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Zur Geschichte der jiddischsprachigen Kultur in Rumänien

Die jiddische Sprache und Kultur erstreckten sich über ein weites Gebiet in Mittel- und Osteuropa, von der Ostsee bis zur Donau, wobei der große europäische Fluss als Südgrenze gilt.

Zur Geschichte der jiddischsprachigen Kultur in Rumänien
Zur Geschichte der jiddischsprachigen Kultur in Rumänien

, 05.08.2019, 17:30

Es ist oder war die Sprache und Kultur der mittel- und osteuropäischen Juden des Habsburgerreichs und des zaristischen Russlands, des Territoriums der baltischen Staaten und sogar der meisten Juden Rumäniens. Die jiddische Sprache ist in Rumänien wegen der massiven Auswanderungen seit 1950 fast verschwunden. In Rumänien lebten nach den Volkszählungsdaten von 1930 etwa 800.000 Juden, und die Hälfte von ihnen sprach die jiddische Sprache flie‎ßend.



Das Studium der jiddischen Sprache begann im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts vor allem bei den jüdischen Eliten des deutschsprachigen Raumes. Die jiddische Sprache ist von allen europäischen Kulturen beeinflusst worden, in deren Mitte europäische Juden gelebt haben, und so hat die jiddische Kultur eine Mischung aus Judentum und den Kulturformen der jeweiligen Epoche dargestellt. Die jiddische Kultur war sowohl national als auch transnational, typisch für das jüdische Volk, das auch Elemente der anderen ethnischen Gruppen integrierte. Die Liste derer, die die jiddische Sprache und Kultur erschaffen und gestaltet haben, ist beeindruckend. Unter den in Rumänien bekanntesten Schriftstellern gehören Schalom Alechem (auch Scholem Alejchem geschrieben), der dem rumänischen Publikum durch Übersetzungen bekannt ist, und Itzik Manger, der vielleicht wichtigste Jiddisch schreibende Romancier aus dem rumänischen Raum. Darüber hinaus wird seit 2018 am 30. Mai der Internationale Tag der jiddischen Sprache und Kultur gefeiert, da der 30. Mai das Geburtsdatum von Itzik Manger ist.



Camelia Crăciun unterrichtet jüdische Kultur an der Fakultät für Fremdsprachen und Literatur der Universität Bukarest und berichtet uns über die faszinierende Welt der jiddischen Kultur:



Die jiddische Sprache gehört zur aschkenasischen Gemeinschaft, d.h. zur jüdischen Gemeinschaft Osteuropas. Diese Sprache wurde mehr als ein Jahrtausend lang in ganz Osteuropa gesprochen, von der Ostsee bis zur Donau, wobei der Fluss als Grenze dieser Kultur betrachtet wurde, da weiter südlich die Ladino-Kultur der sephardischen Juden dominierte. In Rumänien sprach die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert die jiddische Sprache, die sich auf das Deutsche bezog, sich aber von der deutschen Sprache unterschied, hebräische Schriftzeichen verwendete und gleichzeitig eine wichtige germanische Komponente aus grammatikalischer und lexikalischer Sicht hatte. Einflüsse osteuropäischer Sprachen und Kulturen wie Polnisch, Russisch, Ukrainisch, Aramäisch und biblisches Hebräisch werden ebenfalls festgestellt. Die jiddische Sprache ist sehr flexibel und hat sich sehr gut an die sozialen und historischen Gegebenheiten des Gebiets angepasst, in dem sie gesprochen wurde, was ihre au‎ßergewöhnliche sprachliche Vielfalt erklärt.“




In Rumänien war die jiddische Kultur sehr aktiv. Es gab Schulen, Theater, Presse, politische Texte auf Jiddisch, all das sind Beweise einer lebendigen Sprache. Hochschullehrerin Camelia Crăciun berichtet weiter:



Eines meiner Forschungsgebiete ist die Geschichte des jiddischen Theaters, das praktisch im rumänischen Raum geboren wurde. Von allen Gebieten, in denen die jiddische Sprache gesprochen wurde, war es 1876 gerade die rumänische Stadt Iaşi, die den besten Rahmen bot, damit dieses kulturelle Phänomen geboren und dann in die Vereinigten Staaten verbreitet werden konnte. Der Schöpfer dieses Phänomens war Abraham Goldfaden, ein russischer Jude, der am Vorabend des Unabhängigkeitskrieges nach Iaşi kam und als Vater des jiddischen Theaters gilt. Eine weitere Persönlichkeit war Itzik Manger, Autor eines berühmten Romans, der nur scheinbar Kindern gewidmet ist, der in einer spielerischen Tonart geschrieben wurde, für alle Altersgruppen zugänglich ist und den Titel »Das Buch des Paradieses« trägt. Menger war auch ein Dichter und seine Gedichte wurden in viele Sprachen übersetzt. Auch der Fabeldichter Elieser Steinbarg, der Dichter Jacob Groper und der gro‎ße Theaterregisseur Jacob Sternberg lebten und schufen in Rumänien. Von allen bisher recherchierten Dokumenten wurde keine jiddische Autorin gefunden. Nina Cassian zum Beispiel hat aus dem Jiddischen ins Rumänische übersetzt, aber sie hat nicht auf Jiddisch geschrieben und gilt als Dichterin der rumänischen Sprache.“




In der jüdischen Presse schrieben Intellektuelle in jiddischer Sprache nicht nur über und für ihre eigene Gemeinschaft, sondern auch über eine breitere Gemeinschaft im Ausland. Camelia Crăciun hat wieder die Details.



Die jiddischsprachige Presse wurde weniger studiert, obwohl sie angesichts des gro‎ßen Teils der Bevölkerung, der Jiddisch sprach, besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert, für Wissenschaftler besonders interessant wäre. In Iaşi zum Beispiel, wo die Hälfte der Bevölkerung jüdischer Herkunft war und die Mehrheit Jiddisch sprach, gab es ein wichtiges jüdisches Pressezentrum. Die ersten jiddischen Publikationen erschienen in Iaşi um 1850. Es war eine sehr dynamische Presse, die aus wirtschaftlichen Gründen stark schwankte. Es entstanden zahlreiche, nicht langlebige Publikationen, die die soziale, politische und kulturelle Realität der damaligen Zeit widerspiegelten. In der Zwischenkriegszeit und vor allem nach dem Holocaust nahm die Bedeutung der jiddischsprachigen Presse ab, aber nach 1950 strahlte der nationale Radiosender jiddische Programme aus, und bis vor kurzem gab es Veröffentlichungen auf Jiddisch, auch die Zeitschrift »Realitatea evreiască« (»Jüdische Realität«) des Verbandes der Jüdischen Gemeinden Rumäniens hatte eine Seite auf Jiddisch.“




Derzeit ist in Rumänien die jiddische Sprache und Kultur vom Aussterben bedroht, aber das reiche Erbe und die Vitalität dieser Sprache werden immer Inspirationsquellen für die heutige Welt sein.

Foto: ExplorerBob / pixabay.com

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