunion mit Informationen aus dem Westen zu versorgen. Im Rumänien der 1970er und 1980er Jahre war der Sender Radio Freies Europa eine der wenigen glaubhaften Verbindungen zur freien westlichen Welt, eine Unterstützung für Millionen freiheitsliebende Rumänen, die unter dem Druck des kommunistischen Regimes litten. Noël Bernard, Vlad Georgescu, Mircea Carp, Neculai Constantin Munteanu, Raluca Petrulian, Doina Alexandru sind nur einige Journalisten, mit denen Millionen rumänische Hörer sich eng verbunden fühlten, weil diese Rundfunkredakteure im Namen aller Rumänen die Wahrheit verbreiteten.
Seit den 1950er Jahren steht der Sender Radio Freies Europa zusammen mit Voice of America, BBC, Radio France und Deutsche Welle für freie Presse auf Rumänisch. Vor allem der Sender Freies Europa Europa übte die härteste Kritik an dem von Nicolae Ceauşescu geführten kommunistischen Regime. Der neue Trend zu einem aggressiveren Radio Freies Europa, der die kommunistische Diktatur heftig kritisierte, war nach 1977 zwei hochkarätigen Journalisten zu verdanken. Das waren Noëll Bernard, der Direktor der rumänischen Redaktion, und Mircea Carp, der die Sendungen erneuerte und mit Energie auflud. Mircea Carp kam vom Radiosender Voice of America und war derjenige, der es schaffte, den Sender Radio Freies Europa nach amerikanischem Vorbild neu zu gestalten, mit kürzeren Rubriken, zwischen 4 und 6 Minuten, die mehrere verschiedenen Themen behandelten. Die Programme mit starkem Impakt wurden zum Markenzeichen des Senders Radio Freies Europa. Die wichtigsten Programme waren Das politische Programm“, das täglich zwischen 18.10 Uhr und 19.00 Uhr ausgestrahlt wurde, und insbesondere Rumänische Aktualität“ und Aus der kommunistischen Welt“, täglich zwischen 19.10 Uhr und 20.00 Uhr.
1977 durfte der rumänische Journalist Neculai Constantin Munteanu in die Bundesrepublik Deutschland auswandern, nachdem er sich mit der Dissidenten-Bewegung des rumänischen Schriftstellers Paul Goma zur Anklage von Menschenrechtsverletzungen durch das Bukarester Regime solidarisch gezeigt hatte. In Rumänien war Neculai Constantin Munteanu Filmkritiker beim Kinomagazin Cinema“ gewesen; in Deutschland schloss er sich 1980 dem Team von Radio Freies Europa an und arbeitete in der Redaktion von Rumänische Aktualität“. 1999 sprach Neculai Constantin Munteanu darüber in einem Interview mit dem Zentrum für Mündliche Geschichte des Rumänischen Rundfunks:
Ich war im Büro von Emil Georgescu, dem Redakteur von »Rumänische Aktualität«, der zwei Monate lang irgendwo in den Vereinigten Staaten einen Englischkurs besuchte. Für diese Position war ich 1980 dorthin gekommen. Man zeigte mir einen großen Tisch, auf dem mehrere Stapel rumänischer Zeitungen lagen, fast die gesamte Tagespresse und einen Teil der wöchentlichen Zeitschriften aus Rumänien. Ich fing an, sie zu lesen. Ich hatte die rumänische Parteizeitung »Scânteia« bereits in Frankfurt gelesen — sooft ich sie kaufen konnte, denn ich konnte die »Scânteia« nicht jeden Tag kaufen. Mir durstete nach Pressemeldungen, drei Tage lang las ich die rumänischen Zeitungen und nach drei Tagen verfasste ich einen ersten Kommentar, basierend auf dem, was ich gelesen hatte. Das geschah also am 23. und 24. Mai 1980, und seitdem habe ich nie aufgehört, bei »Rumänische Aktualität« zu arbeiten. Es ging so weiter bis Ende 1994, als ich freiwillig gegangen bin.“
N. C. Munteanus Presseerfahrung sollte ihm in seinem neuen Job von großem Nutzen sein. Der Erfolg des Projekts Rumänische Aktualität“ war auch der guten Zusammenarbeit in der Redaktion zu verdanken, wo die Neueinsteiger höchst willkommen und gut integriert waren. Neculai Constantin Munteanu:
Später, nach den ersten zwei Probemonaten, kam der Chefredakteur Emil Georgescu aus den USA zurück. Er war ein sehr guter Rundfunkjournalist, obwohl er nie Journalismus studiert hatte. Er hatte Jura studiert und praktiziert, er war Rechtsanwalt, ein exzellenter Redner, eine gewaltige Präsenz am Mikrofon und er war auch sehr gut informiert. Er kannte viele Menschen, er kannte auch alle Unterströmungen und Mechanismen des Kommunismus, vor allem die überall verbreitete Korruption im kommunistischen System. Er war ein starker Rundfunkredakteur und Sprecher und bei Radio Freies Europa hatte er seine Fähigkeiten auf Perfektion gebracht. Wenn er »Guten Abend!« sagte, hatte man den Eindruck, der Kommunismus sei auch für einen nicht guten Abend verantwortlich. Emil Georgescu war ein außergewöhnliches Talent und verfügte über sehr gute Informationsquellen. Ich habe mich mit ihm ziemlich gut verstanden. Er nahm seine Position als Leiter, Moderator und Gestalter der Sendung wieder ein. Ich wurde dann Kommentator, Reporter, was man gerade brauchte, und von Montag bis einschließlich Donnerstag musste ich täglich einen Beitrag von etwa 8 Minuten verfassen, das waren etwa 4 getippte Seiten. Am Freitag hatten wir die Kultursendung aus Paris, die aber von Emil Georgescu präsentiert wurde.“
Der enorme Erfolg der Sendung Rumänische Aktualität“ kam vor allem von den exakten Informationen, die ausgestrahlt wurden. Neculai Constantin Munteanu enthüllte die Geheimnisse der Arbeit in der Redaktion von Rumänische Aktualität“
Wir alle von der Sendung »Rumänische Aktualität«, aber auch die Kollegen von den anderen Sendungen, begannen den Tag, indem wir alle Nachrichten lasen, die in der Nacht oder in den letzten 24 Stunden von den großen Nachrichtenagenturen gekommen waren. Die Nachrichten erhielten wir von einem zentralen Dienst und wir lasen auch Artikeln in den wichtigsten deutschen europäischen und amerikanischen Zeitungen. Für »Rumänische Aktualität« kam der Großteil der Informationen aus erster Hand von Radio Bukarest, und ich wusste so ziemlich alles, was in den Nachrichtenbulletins von Radio Rumänien gesagt wurde. Hinzu kamen die Nachrichtenbulletins der rumänischen Nachrichtenagentur Agerpres in Rumänisch und Englisch. Der Zuhörer wird sich fragen, inwieweit wir die Nachrichten aus Rumänien für unsere Sendungen verwenden konnten, da es sich um Propagandamaterial handelte. Das war wirklich der Fall, aber die Grundlage der Informationen war auch da: Ceauşescus Arbeitsbesuche oder Auslandsbesuche, die Persönlichkeiten, die er empfangen hatte, seine Reden, alles war da. Unsere tägliche Routinearbeit war, die Informationen aus Rumänien zu ‚entschlacken‘, zwischen den Zeilen zu lesen und die echte Information zu finden, die die echte Dimension der Tatsachen gab.. Wenn zum Beispiel darauf bestanden wurde, dass die Ernte erfolgen sollte, wusste ich, dass noch nicht geerntet worden war, das war nicht sehr schwierig. Oder dass bei der Ernte die Studenten nicht getan hatten, was sie tun mussten, weil die Bauern keine Rolle mehr spielten. Beim Lesen dieser Informationen und auf der Grundlage der Ereignisse in der Nacht machten wir einen Entwurf des Programms. Die Sendung dauerte 30 Minuten lang, sie enthielt etwa 3 Kommentare von jeweils 8 Minuten und die restliche Zeit blieb für andere aktuelle Nachrichten und Informationen, die eingefügt werden konnten.“
Die Sendung Rumänische Aktualität“ ist ein Meilenstein für die Zuhörer des Senders Radio Freies Europa. Sie war der Triumph der Wahrheit über Ungerechtigkeit und Verlogenheit.