Geschichte des Holocaust: 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen
Gedenkfeiern sollen die zukünftigen Generationen daran erinnern, was in der Vergangenheit geschah, als frühere Generationen katastrophale Entscheidungen trafen, die zu kollektiven Tragödien führten.
Steliu Lambru, 23.09.2019, 17:30
Das Gedenken an 75 Jahre seit der Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen in Vernichtungslager der Nazis ist etwas, das ständig in Erinnerung gerufen werden muss, damit sich solche Gräueltaten nie wieder ereignen. Die europäischen Juden zahlten einen sehr hohen Preis für die kriminellen Fantasien des Faschismus, für die Illusion einer besseren Gesellschaft. 150.000 von ihnen stammten aus Nordsiebenbürgen, eines am 30. August 1940 von Ungarn annektierten Landesteils, der überwiegend von Rumänen bewohnt wurde.
Im Frühjahr 1944 begannen die ungarischen Behörden, die jüdische Bevölkerung in die Ghettos zu schicken. Hitler verlor das Vertrauen in die totalitären Regime in Ungarn und Rumänien, bezweifelte ihre Fähigkeit, die jüdische Bevölkerung zu vernichten, und beschloss, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Das bedeutete, die Juden noch mehr zu verfolgen. Nachdem sie gezwungen worden waren, ein Abzeichen in Form eines gelben Sterns als Identifikationsmittel zu tragen, nachdem sie allerlei Demütigungen ausgesetzt wurden, nachdem sie alle ihre bürgerlichen, politischen und wirtschaftlichen Rechte aufgrund der Rassengesetzgebung verloren hatten, wurden die Juden nun gezwungen, ihre Häuser zu verlassen.
Marius Popescu vom Wilhelm-Filderman-Zentrum für das Studium der Geschichte der rumänischen Juden, erzählt uns, wie die Deportation der Juden aus Nordsiebenbürgen, damals unter ungarischer Besatzung, stattfand:
Der Prozess der Entsendung der Juden in die Ghettos begann am 3. Mai 1944. Etwas, für dessen Realisierung die westlichen Länder etwa 2 oder 3 Jahre brauchten, dauerte in Nordsiebenbürgen nur anderthalb Monate. Das zeigt, wie sehr die deutschen und ungarischen Behörden darauf bedacht waren, die jüdische Bevölkerung zu vernichten.“
Marius Popescu erläutert weiter, wie die Ghettos in den Städten Nordsiebenbürgens aufgebaut wurden:
Es gab Ghettos in Oradea, Cluj, Dej, Satu Mare, Sfântu Gheorghe, Târgu Mureş und Şimleu. Die Juden aus den umliegenden Dörfern wurden als erste in Ghettos in den Kreishauptstädten geschickt. Die Ghettos waren jedoch nicht wie die üblichen, in denen die jüdische Bevölkerung gezwungen war, im Elend hinter hohen Mauern zu leben, wie zum Beispiel in Polen. Die Ghettos in Nordsiebenbürgen waren Transit-Ghettos, wo die Juden 2 oder 3 Wochen verbrachten. Das Wort Ghetto wird in diesem Zusammenhang sehr häufig verwendet, aber ich würde es hier nicht verwenden. Ein Ghetto befand sich am Rande einer Stadt, in der die Juden auf engstem Raum zusammengepfercht waren. Die Juden machten etwa 30% der Gesamtbevölkerung von Oradea aus, so dass etwa 30.000 Juden in das Ghetto geschickt wurden. In Cluj lag ihre Zahl bei 18.000. Die Bedingungen im Ghetto waren schrecklich, es gab keine Toiletten, einmal täglich wurde Essen ausgeteilt und die Menschen lebten ausschließlich von dem, was sie von zu Hause mitgebracht hatten. Am 3. Mai 1944, als die Ghettos von Gendarmen umzingelt wurden, hatten sie eine halbe Stunde Zeit zur Vorbereitung auf die Deportation. Das Ghetto war mit Draht umgeben.“
Elie Wiesel, Friedensnobelpreisträger, geboren in Sighetu Marmaţiei, verbrachte einige Zeit in einem Ghetto, bevor er nach Auschwitz geschickt wurde. Eva Heyman, ein 13-jähriges Mädchen, das in die Gaskammer in Auschwitz geschickt wurde und heute als Anne Frank Siebenbürgens bezeichnet wird, hatte das Ghetto in Oradea passiert. Miklós Nyiszli, ein Arzt aus Oradea, wurde zunächst in ein ähnliches Ghetto geschickt, dann nach Auschwitz, hatte aber die große Chance, zu überleben. Das sind nur drei der Menschen, die das Leben in den Ghettos Nordsiebenbürgens erlebt und schriftliche Beweise dafür hinterlassen haben. Historiker Marius Popescu über den Alltag im Ghetto:
Einmal im Ghetto angekommen, wurden die Juden gedemütigt, verspottet und sogar ermordet. Heute wissen wir, was z.B. die Brauerei »Dreher« bedeutete — es war der Ort, an dem die Juden geschlagen, mit Stromschlägen gefoltert wurden, um preiszugeben, wo ihr Vermögen war oder wer es für sie aufbewahrte. Es gab Überlebende, die das Geschehene aufgeschrieben haben, sogar einige wenige Überlebende aus Auschwitz. Ich möchte noch zwei weitere Namen nennen — Otto Adler und Oliver Lustig. Letzterer hat Dokumente veröffentlicht, die in zwei Büchern enthalten sind. So haben wir detaillierte Informationen über die Grausamkeiten, die in diesen Ghettos geschehen sind.“